„Für Kriminalität berüchtigt“CDU-Politiker provoziert mit Aussage über Görlinger-Zentrum

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Ein junger Mann mit dunklem Haar und Bart steht in einer Fußgängerzone.

Ramtin Rozehkhan ist neuer Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Bocklemünd/Mengenich/Vogelsang und möchte das Image des Veedels verbessern.

Eine Formulierung des neuen CDU-Ortsverbandsvorsitzenden sorgte in Bocklemünd/Mengenich für scharfe Kritik.

Normalerweise wäre es nur eine Kurzmeldung wert, dass der Ortsverband Bocklemünd/Mengenich/Vogelsang der CDU einen neuen Vorstand gewählt hat. Ramtin Rozehkhan ist der neue Vorsitzende. Seine Stellvertreter sind Rita Wolf-Elster und Gereon Rautenbach. Der Vorstand wird von den Beisitzern Carl Barthel, Martin Berg, Ralph Elster und Ursula Strobl komplettiert.

Brennpunkt-Image klebt seit den 60ern an Teilen der Siedlung

Aber die Pressemitteilung des Ortsverbands betont ausdrücklich, wo die Versammlung stattfand: „Im Brennpunkt-Viertel Görlinger-Zentrum“, heißt es wörtlich. Und noch genauer: „Im Bürgerschaftshaus Bocklemünd, ...welches im Herzen des für Kriminalität berüchtigten Görlinger-Zentrums liegt.“ Bezeichnungen, die Teilen der Siedlung seit ihrer Fertigstellung Ende der 1960er Jahre anhaften wie Kletten.

Stigmatisierung nennt man das. Wer von hier kommt, muss sich deswegen außerhalb des Stadtteils nicht selten rechtfertigen, wenn nicht gar Benachteiligungen ertragen. Kann man das also so stehen lassen? Mehrere Akteure aus dem Stadtteil haben wir um Stellungnahmen gebeten. Zunächst ohne dass dabei der Urheber des Zitats genannt wurde.

Görlinger-Zentrum in Köln-Bocklemünd: Kritik an stigmatisierenden Bezeichnungen

„Nein“, sagt Sozialarbeiter Christian Baack, seit Jahren in der Stadtteilarbeit tätig. Also jemand, der es wissen müsste. In der sozialen Arbeit sei „Brennpunkt“ im Allgemeinen nicht mehr gebräuchlich. „Sozial belastetes Quartier“ oder „marginalisierter Stadtteil“ müsse es heißen, stellt er sachlich fest. Emotionaler wird er zur Formulierung „für Kriminalität berüchtigt“.

Baack: „Das ist aus meiner Sicht trumpistische dumme Meinungsmache von Laien. Die Kriminalstatistik gibt diese Aussage nicht her.“ Oliver Seeck, SPD-Stadtverordneter, dessen Wahlkreis Mengenich und das Görlinger-Zentrum umfasst, ist ähnlicher Meinung: „Ich halte die Formulierung für falsch, weil die ganz überwiegende Zahl der Menschen dort nicht kriminell ist.“

Gleichwohl werde dieses Image immer noch gern hochgehalten, erschwere aber die Situation auch für die, die dagegen arbeiten. Torsten Sommerfeld, Pfarrer an der evangelischen Auferstehungskirche, die wie das Bürgerschaftshaus mitten im Görlinger-Zentrum liegt, hält die Bezeichnung für „unglücklich, zugleich auch ärgerlich, weil damit Verwahrlosung verbunden wird“.

Verfasser der Formulierung wehrt sich gegen Vorwürfe

Er nehme das Viertel aber so nicht wahr. Es gebe viele Probleme, auch viel Armut. Aber es habe hier eben auch viele engagierte Menschen. Sommerfeld ist überzeugt, dass den hier Lebenden nicht geholfen sei, wenn ihr Umfeld als „Brennpunkt“ abgestempelt werde, der „für Kriminalität berüchtigt“ sei. Lediglich Egbert Thon, Vorsitzender der Bürgervereinigung Bocklemünd, findet die Bezeichnung „sozialer Brennpunkt“ für das Görlinger-Zentrum zutreffend. Statt „berüchtigt“ würde er aber „für Kriminalität bekannt“ sagen.

Ramtin Rozehkhan ist der Urheber der Zeilen. Aber wer ist der Mann, der das Viertel, in dem er selbst aufwuchs, als „Brennpunkt“ bezeichnet? Treffen auf einen Kaffee mitten im Görlinger-Zentrum. Das Eiscafé ist so alt wie die Siedlung selbst – mehr als 50 Jahre. „Ja, das ist ernst gemeint“, sagt er. Das könne man stehen lassen und von „Brennpunkt“ und Kriminalität sprechen. Doch habe er nicht den ganzen Stadtteil gemeint, sondern nur den Bereich des Görlinger-Zentrums.

Ich möchte aber, dass man in Zukunft Bocklemünd als lebenswerten Ort wahrnimmt“
Ramtin Rozekhan, CDU

Verharmlosungen helfen nicht weiter, so seine Überzeugung, denn: „Nirgends sind die Menschen so offen und ehrlich wie hier“, sagt der Politiker, der als Referent im Bundestag tätig ist. „Jugendfreunde haben mir geschrieben: ‚Superstolz, dass du es aus dem Ghetto geschafft hast‘“, sagt er, um zu verdeutlichen, wie die Menschen ihr eigenes Viertel sehen. „Ghetto“ würde er selbst zwar nie sagen, aber es zeige doch, wie wichtig es ist, das, was nicht gut läuft, klar zu bezeichnen.

Neur Ortsverbandsvorsitzender besuchte in Bocklemünd Kindergarten und Grundschule

Als neuer Ortsverbandsvorsitzender der CDU wolle er so gerade diese Menschen, die sich abgehängt fühlen, ansprechen, damit sie sich einbringen, und man notwendige Verbesserungen für das Viertel erreichen kann. „Nur wenn wir schon im ersten Schritt die Dinge klar und präzise benennen, haben wir eine Chance, im Stadtrat gehört zu werden“, sagt der 26-Jährige.

Und er wisse, wovon er spreche, Kindergarten und Grundschule hat er hier besucht. Das Gymnasium in Pesch zu besuchen, sei schon ein Privileg gewesen. Hier habe er auch zu spüren bekommen, wie es ist, zu sagen, man komme aus Bocklemünd, dem Görlinger-Zentrum. Er kenne auch viele Berichte von Gewalttaten, habe oft Razzien miterlebt.

Und eine Begebenheit ist ihm besonders in Erinnerung. Etwa 2019 müsse es gewesen sein, als er einen Streit zwischen Kindern beobachtete. Der schaukelte sich derart hoch, dass Erwachsene – offenbar Väter und andere Verwandte – hinzukamen. Am Ende bedrohten sich die Männer mit Springmesser, Axt und Pfefferspray. „Gewalt ist hier keine Seltenheit. Ich möchte aber, dass man in Zukunft Bocklemünd als lebenswerten Ort wahrnimmt.“

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