Fachärztemangel in Köln?Warum man auf einen Termin beim Spezialisten so lange warten muss

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Facharzt wurde in einen Terminkalender eingetragen

Ein halbes Jahr Wartezeit oder länger - bei vielen Fachärzten ist das ganz normal.

Die lange Suche nach Fachärzten und monatelange Wartezeiten auf Untersuchungstermine kennen viele. Und doch hat Köln auf dem Papier mehr als genug Facharztpraxen. 

Vorsorge ist die bessere Medizin, so das einstimmige Mantra von Krankenkassen, Ärzten und Gesundheitsexperten. Doch dass es gar nicht so einfach ist, diese Vorsorge auch zu bekommen, zeigt das Beispiel von Manfred Nagel aus Zündorf. Der 76-Jährige hat kleine Knoten auf seiner Schilddrüse. Ob sie größer werden und für Nagels Gesundheit gefährlich sein könnten, soll jedes Jahr überprüft werden. Doch als sein Nuklearmediziner im Rechtsrheinischen in den Ruhestand ging, fand Nagel in Köln keinen neuen Facharzt für seine jährliche Vorsorgeuntersuchung mehr. Ein Dilemma.

„Ich habe herumtelefoniert wie ein Ochse“, erzählt Manfrad Nagel. Er machte sich eine Liste von Nuklearmedizinern und Radiologen, versuchte es telefonisch, über den Online-Terminservice von Plattformen wie Doctolib sowie seine Krankenkasse. „Bei allen Ärzten wurde mir gesagt, dass sie keine neuen Patienten mehr aufnehmen.“ Über den Patientenservice 116117 hätte er zwar einen Termin bekommen, jedoch nur mit einer Überweisung des Hausarztes. Dieser habe die Überweisung aber nicht ausstellen wollen: „Nur in lebensbedrohlichen Fällen und nicht für Routineuntersuchungen“, sagt Nagel.

Vorsorgeuntersuchungen nicht „zeitkritisch“

„Erhalten Patientinnen und Patienten einen Dringlichkeitscode vom überweisenden Arzt, etwa dem Hausarzt, haben sie formal Anspruch auf einen Termin bei der benötigten Fachgruppe innerhalb von vier Wochen“, teilt die KVNO mit. Ohne Code dürfe die Wartezeit vier Wochen überschreiten – insbesondere Vorsorgeuntersuchungen seien zwar wichtig, aber in der Regel nicht zeitkritisch. „Die Dringlichkeit wird abhängig gemacht vom Krankheitsbild, vom Erkrankungsfortschritt und von der Geschwindigkeit, mit der gehandelt werden muss“, sagt Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein. Wenn sofortiger Handlungsbedarf bestehe und eine ambulante Therapie möglich sei, werde telefonisch vermittelt. Bei nicht dringlichen Fällen gebe es keine Unterstützung bei der Terminfindung. Von der Überweisungspflicht ausgenommen sind Termine bei Augen-, Frauen-, Kinder- und Hausärzten.

Bei der Frage, wie viele Vertragsärztinnen und -ärzte – etwa Dermatologen, Orthopäden oder Hausärzte – in bestimmten Regionen oder Städten niedergelassen sein sollten, ist die sogenannte „gesetzliche Bedarfsplanung“ im Bund die entscheidende Größe. Unter anderem werden auch Demografie und Morbidität der jeweiligen Region berücksichtigt. Gefühlt sind Fachärzte auch hier Mangelware. Doch gemessen an den offiziellen Vorgaben des Bundes sei derzeit in Köln kein Mangel an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowohl der fachärztlichen Grundversorgung (etwa Dermatologen, Orthopäden und HNO-Ärzte) als auch der spezialisierten fachärztlichen Versorgung (zum Beispiel Radiologen) zu beobachten. Das teilt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) auf Anfrage mit.

Versorgungsgrad derzeit über 100 Prozent

„In allen Facharztgruppen liegt der Versorgungsgrad derzeit über 100 Prozent“, so ein Sprecher der KVNO. Die Wachstumszahlen der Fachärzte liegen laut Hausärzteverband im Bundesdurchschnitt zudem um die sieben Prozent in den letzten zehn Jahren. Nur bei den Hausärzten habe es im Vergleichszeitraum eine Stagnation gegeben. Guckt man sich die aktuellen Zahlen der Versorgung an, etwa aus einer Erhebung der Plattform Doctolib von 2022, steht Köln sogar besonders gut dar. Etwa bei Augenärzten, Orthopäden und Hautärzten liegt die Versorgungsquote in Köln bei mehr als 100 Prozent. Bei Psychotherapeuten oder Radiologen liegt sie sogar bei mehr als 140 Prozent. Das kann zur Folge haben, dass eine Praxis bei Aufgabe keinen Nachfolger oder Nachfolgerin mehr bekommt.

Die Wartezeit bei den Spezialisten liegt trotzdem oft bei mehreren Monaten, manchmal einem halben Jahr und mehr. „Grundsätzlich ist bei hochspezialisierten Praxen, zum Beispiel Kardiologen, immer mit Wartezeiten zu rechnen“, heißt es von der KV Nordrhein. Gleichzeitig könnten sich aber auch – etwa durch Terminabsagen – kurzfristig Zeitoptionen ergeben beziehungsweise wieder verfügbar werden.

Die Vergütung der Fachärzte ist jeweils nur um zwei bis drei Prozent pro Jahr gestiegen, sodass inflationsbereinigt und unter Berücksichtigung der Personalkosten eine negative Entwicklung eingetreten ist.
Dr. Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein

Ob und wann ein Termin vergeben werde, hänge auch davon ab, ob ein Patient gesetzlich oder privat versichert sei, glaubt Manfred Nagel. „Die Vergütung der Fachärzte ist jeweils nur um zwei bis drei Prozent pro Jahr gestiegen, sodass inflationsbereinigt und unter Berücksichtigung der Personalkosten eine negative Entwicklung eingetreten ist“, sagt Oliver Funken. Die Kompensation bestehe dann in Sonderverträgen, in Ausweitung der privatärztlichen Tätigkeit und auch in der Reduktion der Angebotszeiten auf das gesetzliche Minimum pro Woche.

Manfred Nagel hat inzwischen einen Termin bekommen, monatelang suchte er, dann musste er schließlich aber nur zwei Monate auf die Untersuchung warten. Durch die Absage eines anderen Patienten konnte er dazwischen geschoben werden. Allerdings ist sein Arzt nicht auf Kölner Stadtgebiet, sondern in Troisdorf.

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