Gibt es den Sommerschlussverkauf noch? Und ist er noch relevant? In der Kölner Innenstadt gibt es dazu geteilte Meinungen.
Einzelhandel in KölnDie Schnäppchenjagd steuert auf den Höhepunkt zu

Schlussverkauf in der Kölner City
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Lange Schlangen vor Einkaufsläden, tumultartige Szenen beim Öffnen der Türen und dann stürzen sich unzählige Menschen auf sogenannte Wühltische. Am Ende tragen sie voll gepackte Plastiktüten hinaus. So lief früher der Sommerschlussverkauf ab.
Doch davon zeugen heute nur noch alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Inzwischen ist die Situation im Einzelhandel eine andere. Während die Schlussverkäufe ab 1950 einheitlich reglementiert und nur Ende Januar und Ende Juli erlaubt waren, dürfen sie seit 2004 nach Belieben durchgeführt werden (siehe Infotext am Textende). Über das Jahr hinweg prangen deshalb Sale-Schilder in den Schaufenstern, nicht nur entlang der großen Einkaufsstraßen in der Kölner Innenstadt. Dennoch bringen viele Verbraucher den Juli weiter mit der Schnäppchenjagd und dem sogenannten SSV in Verbindung. So sind aktuell bereits viele Geschäfte dabei: Schuhläden, Kleiderboutiquen, auch ein Schminkladen locken mit Rabatten von bis zu 70 Prozent.
Heutzutage vielfältige Aktionen und Rabatte
„Mit den Schlussverkäufen finalisiert sich die Höhe der Rabattierungen für den Ausverkauf der aktuellen Kollektionen“, erklärt Annett Polster vom Stadtmarketing Köln. „Gleichzeitig ist damit eine Bereinigung der Lagerkapazitäten verbunden, um Platz für neue Kollektionen zu schaffen.“ Schnäppchenjäger hätten zum Saisonende auch nicht mehr die Erwartung, dass beispielsweise noch alle Größen verfügbar seien. Dennoch verschiebt sich das Einkaufsverhalten. Polster erklärt: „Besonders die jüngeren Zielgruppen suchen regelmäßig nach Angeboten und Schnäppchen. Für sie hat deshalb der Schlussverkauf nicht mehr die oberste Priorität.“ Teils gebe es bereits schon Mitte der Saison Abverkauf-Aktionen.
Vor allem sogenannte Fast-Fashion-Modeketten, die schnell und günstig neue Kleidung produzieren und verkaufen, fallen auf. Sie werben mit großen Bannern und haben mitunter den höchsten Preisnachlass. Bei Eintritt des Ladens sind überall knallrote Schilder, die gezielt zum Kauf der Sale-Produkte animieren. In einigen Geschäften sind die Produkte mit mehreren Etiketten beklebt. Hintergrund ist ein wiederholter Preisnachlass der Ware. Auf dem Etikett eines Badeanzugs steht eine Rabattierung von 9,99 Euro auf 3,99 Euro. Darüber klebt ein weiterer Sticker: Die Ware kostet nun doch nur 2,99 Euro.

