„Das ist ein Trauerspiel“Geändertes Schul-Anmeldeverfahren in Köln empört

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So schön kann Schule aussehen: Im neuen Trakt des „Humboldt“ zum Beispiel. City-Schulen sind sehr gefragt. Nicht alle Interessenten bekommen immer den Wunschplatz.

Köln – Kalt erwischt: Die überraschende Nachricht vom geänderten Anmeldeverfahren an Gymnasien entsetzt Eltern, stößt in Schulen auf Kritik . Am letzten Schultag vor den Osterferien verkündete die Stadt den mit der Bezirksregierung getroffenen Entschluss, der auch Schulpolitiker auf die Palme bringt:

In dem laufenden Verfahren entfällt nun der Zweitwunsch für ein Gymnasium, den Eltern abgeben konnten. Stattdessen erhalten sie bei einem abgelehnten Erstwunsch ab 6. April einen Brief von der Stadt, darin eine Liste von Schulen mit freien Plätzen, an denen sie alternativ ihr Kind vom 12. bis 16. April anmelden können. Die Zeit ist mehr als knapp. Vergangenes Jahr gingen beim Erstwunsch für ein Gymnasium 160 Kinder leer aus. Bezirksregierung und Stadt berieten dann aufwendig individuelle Möglichkeiten und machten alternative Angebote. Das soll es nicht mehr geben.

Thema in einer aktuellen Stunde

„Wir wurden als zuständiger Schulausschuss nicht in die Änderung des Anmeldeverfahrens einbezogen“, kritisiert Ausschussvorsitzender Helge Schlieben (CDU) Schulverwaltung der Stadt und Bezirksregierung. In einer Aktuellen Stunde werde Aufklärung verlangt, „wer wann was, wieso und auf Basis welcher Entscheidungskompetenz veranlasst hat“, so die Grünen. Erst im Februar hatte sich die Mehrheit mit Grünen, CDU, FDP und Volt dafür entschieden, analog zu Gymnasien auch an Gesamtschulen einen Zweitwunsch einzuführen. Die Nachfrage nach Gymnasial- und Gesamtschulplätzen übersteigt die Kapazitäten, die Politik wollte genau wissen, wo Eltern ihre Kinder anmelden möchten.

Kritik am neuen Verfahren übt auch Dr. Alexander Fladerer, Vorsitzender des GEW-Bezirk Köln: „Damit wird die Verantwortung wieder einmal auf die Schulen verlagert.“ Durch den Wegfall des Zweitwunsches gehe jetzt für die Eltern, deren Erstwunsch abgelehnt wurde, „wieder der Run auf bestimmte Schulen los“. An einigen Gymnasien würden es „wieder zu viele Interessenten sein, voraussichtlich im Linksrheinischen, und an anderen vor allem im Rechtsrheinischen zu wenige“. Bei ausreichend Plätzen: kein Problem.

Jeder bekommt einen Platz, nur nicht sicher an der Wunschschule

„Was aber, wenn es mehr Interessenten als Plätze gibt? Gibt es dann eine dritte Auswahlrunde?“ Die einzigen „gerichtsfesten“ Entscheidungskriterien bei seien das Losverfahren oder der Aspekt Geschwisterkinder. „Alle anderen Kriterien haben vor Gericht bei Widersprüchen keinen Bestand gehabt.“ Mit der Bildung von neun zusätzlichen Gymnasial-Klassen fürs neue Schuljahr wird zwar rein rechnerisch jedes Kind einen Platz erhalten. Aber nicht immer an einer favorisierten Schule. Bei der Schulwahl spielen jedoch das pädagogische Profil passend zum Kind, Angebote wie Fremdsprachen oder Ganztag eine wichtige Rolle. Ein schwieriger Abwägungsprozess, weiß auch Gerhard Jansen, Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft. Der Vater ist „entsetzt“ von der plötzlichen Änderung. „Mag ja sein, dass das neue Verfahren seine Vorteile hat. Aber viele Eltern und Kinder gucken jetzt in die Röhre und müssen auf die Schnelle neu entscheiden. Ich wüsste nicht, wie das Problem zu lösen ist außer durch den Bau von Schulen.“ Das Grundproblem ist klar: Die Schülerzahlen steigen, der Platzbedarf groß. Die Bezirksregierung mahnte wiederholt an, dass die Einrichtung von zusätzlichen und vergrößerten Klassen keine Dauerlösung sein darf. Die Schulverwaltung drängt seit Jahren auf den Bau weiterer Schulen.

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Allein an Gesamtschulen wurden dieses Jahr 700 Kinder abgelehnt. „Das ist eine reine Mängelwirtschaft der Stadt“, findet Gewerkschafter Fladerer. „Sie hat ihre Hausaufgaben seit Jahrzehnten nicht erfüllt und völlig verschlafen, ausreichend Schulplätze zu bauen.“ Es gebe zwar Pläne, „aber die besten Pläne nützen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden. Ein Trauerspiel.“ Die „Bombe“ werde 2026/27 mit dem Übergang zum Abitur nach neun Gymnasialjahren platzen, wenn ein kompletter Jahrgang zusätzlich im System bleibt, an die 5000 Schülerinnen und Schüler. In fünf Jahren. Aber: „Der Bau einer Schule dauert in Köln doch mindestens zehn Jahre, und länger.“

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