Seit Jahren setzt sich ein Kölner Professor für die flächendeckende Einführung von Wiederbelebungsunterricht in Schulen ein. Bisher mit eher mäßigem Erfolg.
Erste Hilfe in SchulenExperten fordern verpflichtende Wiederbelebungskurse für Kinder ab sieben Jahren

Die Forderung nach verpflichtendem Wiederbelebungsunterricht in Deutschland ist bisher gescheitert.
Copyright: picture alliance/dpa
Jeder, der seinen Führerschein macht, lernt die Grundlagen der Ersten Hilfe. Die Faustregel: Prüfen, Rufen, Drücken. „Das kommt viel zu spät“, kritisiert Professor Bernd Böttiger, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der Kölner Uniklinik. „Bereits im Alter von vier Jahren können Kinder die ersten Schritte der Wiederbelebung erlernen.“ Zu erkennen, ob jemand bewusstlos ist oder einen Notruf abzusetzen, können schon kleine Kinder, sagt Böttiger, der auch dem Deutschen Rat für Wiederbelebung vorsitzt. Ab zehn Jahren sei dann oft schon genug Kraft für die Herzdruckmassage vorhanden.
Seit zehn Jahren setzt der Kölner Professor sich für die flächendeckende Einführung von Wiederbelebungsunterricht in Schulen ein. Zusammen mit 18 Expertinnen und Experten weltweit wurde dessen Wirksamkeit erst kürzlich auch wissenschaftlich untersucht. „Jedes Kind ab der siebten Klasse sollte mindestens zwei Unterrichtsstunden pro Jahr lernen, wie eine Reanimation funktioniert“, so der Experte - das empfehlen auch die WHO und das Schulministerium.
Kampagne #ichrettedeinleben
„Das Problem ist aber, dass es keine bundeseinheitlichen gesetzlichen Vorgaben gibt“, so Böttiger. Von einer flächendeckenden Versorgung mit Erste-Hilfe-Kursen in Schulen sei man „noch sehr weit entfernt“. Ein Skandal, sagt der Kölner: Denn 10.000 Leben könne man bundesweit durch diese Maßnahme jedes Jahr retten. Gerade scheiterte Böttiger vor dem Petitionsausschuss des Bundestages, dem er im Mai 2022 zusammen mit Notärztin Dr. Carola Holzner, bekannt als „Doc Caro“, knapp 85.000 Stimmen aus der Kampagne #ichrettedeinleben übergeben hatte. „Es ändert sich einfach nichts. Was wir jetzt bekommen haben, ist ein langer Brief. Das hilft nicht.“
Keine Angst bei der Reanimation
In Deutschland sterben mindestens 70.000 Menschen pro Jahr an Herz-Kreislaufstillstand. Der plötzliche Herztod ist hierzulande damit die dritthäufigste Todesursache. „Nur einer von zehn überlebt bisher“, sagt Professor Böttiger. Bereits drei bis fünf Minuten nach dem Stillstand entwickeln sich irreversible Hirnschäden. Bis der Rettungsdienst eintrifft, vergehen allerdings im Durchschnitt neun Minuten. „Diese Zeit kann und muss durch Laienreanimation überbrückt werden.“ Kinder lernen schnell und können ihr Wissen auch weitergeben, so der Mediziner. „Angst, bei der Reanimation etwas falsch zu machen, haben Kinder im Gegensatz zu vielen Erwachsenen gar nicht.“
Jede Schule ist eigenverantwortlich aktiv
In Dänemark wurde im Jahr 2005 der Wiederbelebungsunterricht gesetzlich festgeschrieben. Seither hat sich die Laienreanimationsquote von 20 Prozent im Jahr 2000 auf mehr als 60 Prozent im Jahr 2020 gesteigert. Die Überlebensrate von betroffenen Menschen hat sich verdreifacht. Andere Länder wie die Niederlande und Schweden weisen sogar eine Laienreanimationsquote von 70 Prozent und mehr auf. Warum gibt es diese Kurse also nicht auch an jeder deutschen Schule?
Die Durchführung von Erste-Hilfe-Kursen für Schülerinnen und Schüler zählt zu den inneren Schulangelegenheiten. Das heißt, jede einzelne Schule ist eigenverantwortlich aktiv, organisiert von der jeweiligen Schulleitung. Erhebungen oder Statistiken über erfolgte Kurse oder Weiterbildungen von Lehrkräften gibt es nicht, teilt die Kölner Bezirksregierung auf Anfrage mit. Abgerechnet werden Kurse durch die Unfallkasse NRW - aber auch diese Zahlen lagen bis zum Redaktionsschluss nicht vor. Auch die Kölner Stadtverwaltung kann keine Zahlen nennen. „Wir kommen bisher bei uns leider nicht voran und das kostet uns viele Menschenleben“, sagt Professor Böttiger. „Wiederbelebung hat keine große Lobby.“
Gesundheitsamt unterstützt nur vereinzelt
Eine Unterstützung der Kölner Schulen durch das Gesundheitsamt habe bisher nur an einem Gymnasium in Porz stattgefunden, teilte die Verwaltung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion mit. Mit Spendengeldern wurden Puppen für den Reanimationsunterricht angeschafft und Lehrkräfte geschult. Durch die Corona-Pandemie habe es keine Fortführung gegeben. „Bemühungen zur Sicherstellung von Erste-Hilfe-Kursen flächendeckend ab der 7. Klasse sind aus Sicht des Gesundheitsamtes mit Nachdruck zu unterstützen“, heißt es bei der Stadtverwaltung.
Einige wenige Projekte auch für kleinere Kinder finden dennoch statt: Das durch das Amt für Kinder, Jugend und Familie geförderte Projekt „Power Pänz“ des Kölner Jugendrotkreuz richtet sich an Kinder zwischen vier und zehn Jahre. Im Jahr 2022 wurde nach eigenen Angaben mehr als 4000 Kindern das Thema Erste Hilfe nähergebracht: In den weiterführenden Schulen wurden im vergangenen Jahr in Köln rund 600 Schulsanitäter von geschulten Lehrern ausgebildet - auf die Zahl aller Kölner Schülerinnen und Schüler gesehen, immer noch sehr wenige.