Am Freitag startete die Anatomie-Schau auf der Fläche eines ehemaligen Autohauses. Als die „Körperwelten“ 2000 das erste Mal zu Gast in Köln waren, begleitete viel Kritik die Ausstellung.
Menschliche PräparateHier startet die Kölner „Körperwelten“-Ausstellung - Zeit des Aufschreis ist vorbei

Blick in die Ferne: Ein Präparat mit Fernrohr in der Kölner Ausstellung der „Körperwelten“.
Copyright: Thomas Banneyer
Die Zeit des großen Aufschreis ist schon lange vorbei. Als die „Körperwelten“ 2000 zum ersten Mal nach Köln kamen, war das noch anders. Die Kirche sprach von einem „Skandal“, die Rundschau berichtete über eine „Schau zum Schaudern“. Diskussion um die Menschenwürde oder die Degradierung von toten Körpern zu Ausstellungsstücken wird es in diesem Jahr wohl kaum geben.
Doch die Ethikfrage oder moralische Unsicherheiten schwirren bei vielen Besuchern weiterhin im Hinterkopf. Die Veranstalter der Anatomieschau wissen das. Und haken das Thema gleich bei der Eröffnung der Ausstellung in der Oskar-Jäger-Straße ab. „Über bestimmte Parameter konnte nachgewiesen werden, dass die Ausstellung die Würde der Menschen achtet“, sagt der Ethiker und Philosoph Franz Joseph Wetz, der die „Körperwelten“ seit Jahren eng begleitet. Alle ausgestellten Körper seien freiwillig gespendet worden, alle Exponate seien anonymisiert, selbst Angehörige wüssten nicht, was aus dem Leichnam ihres Familienmitglieds wird. Auch das Besucherverhalten - von ruhig, über bewegt bis betroffen - attestiere der Veranstaltung ihre Würde.

Der Turner an den Ringen.
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„Körperwelten“ in Köln: „Der Zyklus des Lebens“
„Der Zyklus des Lebens“ heißt die Schau, die ab sofort auf dem Gelände eines ehemaligen Autohauses in Ehrenfeld zu sehen ist. Doch sie hat sich verändert seit der Premiere. „Am Anfang war es ganz überwiegend eine anatomische Ausstellung“, sagt die Kuratorin Dr. Angelina Whalley, Ehefrau des „Körperwelten“-Begründers Dr. Gunther von Hagens. „Jetzt ist es eher eine Ausstellung über das Leben.“ Der eigene Körper sei für viele Menschen etwas Selbstverständliches, an den erst gedacht werde, wenn mal etwas nicht mehr so gut funktioniert. „Alles, was wir tun, oder auch nicht tun, hat eine enorme Auswirkung auf die Entwicklung unseres Körpers: die Ernährung, körperliche Aktivität oder das soziale Umfeld. Das Einzige, was bleibt, ist die ewige Veränderung.“

Das Herz.
Copyright: Thomas Banneyer
Dieser Prozess, für den Whalley sensibilisieren möchte, beginnt bereits mit der Geburt. Die Ausstellung setzt noch früher an: bei einer einzigen Zelle, aus der nach durchschnittlich 266 Tagen ein neuer Mensch entsteht. Und sie endet mit dem Tod. Dazwischen erklären die „Körperwelten“, wie Knochen und Muskeln funktionieren, welche Aufgabe das Gehirn als übergeordnetes Kontrollzentrum hat und wie sich verschiedene Lebensweisen auf den Körper auswirken. Ein Beispiel: die erschreckend pechschwarze Raucherlunge. Es gebe immer wieder Menschen, die nach dem Besuch der Ausstellung mit dem Rauchen aufgehört haben, sagt Whalley. Das habe eine Untersuchung der Universität Kassel ergeben.

Tot und trotzdem lebendig wirken die Plastinationen der „Körperwelten“.
Copyright: Thomas Banneyer
„Körperwelten“: Körperspender berichtet über seine Entscheidung
Die größte Aufmerksamkeit ziehen die sogenannten menschlichen Ganzkörper-Plastinate auf sich. Da gibt es die Balletttänzerin, den Ringturner oder den Fußball-Torwart. Das komplexe Verfahren, um die natürlichen Körperstrukturen für den Ausstellungs-Besucher sichtbar zu machen, entwickelte der Mediziner Gunther von Hagens bereits in den 70er Jahren. „Ganz einfach ausgedrückt, ist es ein Vakuum-Verfahren, das uns erlaubt, das Körperwasser gegen Kunststoffe auszutauschen“, sagt Kuratorin Whalley. Kein Wasser bedeutet auch: keine Verwesung. 1500 Arbeitsstunden und ungefähr ein Jahr dauert es, bis aus einem Leichnam das fertige Präparat entsteht. Die Plastinate ermöglichen einen „Einblick in den menschlichen Körper, der für Laien normalerweise nicht möglich ist“, sagt Whalley. Dieser Einblick reicht vom großen Oberschenkelmuskel des Fußballspielers bis zum klitzekleinen Gehörknöchelchen im Ohr.
Doch wo haben die Plastinate ihren Ursprung? Wer gibt seinen Körper am Lebensende freiwillig in die Hände der „Körperwelten“? „Menschen wie Sie und ich“, sagt die Kuratorin. Einer der Körperspender, der anonym bleiben möchte, stellt sich die Frage: „Was wäre denn die Alternative? Entweder verwese ich unter der Erde oder werde verbrannt. Die Vorstellung, Teil dieser Ausstellung zu sein, finde ich da deutlich schöner.“ Die Entscheidung reifte bereits Anfang der 2000er Jahre nach dem ersten Besuch einer „Körperwelten“-Ausstellung. Auch wenn der Begriff nicht zu einhundert Prozent passe, so sei die reizvolle Idee der Unsterblichkeit für den Körperspender ebenfalls ein ausschlaggebender Punkt für seine Entscheidung. Die „Körperwelten“ seien schließlich kein Friedhof, findet auch Ethiker Wetz, sondern ein „Fest des Lebens“.
Bis wann die „Körperwelten“ in Köln gastieren, ist noch nicht bekannt. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr, Tickets ab 19 Euro. Weitere Informationen online.
Die Ausstellungsfläche
180 000 Menschen besuchten die Ausstellung „The Mystery of Banksy - A Genius Mind“, auf den die „Körperwelten“ im ehemaligen Autohaus auf der Oskar-Jäger-Straße in Ehrenfeld nun folgt. Im Bereich des Gebäudes soll bis 2030 der neue „Green Campus“ mit gemischter Nutzung entstehen. Bis die Arbeiten dafür beginnen, ist eine kulturelle Zwischennutzung geplant. „Es freut uns ganz besonders, dass bereits die zweite Ausstellung in diesen Räumlichkeiten eröffnet wird“, sagt Stadtmarketing-Geschäftsführerin Annett Polster. Ausstellungen der freien Szene seien eine enorme Ergänzung des städtischen Museums-Angebots.