Das Format „Chill Out Church“ soll vor allem junge Menschen ansprechen. Auch eine Rollschuhdisco findet 2026 statt.
Ein Kölsch am AltarEhrenfelder Friedenskirche verwandelt sich in eine Bar mit Live-Musik

Das Event „Chillout Church“ will eine gemütliche Bar-Atmosphäre schaffen.
Copyright: Fabian Hartmann
Der Altar schimmert im lila Licht, die Töne eines Saxophons breiten sich unter den hohen Decken aus. In der Ehrenfelder Friedenskirche sitzen Gäste nicht mit gefalteten Händen auf Holzbänken, sondern mit einem Kölsch in der Hand auf Polsterstühlen. Die evangelische Gemeinde hat zu der Abendveranstaltung „Chillout Church“ geladen.
Das fast 150 Jahre alte Gotteshaus verwandelte sich im Oktober bereits zum vierten Mal in eine Art Bar. Auch ein Live-Konzert war Teil des Events: Ein Duo, das seine Saxophon- und Orgelmusik und melodische Elektrobeats vereint, trat auf der Empore der Kirche auf. Eine moderne Kombination, die sinnbildlich für den Charakter der Veranstaltung steht, wie Mitorganisator und Gemeindepädagoge Fabian Hartmann (38) erklärt.
Zufrieden blickt er auf die Handyfotos von der vergangenen Veranstaltung. „Wir hatten circa 60 gemütliche Plätze und die waren alle fast durchgängig belegt“, freut er sich. „Mit Veranstaltungen wie der Chillout Church wollen wir die Hemmschwelle senken, in unsere Kirche zu kommen. Uns ist es wichtig, dass sich hier alle willkommen fühlen. Egal ob gläubig oder nicht, egal welche Religion, welche Sexualität, Identität oder Herkunft. Wir möchten mit den Menschen in Kontakt sein.“
Idee durch Nachtflohmarkt entstanden
Die Idee für das neue Event entstand durch den Nachtflohmarkt, den die Gemeinde schon länger veranstaltet und der auch parallel zur „Chillout Church“ im Gemeindehaus nebenan stattfindet. Dieser ziehe hauptsächlich junge Menschen ab 20 an. „Das ist genau die Zielgruppe, die wir am schwierigsten abholen können.“

Bei der Chillout Church traten auch die Musiker Gustav Stoll und Yannis Armbruster aus Tübingen auf.
Copyright: Fabian Hartmann
Viele Gäste des hochfrequentierten Flohmarkts kommen danach auf ein Getränk in die Kirche, erzählt Hartmann. „Es liegen natürlich keine Mitgliedsanträge aus.“ Das Angebot sei aber eine gute Chance, zum Beispiel durch Plakate über Angebote der Gemeinde zu informieren. Zudem sei immer eine Pfarrperson da, falls Gäste ins Gespräch kommen wollen oder Fragen haben. Die Gemeinde verdiene nichts an dem kostenlosen Event, im besten Fall werden durch den Verkauf von Getränken die Kosten gedeckt.
„Durch das Event wollen wir der gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen, in der wir uns sehen. Es herrscht Wohnungsnot und die sozialen Angebote lassen nach. Wir haben dieses große Objekt im zentralen Ehrenfeld und finden besonders bei der aktuellen Lage wichtig, dass es mit attraktiven Angeboten für die Bevölkerung bespielt wird.“ In Anbetracht der steigenden Zustimmung für Rechts versuche die Gemeinden außerdem einen Raum schaffen, in dem christliche Werte gelebt werden.

Fabian Hartmann auf den Stufen des Altars in der Friedenskirche
Copyright: Lia Gasch
Und das nächste Event ist bereits in Planung. Auch dann müssen die Kirchenbänke weichen, denn eine Rollschuhdisco wird Teil des Programms der Gemeinde. Am 20. März 2026 findet eine Version für jüngere Menschen parallel zum Nachtflohmarkt statt. Am Tag danach folgt eine Version für die ganze Familie. „Wir hatten schon Leute von einem entsprechenden Sportverein da, der von dem Einfall hellauf begeistert ist und uns versichert hat, dass der Boden nicht beschädigt wird.“ Rollschuhe können Gäste sich vor Ort gegen eine keine Gebühr leihen.
Gemeinde ist offen für Neues
„Es ist in dieser Gemeinde glücklicherweise kein Problem, neue Ideen umzusetzen. Eine der wenigen Vorgaben, die ich bekommen habe, ist, dass ich selber Spaß an meinen Veranstaltungen habe.“ Das Team versuche jedoch immer auch, Kirchenelemente einfließen zu lassen. „Deshalb stellen wir einen Segensautomaten auf. Dafür haben wir Segenssprüche in Plastikkugeln verpackt und sie in einen Kaugummiautomaten gesteckt.“
Auch für eine richtige Party wie in einem Club wäre man grundsätzlich offen. Der respektvolle Umgang mit der Kirche müsse jedoch Grundlage für die Events bleiben. Damit habe es aber noch nie Probleme gegeben. Dinge wie der Altar oder das Kreuz werden deshalb nicht abgehängt oder weggeräumt. Vielmehr wird das Event darum herumgeplant. „Bei der ersten ‚Chillout Church‘ haben wir auf der Empore vor der Orgel eine Zocker-Lounge mit Konsolen und Bildschirmen aufgebaut.“
Aus der Gemeinde habe er vor allem positives Feedback erhalten. Wenn es Kritik gab, dann nicht daran, dass in der Kirche auch moderne Events stattfinden. Lediglich an dem Stil der Einrichtungsgegenstände, die dafür in die Kirche getragen werden, hätten sich manche gestört. „Wir haben gebrauchte Sofas besorgt, die auf Ebay verschenkt wurden. ‚Hier sieht es aus wie in einem Secondhand-Möbelhaus‘, hat deshalb jemand zu mir gesagt“, erinnert sich Hartmann lachend.
Arrangiert hat sich die Gemeinde damit trotzdem. Für den Abtransport der Möbel blieb bis zum Sonntag keine Zeit. Also kam der Pfarrer am Morgen nach dem Event einfach in seinen Alltagsklamotten und die Gäste des Gottesdienstes nahmen auf den Sofas Platz. „Ganz spontan ist so eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre bei der Predigt entstanden.“
Die nächste Ausgabe des Events steigt am 13. November 2026.
