Ehrenfelder BahnbögenDas „Bogenfest“ soll neue Perspektiven aufzeigen

Kein schöner Anblick: Rumpelkammer, Abstellplatz und jede Menge Müll – die Bahnbögen machen schon seit Jahren nicht mehr viel her.
Copyright: Hermans
Ehrenfeld – Ein schöner Anblick ist es nicht, wenn Dennis Krüger und Andrej Weissenberger aus dem Fenster ihrer WG-Wohnung auf die Einmündung der Hüttenstraße in die Subbelrather Straße schauen: Auf leer stehende Bahnbögen sehen sie dann, vollgemüllt, mit Zäunen notdürftig versperrt wie eine Baustelle. Insgesamt ein denkbar verwahrloster Eindruck, der sich auch den übrigen Anwohnern Tag für Tag bietet. Denn anders als eine herkömmliche Baustelle verschwindet diese nicht, sie ist offensichtlich gekommen, um zu bleiben.
Aber das wollen die beiden jungen Männer nicht akzeptieren. „Wir haben uns Ende letzten Jahres entschlossen, ein Straßenfest in der Hüttenstraße zu veranstalten, damit hier endlich etwas in Bewegung kommt“, erzählt Medizinstudent Weissenberger. Das Fest ist nun für den 22. Juni angesetzt, und es soll eine neue Perspektive auf die Problematik der Bahnbögen in der Bartholomäus-Schink-Straße und in der Hüttenstraße ermöglichen, die nach der Trassenverbreiterung Anfang der Nullerjahre nicht hergerichtet wurden: Diesmal soll die Sicht der Anwohner im Mittelpunkt stehen.
Die Sicht der Anwohner im Mittelpunkt
Vielleicht helfe das ja, so die Hoffnung der Initiatoren. Denn nach ersten Erkundigungen in der unmittelbaren Nachbarschaft waren sie auf ein „Fass ohne Boden“ gestoßen, sagt der angehende Architektur-Student Krüger. Ihre Recherchen ergaben, dass hinsichtlich der Bahnbögen-Thematik derzeit Stillstand herrscht. „Zahllose Zeitungsartikel haben sich in den letzten 15 Jahren damit beschäftigt, da ist von Vertröstungen, nicht eingehaltenen Versprechen und gegenseitigen Schuldzuweisungen die Rede, man hat zu Bahnhofskonferenzen eingeladen, ist aber in den vergangenen 15 Jahren praktisch keinen Schritt weiter gekommen“, fasst er die Eindrücke zusammen.

Kein schöner Anblick: Rumpelkammer, Abstellplatz und jede Menge Müll – die Bahnbögen machen schon seit Jahren nicht mehr viel her.
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Krüger und Weissenberger suchten auch das Gespräch mit den Beteiligten, mit Bezirksbürgermeister Josef Wirges, mit Lutz Figge von der bahnbögen GmbH, die die Bögen vermarkten möchte, und auch mit Vertretern der Bahntocher DB Netz, der Eigentümerin der Bögen. Von allen Seiten sei man sehr zuvorkommend behandelt und zu persönlichen Gesprächen eingeladen worden, erzählt Weissenberger: „Es ist ein komplexes Problem, und es geht uns auch nicht darum, jemandem die Schuld zuzuweisen oder mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.“ Die Nutzung der Bögen beim Bogenfest wurde mit der Bahnbögen GmbH abgesprochen.

