Nach der Flut im Jahr 2021 musste die Schule Lindweiler Hof bis auf das Haupthaus abgerissen werden. Ideen der Bürger zum Überflutungsschutz bremst die Stadt aus.
Nach AbrissBickendorfer fordern Beteiligung an der Planung beim Schulneubau Lindweiler Hof

Viel Unterstützung für die Künstler: Knapp 100 Bickendorfer versammelten sich vor dem denkmalgeschützten Herrenhaus des Lindweiler Hofs in Bickendorf.
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Wolfgang Stöcker ist sauer: „Niemand wird einbezogen. Abriss erfolgt, Vermesser werden gesichtet – aber man erfährt von nichts. Bürgerferne geht genau so!“, schimpft der in Bickendorf lebende Künstler. Zusammen mit Gleichgesinnten denkt er seit den Überflutungen von 2021 darüber nach, wie das Gelände um das denkmalgeschützte Herrenhaus des Lindweiler Hofs neu gestaltet werden könnte. Schließlich soll die Umgebung bei Starkregen künftig sicher sein und das Veedels-Zentrum nicht überlastet werden. Stöcker und seine Mitstreiter suchten auch das Gespräch mit Politik und Verwaltung: „Es waren mal Leute von der Gebäudewirtschaft hier, die haben sich unsere Ideen freundlich angehört. Aber das war‘s dann auch.“

so stellen sich die Künstler für Bickendorf den Schulneubau auf dem alten Hof-Gelände an der Rochusstraße vor.
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Okay, könnte man nun sagen, eben ein Haufen weltfremder Künstler, die prinzipiell gegen die Vorhaben der Stadt aufmucken. Um diesem Eindruck entgegenzutreten, versammelten sich kürzlich knapp 100 Bickendorfer vor dem Herrenaus, um mit einem Gruppenfoto ihre Unterstützung für den Protest deutlich zu machen. Und um noch einmal über die aktuellen Pläne der Verwaltung zu diskutieren, die dort eine Schule für rund 1000 Schüler sowie eine Kita errichten möchte. Es heißt, die Unterzeichnung der Verträge mit einem Totalunternehmer stehe kurz bevor.
Bickendorfer wollen ein offenes Retentionsbecken mit Platz für 10 Millionen Liter Regenwasser
Doch in Bickendorf hat man große Bedenken, was die Pläne der Stadt angeht: „Die Stadtentwässerungsbetriebe haben zwar nach 2021 ein unterirdisches Auffangbecken für das Lindweiler Hof-Gelände geplant, aber das ist nicht groß genug“, meint Michael Schmitz. „Außerdem kann die Technik ausfallen, die Pumpe zum Beispiel.“ Ingo Grube, Architekt und Stadtplaner, hat deshalb Pläne für ein Schulgebäude mit großzügigen Grünflächen und einem offenen Retentionsbecken vorgelegt, das 10 Millionen Liter Regenwasser aufnehmen könnte - mehr als im Juli 2021 in den Bickendorfer Straßen stand. Das Wasser könnte dort allmählich versickern und das in Stufen angelegte Becken an normalen Tagen als „Grünes Theatrium“ von Schülern zum Abhängen oder für Sport genutzt werden. Außerhalb der Schulzeiten auch von der Öffentlichkeit.
„Das wäre auch wesentlich kostengünstiger“, so Grube. Eine Folge seines Entwurfs wäre allerdings, dass die Schule nur Platz für 600 Schüler böte. „Für 1000 Schüler ist auf den gut 10 000 Quadratmetern ohnehin nicht genug Platz“, meint Schmitz. Schulbau sei notwendig, aber auf dem Coty- oder dem Max-Becker Areal stünden ja Flächen zur Verfügung, weshalb sollten so viele Schüler im alten Bickendorfer Zentrum untergebracht werden? „Das führt auch zum Verkehrschaos.“ Die geplante Kita sei anderswo ebenfalls besser aufgehoben: In der Teichstraße befinde sich ein leerstehendes Kindergartengebäude.
Planung widerspricht dem Schwammstadt-Konzept
Zudem würde ein riesiges Schulgebäude auf dem Lindweiler Hof gleich neben der Rochuskirche das Ortsbild nachhaltig schädigen. Damit werde Kölns Erhaltungssatzung missachtet, wie auch ein unterirdisches Auffangbecken allen Kölner Bekenntnissen zum Schwammstadt-Konzept widerspreche. „Wenn man sich aktuelle Schulneubauten ansieht, dann fällt die hohe Flächenversiegelung auf. Was hier passieren soll, wissen wir nicht, weil wir die Pläne nicht einsehen können“, so Stöcker. „Das Verfahren ist sehr intransparent.“
Wegen ihrer Bedenken hat die Künstlergruppe noch einmal Politiker und Ämter angeschrieben - darunter Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Baudezernent Markus Greitemann und das Stadtplanungsamt – und ihre Befürchtungen geäußert. Als Antwort kamen einige dürre Sätze aus dem Stadtplanungsamt: Die Information, dass ein Verfahren zur Beteiligung von Bürgern bei diesem Schulbauprojekt „nicht vorgesehen“ sei.
Bickendorfer Künstler fordern Bürgerbeteiligung
Ingo Grube weiß, dass das Vorgehen der Verwaltung „baurechtlich in Ordnung“ ist, hält diese Haltung aber für „nicht zeitgemäß.“ Zuletzt habe es doch gelungene Beispiele für Bürgerbeteiligungen gegeben, im Falle des Coty-Geländes oder des Max-Becker-Areals etwa. Online und auf Veranstaltungen seien die Bürger ausführlich nach ihren Wünschen und Anregungen befragt worden, mit den Ergebnissen könnten nun die meisten Betroffenen gut leben. „Das Potenzial und das Wissen der Menschen vor Ort sollte man nutzen.“
Zentrale Lage der Schule in Köln-Bickendorf erfordert eine Bürgerbeteiligung nach Ansicht der Künstler
Der Unterschied: Diese Grundstücke wurden zuvor gewerblich genutzt, deshalb musste für Wohnungsbau jeweils der Bebauungsplan geändert werden, und das erfordert eine Bürgerbeteiligung. Zwar treffe dies nicht auf den Lindweiler Hof zu, dennoch: „Für unser Viertel ist die Lage von zentraler Bedeutung. Das Ergebnis dieses Großprojekts wird das Stadtbild und Leben in Bickendorf zukünftig stark prägen“, schreibt Grube nun noch einmal in einem Bürgerantrag, mit dem er sich an die Ehrenfelder Bezirksvertretung (BV) wendet.
Ob die Künstler mit ihrem Appell Erfolg haben, ist indes fraglich. Denn der Schulneubau in Bickendorf ist Teil des zweiten Schulbaumaßnahmenpakets, das unter Beteiligung der Bezirksvertretungen zustande kam, sodass diese nicht weiter beteiligt werden. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses, so eine Sprecherin der Stadt im vergangenen Jahr, werde man jedoch in diesem Fall eine Vorstellungsrunde vorsehen. Nun fragt man sich in Bickendorf, ob das vor oder nach der Vergabe der Arbeiten an den Totalunternehmer passieren soll.