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Interview

Flora-Chefin im Gespräch
„Viele unserer Bäume sind Naturdenkmale“

7 min
Traumhafter Arbeitsplatz mit großen Herausforderungen: Marina Tsaliki vor dem historischen Barockparterre in der Flora.

Traumhafter Arbeitsplatz mit großen Herausforderungen: Marina Tsaliki vor dem historischen Barockparterre in der städtischen Flora.

Seit drei Jahren leitet Marina Tsaliki die städtische Flora in Köln — Anpassung an Klimaveränderung ist eine wichtige Aufgabe.

Der Botanische Garten ist mehr als die leidigen Verzögerungen bei den Schaugewächshäusern. Darüber, wie das Flora-Team stetig neue Ideen umsetzt, sprach Gabi Bossler mit Marina Tsaliki. Sie verriet auch, worauf sich die Kölnerinnen und Kölner freuen können.

Wie wird die Kölner Flora in 50 Jahren aussehen? Lohnt sich dazu ein Blick auf die Pflanzen aus trockenen Regionen, die links neben dem Wüstenhaus gezeigt werden? Oder gar ins Wüstenhaus?

(lacht) Das kann niemand wirklich sagen. Ganz sicher wird es trockener und wärmer werden, und auch die Regenereignisse werden heftiger. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir dann unsere Wüstenpflanzen ganzjährig draußen lassen oder dort pflanzen können.

Die Folgen der Klimaveränderung im Blick zu haben, macht einen wichtigen Teil Ihrer Arbeit aus. Werden jetzt schon Pflanzen eingesetzt, die auch höheren Temperaturen Stand halten?

Dazu gibt es viele Ideen. Wir waren schon bei einigen Tagungen zum Thema „Klimawandel und historische Gärten“ dabei. Weil die Flora und der Botanische Garten unter Denkmalschutz stehen, müssen wir alle Maßnahmen mit dem Stadtkonservator absprechen.

Das bedeutet in der Praxis?

Unser Barockparterre etwa müssen wir exakt nach dem historischen Vorbild des Jahres 1864 mit Pflanzen gestalten, die Peter-Joseph Lenné damals genutzt hat. Die Arten wie etwa Petunien oder Geranien sind vorgegeben und wir nehmen jetzt schon Sorten, die mehr Hitze vertragen. Aber es kann gut sein, dass manche Arten oder Sorten in den kommenden Jahrzehnten dort nicht mehr gedeihen. Dann setzen wir uns mit dem Amt für Denkmalschutz zusammen und wählen eine andere Pflanzenart aus, ohne dass das Gesamtbild gestört wird.

Wie kommen die Pflanzen im Alpinum mit den Hitzemonaten zurecht? Sie stammen ja aus Regionen mit viel niedrigeren Temperaturen.

Hier haben wir schon vereinzelt damit begonnen, Hochgebirgsgewächse, die das veränderte Klima nicht vertragen, auszutauschen. Hier setzen wir jetzt auch auf Pflanzen aus mittleren montanen Regionen. Wichtig ist dabei, dass wir dem Konzept Alpinum treu bleiben und weiter Pflanzen aus Bergregionen zeigen.

In der Flora gibt es einen großen Bestand an alten heimischen Bäumen. Wie sieht es da aus?

Viele unserer Bäume sind Naturdenkmale. Natürlich beobachten wir sie, und bei manchen sind auch Blattverbrennungen oder andere Läsionen sichtbar. Aber da wir viele sehr alte Bäume haben, kann es auch sein, dass sie ihr maximales Lebensalter erreicht oder eine Baumkrankheit wie einen Pilz haben. Deshalb führen wir jährlich Baumkontrollen durch. Dass die Tage heißer werden, ist deutlich spürbar. Deswegen haben wir nicht nur die Pflanzen im Blick, sondern auch unsere Mitarbeitenden.

Das heißt?

Weil das Arbeiten draußen deutlich anstrengender wird, haben wir Pavillons zur Beschattung angeschafft. An sehr heißen Sommertagen können sie ihre Arbeitszeit nach vorne verlegen und ab 6 Uhr anfangen. Das nutzen immer mehr Mitarbeitende. Für das Team der Tropenhäuser haben wir noch leichtere Kleidung angeschafft, als sie das Grünflächenamt im Sommerset bereitstellt. Es wird dann ganz früh gegossen, um den Pflanzen nicht zu schaden. Aber wir müssen insgesamt deutlich mehr gießen. Deshalb experimentieren wir auch mit Pflanzen, die weniger Wasser benötigen.

Ein Beispiel?

Neben den Schaugewächshäusern haben wir hitzeresistentere Stauden gesetzt. Da liegt die Zukunft unseres, aber auch anderer Botanischer Gärten.

Neue Pflanzen gibt es auch im Nutzpflanzengarten….

Hirse und Amaranth etwa gehören heute zu den Nutzpflanzen, deshalb zeigen wir sie neben Kartoffeln und Hopfen.

Ganz ohne Wasser geht es aber auch für diese Pflanzen nicht. Woher kommt das Wasser des Botanischen Gartens?

Unsere drei Schaugewächshäuser und die Beete daneben bewässern wir mit Regenwasser, das in Zisternen aufgefangen wird. Der restliche Garten wird mit Grundwasser aus unseren Brunnen gegossen, Trinkwasser benutzen wird nicht. Um Wasser zu sparen, haben wir die Tröpfchenbewässerung über Schläuche in den Beeten ausgeweitet. Weil unsere Flächen nie völlig austrocknen, haben wir auch keine großen Probleme bei Starkregen. Unsere Böden können auch dann Wasser aufnehmen.