Passanten gehen an Angebotsschildern vorbei
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Im Erdgeschoss eines Kölner Modegeschäfts zieht eine Ecke die Blicke besonders auf sich: Grell leuchtende Kleider hängen unsortiert an den Stangen, der Anblick wirkt wie ein unfertiges Puzzle. Darüber prangt ein rotes Schild: Sale! Eine Gruppe jugendlicher Mädchen sucht nach weißen Hosen, aber die gewollte Größe sei nicht mehr verfügbar. „Größe 36 gibt es nur noch in Braun“, sagt die Jugendliche zu ihrer Freundin. Die Ware in gängigen Farben sei schon fast ausverkauft. Dabei wäre das ein Schnäppchen gewesen: Der Preis der Hose sei von 35,99 Euro auf 16,99 Euro reduziert worden – das sind mehr als 50 Prozent Rabatt. Leyla, die nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, ist auch in der Sale-Ecke eines Modegeschäfts unterwegs. „Ich schaue mich nur ein bisschen um, um mich von der Klausurphase abzulenken“, sagt die 23-jährige Studentin. „Wenn man außerhalb von Köln lebt, bekommt man das nicht so mit, glaube ich.“ Aber trotzdem sei der Sale eine nette Überraschung.
Geschäfte mit einer älteren Zielgruppe gehen vergleichsweise souveräner vor. Zwar werben sie auch mit hohen Rabatten, „schreien“ ihre Kundinnen und Kunden aber nicht mit Signalfarben und großen Bannern an. Karen Grasmück bummelt nach Feierabend durch die Breite Straße. „Ich habe einen Teilzeitjob und dachte, dass ich mich ja noch ein bisschen in den Läden umschauen kann, bevor später mehr los ist“, so die 41-Jährige. „Ich habe den Sale gar nicht mitbekommen, aber ich habe mich schon gewundert, weil er so früh wirkt.“ Sie hat ein paar rabattierte Sommerklamotten gekauft. „Das Wetter macht gerade zwar nicht so mit, aber der Sommer dauert ja noch ein bisschen“, sagt sie und lacht.
Einzelhandel hofft auf Sonderkonjunktur
Jörg Hamel, Geschäftsführer des Handelsverbands Nordrhein-WestfalenAachen-Düren-Köln, weiß, dass der Sommerschlussverkauf heutzutage weniger relevant ist, weil die Händler deutlich häufiger Rabatte geben. Dennoch betont er: „Für den Einzelhandel ist die Sonderkonjunktur durch einen SSV ganz wichtig.“ Viele Händler hätten dieser Tage „große Befürchtungen“ und rechneten eher mit weiterem Rückgang beim Konsumverhalten. Die anfängliche Hoffnung, die viele in eine neue Regierung gesetzt hätten, sei abgeklungen. „Immerhin gab es ein paar warme Tage“, sagt Hamel, das helfe schon mal beim Verkauf von Sommer-Artikeln: „Wer jetzt noch den Urlaub vor sich hat, entdeckt sicher noch das ein oder andere Schnäppchen.“
Und die Rabatte scheinen zu ziehen. „Unter der Woche ist es echt überschaubar, aber am Wochenende wurden wir schon ziemlich überrannt“, sagt eine Verkäuferin in einem Schuhgeschäft auf der Hohe Straße. Kundinnen und Kunden lassen sich beraten, auf den Preisschildern stehen Rabatte von bis zu 50 Prozent. Für Markenschuhe ist das beachtlich. Timo Brenner ist ebenfalls auf Schnäppchenjagd. Der Kölner Student braucht Sportschuhe. „Ich nutzte das aus, bevor wieder alles teurer wird in den Läden. Dann muss ich nichts online bestellen, sondern kann die Schuhe vor Ort direkt anprobieren“, erzählt der 22-Jährige. Die Verkäuferin sagt: „Dieses Jahr haben wir gefühlt im Sale mehr verkauft als sonst.“

Teils mit starken Rabatten locken die Händler im Sommer.
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Der freiwillige Schlussverkauf: Die Regelung
Der Auftakt für den inoffiziellen Sommerschlussverkauf (SSV) fällt in diesem Jahr auf den kommenden Montag. Das teilt der Handelsverband (HDE) mit. „Mit aktuellen Sonderangeboten beteiligen sich in der Regel vor allem Handelsunternehmen aus der Textil- und Bekleidungsbranche am SSV, aber auch viele Baumärkte, Möbelhäuser, Sporthändler und Elektrogeschäfte gehen mit besonderen Angeboten auf ihre Kundschaft zu.“

Sommerschlussverkauf im Kölner Einzelhandel 1963
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Aufgrund der bislang schwankenden Nachfrage nach Ware aus der Frühjahrs- und Sommersaison rechnet der HDE damit, dass auch in diesem Jahr wieder viele Händlerinnen und Händler die Aktionswochen nutzen werden, um ihre Lager zu leeren und Platz für die Kollektionen der nächsten Saison zu schaffen. Insbesondere wegen der nach wie vor spürbaren Kaufzurückhaltung ist das Angebot an saisonalen Produkten im Einzelhandel branchenweit noch groß.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher lohnt es sich daher, während der Aktionswochen im Sommer nach Angeboten des Einzelhandels Ausschau zu halten. Der SSV dauert in der Regel zwei Wochen. Da viele Menschen die traditionellen Schlussverkäufe fest eingeplant haben, bietet der Einzelhandel SSV und Winterschlussverkauf (WSV) auch nach dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage im Jahr 2004 weiterhin an.