Eine Sperrung ohne SperreKeine Informationen am Brüsseler Platz – Zwei Mal geräumt

(Symbolbild).
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- Viele Paare, kleine und mittelgroße Gruppen schlendern über die Flaniermeile, machen Fotos vorm Dompanorama oder sonnen sich auf den Betonstufen.
- Am Rheinboulevard stehen zumindest Absperrungen samt Informationstafeln und Flatterband, weil das seit Samstag offiziel verboten ist.
- Doch am Brüsseler Platz fehlen jegliche Informationen für die Bürger.
Köln – Ein lauer Südwestwind weht um die Nasen der Passanten, einige davon ohne Mundschutz. Trotz der von der Stadt Köln verordneten Sperrung ist der sonnenbeschienene Rheinboulevard am Samstagnachmittag gut besucht. Viele Paare, kleine und mittelgroße Gruppen schlendern über die Flaniermeile, machen Fotos vorm Dompanorama oder sonnen sich auf den Betonstufen – obwohl das seit Samstag offiziell verboten ist.
Am Rheinboulevard stehen zumindest Absperrungen samt Informationstafeln und Flatterband, doch am Brüsseler Platz fehlen sie. Die Leute wissen schlicht nichts von den Verboten (siehe Umfrage) und vor Ort erfahren sie es nicht.
Umfrage
Wie sehen Sie die Sperrung des Brüsseler Platzes?
„Ich habe nichts von den Sperrungen mitbekommen. Letzte Woche kam ich nach der Arbeit um halb sieben am Brüsseler Platz vorbei. Der Platz war sehr gut gefüllt und das Ordnungsamt nicht zu sehen.“
Edmund Moog, 60,
„Ich wusste nichts von den Sperrungen und wohne um die Ecke. Nach dem Lockdown gehen mir jetzt die Sperrungen auf die Nerven. Ich denke, es ist im Supermarkt gefährlicher als hier auf dem Platz.“
Raf Andra
„Ich habe nichts mitbekommen. Ein Freund kam sich zuletzt auf dem Brüsseler Platz vor wie auf einem Festival, deshalb ist es keine schlechte Idee, die Hotspots zu sperren. Aber es gibt keine Ausschilderungen.“
Larissa Müller, 22
„Ich mag keine Restriktion und unsere Kultur leidet. Ich lasse mich nicht gerne einschränken, mache auf dem Brüsseler Platz weiterhin Musik für die Menschen und gehe erst, wenn die Polizei kommt.“
Sas Hap, 51
„Von der Sperrung des Brüsseler Platzes habe ich nichts erfahren, aber es ist sehr wichtig, die Abstandsregeln hier einzuhalten.“
Christine H.
Das hat Folgen: Sowohl am Freitagabend als auch am Samstagabend musste die Stadt mit Hilfe der Polizei den Platz erneut räumen, wie schon am Mittwoch und dem darauffolgenden Vatertag – also vier Mal in Folge. Genau das hatten die lärmgeplagten Anwohner in der Vergangenheit immer gefordert wegen ihrer gestörten Nachtruhe (siehe Info-Kasten).
Laut Stadt sind es am Samstag gegen 22.45 Uhr rund 200 Menschen, wie viele es am Freitag um 21 Uhr waren, konnte eine Sprecherin am Sonntag nicht sagen. Warum der Rheinboulevard sichtbar gesperrt ist und der Brüsseler Platz nicht? Ist das vergessen worden? Das bleibt offen. Am Brüsseler Platz waren im Mai 200 Bußgelder wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung verhängt worden, auch der Rheinboulevard musste schon geräumt werden (wir berichteten).
Streit um Platz
2015 haben Anwohner des Brüsseler Platzes die Stadt Köln wegen der zu hohen Lärmbelästigung verklagt. 2018 verpflichtet das Verwaltungsgericht die Stadt, die Gesundheit zwischen 22 und 6 Uhr zu schützen. Der Richter nannte unter anderem ein Verweilverbot für den Platz.
Dagegen legte die Stadt Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (OVG), sie wollte Rechtssicherheit wegen des möglichen Eingriffs in die Grundrechte. Stadtdirektor Stephan Keller sagte: „Es wäre naiv zu glauben, dass so viele Menschen einfach den Platz verlassen, weil das jemand vom Ordnungsamt fordert.“ Jetzt ging es – aber: Rechtlich gilt anders als sonst aktuell die Corona-Schutzverordnung.
2019 einigten sich die Stadt und Anwohner vorläufig auf sechs Maßnahmen, unter anderem stärkere Kontrollen. Ein Urteil trifft das OVG in der zweiten Jahreshälfte. Der langjährige Anwohner Dieter Reichenbach sagte zu den Räumungen: „Was vorher auf gar keinen Fall möglich war, geht nun reibungslos. Das ist klasse.“ (mhe)
Wie berichtet, sind der Rheinboulevard und der Brüsseler Platz seit Samstag und bis 5. Juni zeitweise gesperrt, weil die Menschen sich dort nicht an die Corona-Maßnahmen gehalten hatten. Und: Einige Feiernde hatten etwa auf dem Brüsseler Platz gegen Fahrzeuge uriniert. Deshalb schwenkte die Stadtverwaltung um und sperrte. Am Brüsseler Platz gilt das Verweilverbot montags bis freitags von 18 bis 1 Uhr und samstags bis sonntags sowie an Tagen vor gesetzlichen Feiertagen von 15 bis 1 Uhr. Rheinboulevard, Panoramaweg und Kennedy-Ufer dürfen täglich von 15 bis 6 Uhr nicht besucht werden. Ausgenommen sind die Außengastronomieflächen. Die Innenstadt-Grünen kritisieren das als willkürlichen Eingriff in die Grundrechte.
Auf dem Brüsseler Platz haben sich am frühen Samstagabend 100 Menschen versammelt, um – mit ausreichend Abstand – das eine oder andere Kölsch zu trinken. Gegen 19 Uhr erscheint ein Ordnungsamt-Wagen, zwei Beamte drehen eine Runde, bevor sie fahren. Äußern wollen sie sich nicht, verweisen an die Pressestelle. Eine Kellnerin eines Gastrobetriebs schildert, dass es seit der Räumung an Christi Himmelfahrt ruhiger geworden ist. „Vor der Räumung ist es uns manchmal schwer gefallen, pünktlich zu schließen, heute ist es recht ruhig.“
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Wenige Stunden zuvor am Rheinboulevard: Um 17 Uhr ist die Freitreppe offiziell zwar seit zwei Stunden gesperrt, aber die Passanten umgehen die Absperrungen. Sie wippen im Wind oder sind umgefallen. Passantin Birgit Richter steht mit ihrer Freundin auf der Freitreppe. Sie sagt: „Wir haben die Schilder gesehen, aber waren uns nicht sicher, ob die Regelung gilt, weil der Platz ja schon gut besucht ist und die Absperrungen auf dem Boden liegen.“ Am Abend rückt der Ordnungsdienst an – laut Stadtsprecherin ziehen die Menschen nach einer Ansprache ab.