Welche Projekte konnten Sie neben Ihren Verwaltungsaufgaben und den Schaugewächshäusern mit Ihrem Team anstoßen?

Ganz aktuell wollen wir einen Teil unserer Angebote für Kölnerinnen und Kölner jeden Alters neu gestalten. Mehr dazu gibt es demnächst im neuen Jahresprogramm.

Ein paar Beispiele vorab?

Wir möchten wissenschaftliche Inhalte so vermitteln, dass sie jeder versteht und sein Aha-Erlebnis hat. Und wir wollen ganz praktisch etwa Hinweise auf hitzeresistente Pflanzen für den heimischen Garten geben. Vorstellen könnten wir uns auch eine „Botanische Mittagspause“, in der ein Mitarbeitende Geschichten aus ihrem Arbeitsleben in der Flora erzählt. Mit dem Zeitfenster und dem Inhalt sprechen wir vielleicht andere Menschen an als die, die am Wochenende kommen.

Gibt es neue Ideen, die gemeinsam mit dem Förderverein umgesetzt werden?

Ideen haben wir jede Menge. Dem Förderverein liegen etwa die Flora-Statue und der Tempel, die in der Vorkriegszeit verschwunden sind, sehr am Herzen. Auf historischen Bildern sind sie gut zu erkennen. Hier versuchen wir gerade herauszufinden, wo sie sind.

Jetzt nochmal ein Blick in die Zukunft der Flora. Ist die Bepflanzung der drei Schaugewächshäuser komplett abgeschlossen? Und wie geht es den Pflanzen?

Die Erstbepflanzung ist komplett und die Pflanzen sind gut angewachsen. Etliche Stauden und Bäume im Nutzpflanzenhaus haben bereits im Vorjahr Früchte getragen. Aber zukünftig wird es in den Häusern einen stetigen Prozess geben, bei dem Pflanzen eingebracht oder auch mal herausgenommen werden. Wenn zum Beispiel die Verschattung durch größer werdende Gewächse zunimmt, können Pflanzen gesetzt werden, die diese Bedingungen benötigen.

Im Wüstenhaus sind die Mängel ja noch gravierend, die Feuchtigkeit gelangt durch die Lüftungsklappen im First nicht in ausreichendem Maß nach draußen. Ab September sollen die zusätzlichen Klappen geliefert und eingebaut werden. Ist das der letzte Schritt vor der lang ersehnten Eröffnung?

Dann muss das Klima erneut justiert werden und stimmen, damit die Pflanzen keinen Schaden nehmen. Auch wenn die Häuser eröffnet sind, werden wir im Betrieb beim Klima ständig Anpassungen vornehmen. Die Pflanzen werden größer, und auch die Besucherinnen und Besucher beeinflussen das Klima.

Fast fertig ist dagegen der neue Medizinpflanzen-Garten. Er ist jetzt in drei höheren Beeten mit Natursteinumfassungen angelegt…

Diesen Bereich haben die Kollegen im letzten Jahr komplett umgestaltet. Vorher wuchsen die Pflanzen ebenerdig. Das ist für viele Menschen zu tief, um problemlos an ihnen riechen zu können. Außerdem ist der Garten jetzt barrierefrei und auch für Rollstuhlfahrende zugänglich. An der Beschilderung arbeiten wir gerade noch.

Wird die Flora nachhaltiger?

Ja, das kann man sagen. Ein Beispiel: Seit zwei Jahren setzen wir die Winterbepflanzung im Barockparterre aus. Sie war immer nur ein oder zwei Wochen schön und danach nicht mehr. Jetzt decken wir die Beete mit frischer Erde ab und pflegen den Rasen weiter, so dass die Ornamente weiter gut zu sehen sind. Die Rückmeldungen unser Besuchenden waren erstaunlich ausgeglichen. Viele fanden die Winterbeete ohne Bepflanzung auch wunderschön.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Flora?

(Überlegt) Nein. Je nach Jahreszeit gibt es immer etwas anderes, was mich fasziniert. Was blüht oder duftet und mich anzieht. Wenn die Magnolien blühen, bin ich gerne im Magnolienwald.

Und im Winter?

Da laufe ich sehr gerne durch unseren alten Baumbestand. Wenn es gefroren ist und glitzernde Frostkristalle auf den Ästen und Zweigen liegen. Das ist wunderschön.

Worauf freuen Sie sich – unter anderem?

Vor kurzem kam ein Stifter auf uns zu, der etwas für den Botanischen Garten tun möchte. Unseren Vorschlag, die Kamelien-Sammlung didaktisch aufzuarbeiten fand er super. Wir sind eine ganz bunte Gruppe aus Gärtnern, Gärtnermeistern und Profis der Ausstellungsbranche. Zu erzählen gibt es jede Menge. Etwa, wie wir es geschafft haben, diese Riesensammlung auf die Beine zu stellen. Und was es mit den Higo-Kamelien und den Samurai-Kriegern auf sich hat. Und schon die Kamelien-Geschichte ist spannend. Wie ist diese asiatische Pflanzenart überhaupt nach Europa gekommen. Das war ein ganz großer Zufall.

Welcher denn?

(lacht) Das erfahren Sie dann in der Ausstellung. Wenn alles glattläuft, schon im kommenden Jahr.