Tatort-Star Dietmar Bär im Interview„Der Umgang miteinander ist härter geworden“

„Ich klinge jetzt vermutlich sehr alt, oder?“ Dietmar Bär in der Südstadt.
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- Beim „anderen Gespräch“ dürfen Prominente das Thema wählen. Nur die eigene Profession ist tabu.
- Der Kölner Tatort-Darsteller Dietmar Bär spricht in unserer Interview-Reihe über Respekt.
Köln – Ein Straßen-Café in der Südstadt. Dietmar Bär war am Vorabend auf dem Queen-Konzert, statt Kaffee bestellt er sich lieber eine Rhabarber-Schorle. Jens Meifert traf den 61-Jährigen.
Herr Bär, Sie wollen über Respekt sprechen, da klingt schon mit dem Thema, dass Sie ihn mehr als nur hier und da vermissen, oder?
Dietmar Bär: Ich frage mich selbst, ob ich ein alter Sack werde und es daran liegt. Aber ja, ich merke, dass sich da etwas verändert. Das profanste Beispiel ist, wenn ich mich aufs Fahrrad setze und durch die Stadt rolle. Egal, ob in Köln oder Berlin: Nach spätestens zehn Minuten kommen lebensbedrohliche Situationen. Und ich denke immer: Was ist hier los?
Was denn?
Bär: Die Rücksicht fehlt, der Umgang miteinander ist härter geworden. Das ist auch auf der Autobahn so, ganz klar, und es ist auch nicht so, dass ich mich da immer vorbildlich verhalten hätte. Aber plötzlich meint jeder: Achtung, jetzt komme ich! Ellbogen raus. Und ich glaube, das war früher anders. Es ist eine gewisse Egalhaltung da, das nehme ich aus der ersten Corona-Phase wahr, als unsere Gesellschaft wirklich auf dem Prüfstand war.
Haben wir die Prüfung nicht bestanden?
Bär: Ich bin mir nicht sicher. Wenn ich auf die Querdenker schaue, muss ich sagen, das ist schwer auszuhalten. Aber das ist nur ein Auswuchs unserer pluralistischen Gesellschaft. Ich habe den ersten Lockdown in Köln erlebt, da haben wir aus den Fenstern applaudiert und alles lief sehr diszipliniert ab, aber in Berlin kümmerte das anfangs gar keinen. Und ich dachte nur: Hey, wir müssen doch jetzt alle miteinander klar kommen. Da hilft uns so eine Maske im Gesicht.
Aber es gab auch große Solidarität: Einkaufen gehen für Nachbarn, Konzerte für einsame Senioren im Hinterhof.
Bär: Das stimmt, alles gut. Aber ganz viele haben gleich über Freiheitsberaubung gesprochen, über eine Diktatur. Da habe ich an meine Großeltern gedacht. Die sagten früher: ,Euch geht’s wohl zu gut.’ Natürlich ist es doof, wenn man in der Abi-Zeit nicht feiern kann oder ständig im Home-Office arbeiten muss. Da kann ich nur raten: Vergleich das mal mit den Sorgen anderer Menschen auf diesem Erdball. Mir ist es mit Jahrgang 1961 auch immer gut gegangen, aber den Begriff Freiheit in Zusammenhang zu setzen mit dem Recht auf Party, das scheint mir merkwürdig.
Zur Person
25 Jahre schon bildet Dietmar Bär als Freddy Schenk gemeinsam mit Klaus J. Behrendt (Max Ballauf) das Ermittlerduo im Kölner Tatort. „Willkommen in Köln“ lautete der Titel der ersten Folge am 5. Oktober 1997.
Der 61-Jährige ist groß geworden als Sohn eines Metzgers in Dortmund. Er besuchte die Westfälische Schauspielschule in Bochum. 1984 war er als Hooligan im Duisburg-Tatort „Zweierlei Blut“ mit Götz George (als Kommissar Horst Schimanski) zu sehen.
1990 trat er an der Seite von Willy Millowitsch als Kriminalkommissar Michael „Mike“ Döpper in der Krimiserie Kommissar Klefisch auf. Bär engagiert sich gemeinsam mit Behrendt im Verein „Tatort – Straßen der Welt“ für Kinder auf den Philippinen. Er wohnt mit seiner Frau in Köln und Berlin. (mft)
Ist Respekt ein konservativer Wert?
Bär: (richtet sich auf) Um Gottes Willen, nein! Den würde ich da sofort rausnehmen. Den Begriff würde ich überall parken. Wenn ich an meine Jahre im Ruhrgebiet denke, den Respekt für die Stahlwerker, die Solidarität mit den Arbeitern, die waren natürlich in allen Teilen der Gesellschaft da. Das heißt doch übersetzt: Ich bin nicht allein auf dieser Welt.
Sie sind Sohn eines Metzgergesellen, in Dortmund groß geworden. Was wurde Ihnen zuhause mit auf den Weg gegeben?