Kein schöner Anblick: Rumpelkammer, Abstellplatz und jede Menge Müll – die Bahnbögen machen schon seit Jahren nicht mehr viel her.
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Viele Gespräche seien vertraulich gewesen, Krüger und Weissenberger bestätigen lediglich, dass man ihnen bei der DB Netz das neue Einspritzverfahren zur Trockenlegung der Bögen vorgestellt habe (die Rundschau berichtete), und dass bis Ende 2019 noch Voruntersuchungen laufen. „Was den Beginn der eigentlichen Arbeiten angeht, wollte sich aber niemand auf ein Datum festlegen.“
Der Ablauf
Das Bogenfest findet am Samstag, 22. Juni, in der Zeit von 12 bis 22 Uhr auf der Hüttenstraße zwischen Ehrenfeldgürtel und Subbelrather Straße statt. Die Straße ist in dieser Zeit für den Verkehr gesperrt. Wer sich mit einem eigenen Stand beteiligen möchte, kann sich auf der Website www.bogenfest.de bewerben. Der Reinerlös des Fests, etwa aus der Tombola, soll in die Gründung eines Vereins fließen, der sich auch künftig um die Sanierung und Nutzung der Bahnbögen in der Hüttenstraße kümmert.
Noch nicht sicher ist, ob sich auch der gemeinnützige Kunstverein artrmx am Bogenfest beteiligen wird. Im Rahmen des diesjährigen Cityleaks-Festivals für Street Art hat er vor einigen Wochen einen Container in einem der Bögen aufgestellt, in dem das Projekt „Transurban Residency - Building Common Spaces“ angelaufen ist. Es geht um neue Visionen für das Zusammenleben in städtischen Räumen, das Potenzial für neue Entwicklungen speziell in der Hüttenstraße wurde in den vergangenen Wochen vor Ort mit Anwohnern und Passanten ausgelotet, auch die sozialen Gegebenheiten wurden erforscht.
Die zeitliche Überschneidung mit dem Bogenfest ist allerdings eher ein Zufall, wird von den Beteiligten aber begrüßt.
Die Veranstalter des Bogenfests werden daher sicher zugegen sein, wenn das artrmx-Projekt am kommenden Samstag, 8. Juni, ab 15 Uhr im Bogen an der Hüttenstraße 3 schon einmal Entwürfe und Zwischenergebnisse auf einer „Midissage“ präsentiert.
„Transurban Residency - Building Common Spaces“ wird bis Ende August weiterlaufen, dann können Interessenten jeweils mittwochs bis samstags von 13 bis 19 Uhr im Container mit den Mitarbeitern ins Gespräch kommen, daneben werden einige Workshops stattfinden.
Vor allem aber: Die angekündigte Sanierung betreffe nur die Bögen in der Bartholomäus-Schink-Straße, dort sei die Situation „gravierender“, habe es geheißen. Währen in die dortigen größeren Bögen einmal Clubs, Restaurants oder Boutiquen einziehen sollen, gebe es für die kleineren Bögen in der Hüttenstraße bislang kein Konzept. „Daraufhin heben wir per Flyer alle Anwohner zu einer Versammlung in den Saal von St. Anna eingeladen, um gemeinsam etwas gegen den Stillstand zu unternehmen“, so Krüger. 70 Leute waren gekommen, allesamt sehr einsatzfreudig, und schnell hätten sich Teams zur Vorbereitung des Straßenfests gefunden. Für die Öffentlichkeitsarbeit etwa, für die Organisation der Stände oder für die Werbung von Sponsoren. „Wir haben die Geschäftsleute in der Umgebung angesprochen und sind von praktisch allen unterstützt worden: Das Cinenova und das Herbrand’s sind mit im Boot, das Neptunbad stiftet auch Gutscheine für die Tombola, im Club Bahnhof Ehrenfeld wird die After-Party stattfinden“, erzählt Weissenberger.
Auf dem Fest selbst soll in den Bögen die Geschichte des Bahndamms anhand von historischen Fotos nacherzählt werden, und natürlich sollen die Anwohner und Besucher ihre Ideen zur künftigen Nutzung vorstellen können. „Wichtig ist allen, dass die Hüttenstraße verkehrsberuhigt wird, denn hier rasen viele Autofahrer, es ist sehr gefährlich“, sagt Weissenberger. „Dann könnte man auch die Gehwege verbreitern, das würde neue Nutzungsmöglichkeiten für die Bögen eröffnen.“ Er weiß, dass die Verwaltung einen entsprechenden Antrag der Bezirksvertretung bereits als nicht durchführbar abgelehnt hatte, weil die Hüttenstraße als Verbindung zwischen Gürtel und Subbelrather Straße bedeutsam sei. „Dann muss der Bus 142 eben eine andere Strecke fahren“, meint Dennis Krüger.
Das könnte alles im Rahmen einer Podiumsdiskussion besprochen werden, die auf dem Dreieck zwischen der Einmündung von Hüttenstraße und dem Zipfel der Ottostraße in die Subbelrather Straße stattfinden soll. „Wir haben alle Beteiligten eingeladen, aber noch keine Antworten erhalten“, so Weissenberger.
Ein buntes Fest soll es auch werden, eine Vorbereitung auf den Tag des guten Lebens am 15. September, mit Flohmärkten, Kinderspielen Essen und Trinken, Zauberern, Live-Musik und Comedians. 28 Stände seien bis jetzt vergeben, aber es könnten noch ein paar hinzukommen. 10 000 Flyer haben die beiden gedruckt, damit das Straßenfest ein Erfolg wird: „Das hat uns zuletzt Tag und Nacht in Atem gehalten, und wir habe unsere Ersparnisse dafür vorgestreckt“, seufzt Andrej Weissenberger.
Einen positiven Nebeneffekt habe die Organisation des Straßenfests aber jetzt schon, sagt Dennis Krüger: „Endlich haben sich die Anwohner kennen gelernt, man grüßt sich auf der Straße und unterhält sich miteinander.“