Corona-PandemieWie Kölner Kinder jetzt mit ihren Lücken zu kämpfen haben

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Symbolbild

Förderkurse, Beratung, Online-Chats: Auch in den Ferien haben Schulpsychologinnen und -psychologen der Stadt viel zu tun. Ute Schnell-Micka, Leiterin des Schulpsychologischen Dienstes , erläutert Martina Windrath Angebote und Herausforderungen.

Es gibt viel aufzuholen nach zwei Jahren Corona-Pandemie und damit verbundenen Defiziten. Normale Zeiten sind es längst nicht, oder?

Definitiv, ja. Durch die Schulschließungen, Distanzunterricht und die gesamte belastende Situation entstanden eindeutig Defizite. Sie sind über einen langen Zeitraum entstanden, das lässt sich jetzt nicht in ein paar Monaten alles auflösen. Die Lernlücken sind größer geworden, neben den Lernrückständen gibt es auch Schwierigkeiten im emotionalen und sozialen Bereich. Besonders für die Kinder, die in ihrem sozialen Umfeld nicht die nötige Unterstützung fanden, etwa weil berufstätige Eltern durch extreme Herausforderungen selbst vielfach belastet waren. Die meisten Kinder und Jugendlichen können dies nicht so schnell kompensieren. Vieles ist noch längst nicht wieder normal. Für die Aufarbeitung braucht es viel Geduld und Zeit. Man muss bedenken: Auch Lehrkräfte sind nach der schwierigen Zeit am Limit.

Online-Angebot

Die Familienberatung und der Schulpsychologische Dienst der Stadt Köln bieten seit März diesen Jahres zusätzlich ein neues kostenloses und digitales Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an. Dienstags, 14.30 bis 16.30 Uhr, gibt es die offene Sprechstunde „Jugendberatung Digital“ mit Fachleuten, ein Live-Chat unter vier Augen, streng vertraulich, auf Wunsch anonym. Es gibt zudem terminierte Beratungen per Einzelchat, E-Mail, Videochat. (MW)

www.stadt-koeln.assisto.online/

Es gibt viel zu tun auch für den Schulpsychologischen Dienst. In diesen Ferien laufen wieder Förderkurse, gibt es noch Plätze?

Förderkurse mit geschulten Lehrkräften laufen auch dieses Jahr, in der ersten Ferienhälfte nehmen 60 Schülerinnen und Schüler an den neun Kursen in kleinen Gruppen teil, die meisten in Mathematik, gefolgt von Deutsch und Fremdsprachen. In der zweiten Ferienhälfte wird es noch einmal mehr Kurse geben, die Anmeldefrist dafür läuft bis 8. Juli. Es gibt noch freie Plätze .

Die Rückstände sind ohne Unterstützung wohl kaum aufzuarbeiten?!

Viele Familien können das nicht ohne weitere Hilfen kompensieren. Man muss bedenken: Eltern sind keine Nachhilfelehrer! Wenn sie die Rolle übernehmen, kann dies schnell die Beziehung zu dem Kind belasten, es zu Konflikten kommen, weil das Kind sich verweigert oder große Verunsicherung entsteht, weil es den Stoff in der Schule anders vermittelt bekommt.

Wie sollten sich Eltern denn besser verhalten?

Das kommt ja immer auch auf die Entwicklung des Kindes und sein Alter an und lässt sich nicht einfach verallgemeinern. Eines ist klar: Ferien sollten auch Ferien sein für die Kinder und Jugendlichen, sie mussten in den vergangenen beiden Jahren sehr viele Belastungen aushalten. Sie sollten motiviert werden, mit Spaß lernen. Kinder und Jugendliche an weiterführenden Schulen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich selbst zu organisieren, Lernpläne zu machen und eigenverantwortlicher zu handeln. Grundschulkinder brauchen sicher mehr Unterstützung, aber man kann auch spielerisch im Alltag lernen. Und hilfreich ist, die vielfältigen Beratungsangebote zu nutzen.

Viele Jugendliche klagen über hohen Leistungsdruck, Ängste, sagt die BezirksschülerInnnenvertretung. Gibt es zusätzliche Beratung?

Wir möchten nächstes Schuljahr vermehrt niedrigschwellig Beratung in Schulen anbieten, für Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern. Wir brauchen dafür aber dann auch den Raum und die nötige Organisation vor Ort. Dabei sind unsere Kapazitäten allerdings begrenzt mit einem Team von 27 Schulpsychologinnen und -psychologen, darunter sind viele Teilzeitbeschäftigte.

Mit welchen Sorgen wenden sich Betroffene aus den Schulen an ihr Team?

Wir haben viele Anfragen zu herausforderndem, aggressiven Verhalten von Schülern. Viele hatten gar nicht die Möglichkeit Erfahrungen im Umgang miteinander zu sammeln, nicht gelernt, wie sie sozial in Kontakt treten, Konflikte ohne Aggressionen lösen. Da fehlten oft die Übungsmöglichkeiten. Die damaligen Erstklässler konnten wichtige Lernerfahrungen im Umgang miteinander und die damit verbundenen Regeln erst wesentlich später lernen. Nach der Phase des Distanzunterrichts und der Wieder-Öffnung der Schulen traten deutlich viele Ängste hervor. Manche wollten nicht mehr zur Schule gehen, hatten Sorge, den Anforderungen nicht gerecht zu werden, wie sie Konflikte lösen könnten.

Haben Sie Sorgen mit Blick aufs nächste Schuljahr? Es sind noch viele Fragen offen, Corona ist nicht vorbei.

Wir sind sehr flexibel, haben uns in den letzten Jahren so schnell umstellen müssen und viele neue, auch digitale Angebote entwickelt. Wir sind gut aufgestellt. Aber Schulschließungen, hat sich gezeigt, wirken sich sehr negativ auf alle Beteiligten aus.

Rundschau abonnieren