Bär: Ich frage mich, ob das nicht früher normal war, dass man für ältere Menschen in der Bahn aufgestanden ist. Ich kann meinen Vater damit nicht wörtlich zitieren, aber ja, das galt. Es gab in den 60er Jahren viele Versehrte, die wirklich die Spuren des Weltkrieges trugen, natürlich stand man da auf. Fahren Sie heute mal in Berlin mit der U-Bahn, da rührt sich keiner. Man merkt doch, dass der Umgang ein anderer wird, härter, anonymer, das hat sicher auch mit der digitalen Welt zu tun, die sich in gewisser Weise über die reale gelegt hat.
Die digitalen Plattformen sind Präsentationsflächen des Selbst, aber eben auch soziale Netzwerke.
Bär: Stimmt, ich bin erstaunt, was da stattfindet, was durchaus verbindend wirken kann. Ich halte mich weitgehend raus, der Tag hat nur 24 Stunden, ich lese lieber Zeitungen, Romane und Drehbücher. Aber dass ich heute auf jeder Webseite mit einem Klick alles bestellen kann, dass es diese Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen rund um die Uhr gibt, auch der Rückgriff auf Wissen, das macht vielleicht was mit den Menschen. (Pause). Ich klinge jetzt vermutlich wirklich sehr alt, oder?
Die Serie
Auch in diesem Sommer sprechen Prominente im „anderen Gespräch“ über ein Thema ihrer Wahl. Den Auftakt machte Daniel Dickopf, Gründer der Wise-Guys.
Mit dabei sein werden die Chefredakteurin des WDR, Ellen Ehni, die über ihre Liebe zu Frankreich sprechen wird.
Sternekoch Maximilian Lorenz hat sich Zeit genommen. Auch Polizeipräsident Falk Schnabel und Kulturdezernent Stefan Charles sind dabei. Alle Folgen im Netz: www.rundschau-online.de/dasanderegespraech
Nein, gar nicht.
Bär: Natürlich verändert sich der Blick mit den Jahren, aber um die Gemeinschaft sollte sich jeder Gedanken machen. Nehmen Sie mal die Debatte über ein soziales Pflichtjahr. Da geht es plötzlich um Freiheitsberaubung. Verdammt noch mal, sage ich da: Was ist so verkehrt daran, dass jeder etwas für die Gesellschaft leistet? Ein Dienst an der Gemeinschaft, auch wenn das wieder konservativ klingen mag. Im Konfirmandenunterricht habe ich mal ein Altenheim besucht, das war in den 70er Jahren, und wir haben da für einen Tag geholfen. Das kannte ich alles nicht, es hat mich schwer beeindruckt. Das ist doch nicht freiheitsberaubend, das erdet einen Menschen auch.
Sie spielen seit über 30 Jahren Polizisten. Sind das heute noch Respektpersonen?
Bär: Ich hoffe doch. Ich finde es toll, wenn junge Menschen sagen: Ich möchte für Ordnung sorgen und ich bin froh, über jeden Rabauken, der dingfest gemacht wird. Das Berufsbild hat sich sehr verändert, die Ansprüche sind groß geworden, und man muss für den Job schon gute Nerven und eine psychologische Stärke haben. Wenn Polizisten gerufen werden, ist immer irgendwas passiert. Meist etwas nicht so Schönes. Ich habe vor jedem großen Respekt, der sich da kümmert. Und es ist doch schön, dass nicht alle Influencer werden wollen. Entschuldigen Sie, jetzt polemisiere ich.
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Sie haben mit Schauspielern wie Götz George oder auch dem alten Willy Millowitsch gedreht. Ich nehme mal an, vor denen hatten Sie als recht junger Kerl großen Respekt?
Bär: Das waren lebende Legenden. Mit Willy Millowitsch bin ich vorm Fernseher groß geworden, nicht wissend, dass wir mal Kollegen sein werden. Die Krimiserie ,Kommissar Klefisch’ hatte er von der ARD zum 80. Geburtstag geschenkt bekommen, den ersten Dreh hatten wir nachts, bis in die frühen Morgenstunden haben wir Büroszenen gedreht. Willy war damals schon 81 Jahre alt, natürlich habe ich da meinen Hut gezogen. Und der Tatort mit Schimanski war meine zweite Rolle überhaupt, ich kam gerade von der Schauspielschule, Götz George war ein Star. Da ist man klein mit Hut.
Begegnen Ihnen junge Schauspielerinnen oder Schauspieler heute anders?
Bär: Nein, der Tatort ist eine Institution, und daraus ergibt sich ein gewisser Respekt. Das merkt man schon an Begegnungen, weil ich nun doch schon ein paar Jahre dabei bin. Und ich spüre dann, dass diese Rollen Nachwuchskräften sehr viel bedeuten. Übrigens erzählen die Geschichten selbst oft von Achtung und Respekt. Die Sozialkritik ist typisch für den Kölner Tatort. Ich wache aber nicht morgens auf und denke: Ich bin prominent, tolle Sache. Habt alle Respekt vor mir.