Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Die Leute sind fertig“Anlaufstation für geflüchtete Menschen in Köln eingerichtet

Lesezeit 4 Minuten
20220307_tb_Ankunft_Ukrainer_Koeln_004

Die Ankunft in Köln: Stadt, ASB, Feuerwehr und viele private Initiativen haben am Breslauer Platz eine erste Anlaufstation eingerichtet. 

Köln – Am Montag hat die Stadt auf dem Breslauer Platz eine erste Anlaufstelle eingerichtet für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Dort werden sie versorgt, registriert und – soweit sie keine Freunde oder Familie in Köln haben – auf städtische Unterkünfte verteilt.

Die Menschen aus der Ukraine

Julia Masrevtva ist vor vier Tagen in Köln angekommen. Mit ihrer Familie ist sie aus Kaniw zunächst mit dem Auto und dann mit dem Bus über Moldawien, Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland geflohen. Die 35-Jährige verständigt sich auf Deutsch, spricht zwischendurch auch auf Englisch. Sie wirkt rastlos, aber auch erleichtert. Gerade holt sie die Familie ihrer besten Freundin vom Bahnhof ab.In Köln kennt sie Renée, seine Frau ist Ukrainerin. Über diesen Kontakt konnten bereits vier Familien aufgenommen werden.

20220307_tb_Ankunft_Ukrainer_Koeln_002

Auf eigene Initiative aus Duisburg angereist: Dragica Hut-Jurisic und Thomas Mendyk  von der Obdachlosenhilfe.

Besorgt ist Masrevtva vor allem um ihre Eltern. „Sie wollen bleiben. Meine Mutter ist 75, mein Patenonkel 85. Sie sind zu alt, um so eine Reise zu machen.“ Dass die Menschen in der Ukraine das Land verteidigen wollen, sei „normal“ sagt sie. „Die Menschen, die fliehen, haben alles verloren.“ Sie spricht von Raketenangriffen auf den nahe gelegenen Flughafen.

Kontakt und Hilfe

500 Geflüchtete Menschen aus der Ukraine sind zurzeit in städtischen Einrichtungen untergebracht. Es stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch weitere 600 Plätze zur Verfügung. Weitere Plätze werden zurzeit vorbereitet. Laut Stadt lässt sich keine Gesamtzahl von Menschen aus der Ukraine in Köln feststellen, da sie auch in Landeseinrichtungen vermittelt werden oder private oder familiäre Kontakte in Köln und Umgebung haben.

Wer selbst helfen oder auch Wohnraum vermitteln kann, kann sich an das Blau-Gelbe Kreuz wenden. Sachspenden werden momentan allerdings keine mehr angenommen. Das Blau-Gelbe Kreuz sucht auch weitere Helfer, die beim Transport geflüchteter Menschen aus der Ukraine helfen können. (two)

www.bgk-verein.de

Sie hat auch Familie in Russland. Fast ungläubig berichtet sie davon, wie schwer dort an eine halbwegs unabhängige Berichterstattung zu gelangen ist: „Sie können die Situation nicht begreifen. Sie glauben uns nicht.“

Die Helfenden aus Deutschland

Auf dem Breslauer Platz sind Zelte aufgestellt worden. Es werden Essen, Trinken und erste Hilfe angeboten. Auch die Corona-Tests sind mittlerweile angelaufen. Dragica Hut-Jurisic und Thomas Mendyk engagieren sich bei der Obdachlosenversorgung in Duisburg. Als aus Köln die Anfrage kam, ob man die Helfer bei der Erstaufnahme am Hauptbahnhof unterstützen könne, zögerten sie nicht. Noch in der Nacht waren sie am Breslauer Platz und kümmern sich nun gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, der Feuerwehr und Mitarbeitenden der Stadt um eine warme Mahlzeit, eine erste Ruhepause und auch Registrierung der Ankommenden. Sie arbeiten unter anderem eng mit dem Kältebus der Stadt zusammen, so dass zusätzlich Coronatests und Erste Hilfe gestellt werden können. „Die Leute sind fertig“, sagt Hut-Jurisic. „Ihnen stehen lauter Fragezeichen im Gesicht.“ Viele kommen ohne persönliche Kontakt und wissen nicht, wo sie unterkommen werden. Der erste große Ansturm begann bereits am Samstag, auch in der Nacht zum Montag kamen viele an. Tagsüber flaute die Welle etwas ab, doch macht sich kaum jemand Illusionen, dass noch eine gewaltige Kraftanstrengung auf den Bund, die Länder, vor allem aber auch auf die Kommunen wartet.

Zusammenspiel von Land und Kommune

Das brachte auch Joachim Stamp, NRW-Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration zum Ausdruck: „Wir sind der Stadt Köln sehr dankbar für ihre Arbeit vor Ort“, sagte er. „Wir stehen in engem Austausch mit der Stadt und lassen die Kommunen nicht allein mit dieser Aufgabe.“ Stamp informierte sich bei einem kurzfristig anberaumten Besuch vor Ort.

20220307_tb_Ankunft_Ukrainer_Koeln_005

Erschwerte Bedingungen: Auch die Haustiere müssen mit – zurücklassen wäre keine Option gewesen.

Mittlerweile starten nicht nur private Busse von den Landesgrenzen der Ukraine in sichere Gebiete. Der größte Teil geflüchteter Menschen kommt über Berlin nach Deutschland. Die Situation an den Bahnhöfen dort ist nicht vergleichbar mit hier. Von Berlin aus starten Busse mit flüchtenden Menschen in alle Teile der Republik – auch nach Köln. Wie viele letztendlich kommen werden, darauf wusste der Minister auch keine Antwort.

Die Vorbereitungen der Stadt

Die Verwaltung stellt Unterkünfte zur Verfügung, maximal 1500 Plätze zurzeit. Die Unterkünfte werden organisiert vom Amt für Wohnungswesen. Wer keine Freunde oder Verwandte in Köln hat, bekommt direkt an der zentralen Anlaufstelle am Breslauer Platz Hilfe.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ein wesentlicher Bestandteil der Bürokratie fällt diesmal weg: Menschen aus der Ukraine können sich ganz legal 90 Tage lang in Deutschland aufhalten. Wenn diese Zeit abgelaufen ist, können sich die Menschen an das Ausländeramt wenden. Dort werden zunächst einmal weitere 90 Tage bewilligt.

In den städtischen Unterkünften wird medizinisches Personal mit russischer und ukrainischer „Sprachkompetenz“ im Einsatz sein. Darunter Ärztinnen und Ärzte (auch für Kinder), Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger sowie Hebammen. Das Team der Flüchtlingsmedizin koordiniert die medizinische Erstversorgung sowie die Maßnahmen zum Schutz vor Corona.