Helle Pflastersteine auf Gehwegen sollen bei der Orientierung helfen.
GehwegeSehbehinderte fordern mehr Kontraste

Sicherheitsstreifen für Sehbehinderte am Altstadtufer in Köln
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In der Stadt wird darum gerungen, wie Blinde und Sehbehinderte künftig auf öffentlichen Straßen und Wegen am besten geschützt werden können. Anlass ist, dass die Stadtverwaltung ihr Gestaltungshandbuch um ein aktuelles Kapitel zu Bodenbelägen erweitert. Grüne, CDU, SPD, Linke und Volt setzten im Stadtrat durch, dass das Konzept überarbeitet wird und unter anderem der Barrierefreiheit mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Insbesondere soll geprüft werden, wie sich die Helligkeit neu verlegter Pflastersteine zum Beispiel durch Witterungseinflüsse verändert.
Das wiederum rührt an ein Thema, das vor allem Sehbehinderte intensiv umtreibt. „Mich hat es positiv überrascht, dass dieser Aspekt von der Politik aktiv aufgegriffen wurde“, erklärt Paul Intveen auf Anfrage der Rundschau: „Das zeigt, dass die Wahrnehmung für die Herausforderungen, vor denen wir stehen, endlich besser wird.“
Seit Jahren setzt sich Intveen, der selbst erblindet ist, für die Interessen der Nicht-Sehenden ein, unter anderem beim Blinden- und Sehbehindertenverein, aber auch in der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik, die ein offizielles Gremium im Rathaus ist. Das Thema Kontraste auf Gehweg-Belägen jedenfalls sei viele Jahre lang unterschätzt worden, betont der Engagierte.
"Domplatte ist furchtbar"
Intveen war nicht immer blind, bei ihm schritt der Sehverlust langsam voran. Insofern kann er sich noch gut an die Zeit erinnern, als er immer schlechter in der Lage war, seine Umgebung mit den Augen wahrzunehmen. „Die Domplatte ist beispielsweise furchtbar“, erläutert er: „Da verschwimmt alles!“ Er meint damit fehlende Kontraste auf dem Betonboden, der nahezu einheitlich ist.
„Kontraste sind wichtig, nicht nur für diejenigen, die schlecht sehen“, meint Paul Intveen. In der Vergangenheit sei oft allzu bedenkenlos gebaut worden, ohne an die Sicherheit zu denken. „Jeder kennt das, wenn man plötzlich nach der letzten Treppenstufe ins Leere tritt und dabei stolpert“, erläutert Paul Intveen: „So geht es denjenigen, die sich aufgrund mangelnder oder gar nicht vorhandener Kontraste im öffentlichen Raum bewegen müssen. Kontraste braucht also jeder.“
Für Menschen, die ihr Augenlicht komplett verloren haben, gebe es an manchen Stellen Rillen und Noppen im Boden, an denen sie sich mit einem Blindenstock orientieren können. Das betreffe aber eben nur diejenigen, die wirklich nichts mehr sehen. Für lediglich Sehbehinderte seien klare Kontraste, zum Beispiel durch unterschiedlich helle Materialien, wichtig.
Intveens Mitstreiterin Marie Theres Meuter, die sehbehindert ist und sich ebenfalls seit Jahren in Initiativen engagiert, sieht das genauso. Vor allem in der Dämmerung und Dunkelheit sei die Gefahr zu stolpern groß. Deshalb müsse bei der Gestaltung von Bodenbelägen konsequent an die Belange derer gedacht werden, die auf solche Kontraste angewiesen sind.
Weiße Pflastersteine jetzt grau
Ein Beispiel dafür findet sich im Bereich der Flaniermeile in der linksrheinischen Altstadt, die erst kürzlich saniert worden ist. Dort wurden besonders helle, fast weiße, Pflastersteine verlegt, um Gehrouten und Gefahrenstellen zu markieren. Eine befindet sich an der Stelle, wo ohne Gitter oder Absperrung plötzlich ein größerer Höhenunterschied entsteht. Wer das nicht sieht, droht Dutzende Zentimeter in die Tiefe zu stolpern.
Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass die Steine auf dem Gehweg gar keinen spontan wahrnehmbaren Kontrast mehr zu den betongrauen Gehwegplatten bilden. Einige Meter weiter, wo weniger Fußgänger unterwegs sind, sind die Steine dagegen viel heller geblieben. Deshalb wurde in dem Antrag mehrerer Fraktionen für den Stadtrat auch festgelegt, dass die Verwaltung zu überprüfen hat, ob diese hellen Pflastersteine geeignet sind, „über lange Zeit einen Kontrast zu den Gehwegplatten sicherzustellen“.
Das wiederum spricht Marie Theres Meuter und vielen anderen Betroffenen aus der Seele. Im Gespräch mit der Rundschau fragt sich Meuter, ob die Verwaltung bei der Bestellung von Pflastersteinen für Gehwege konsequent alle Regeln einhält. Schließlich gebe es Hersteller, die einen sogenannten Kontrastwert bei ihren Steinen angeben.
Eine Anfrage im Rathaus ergibt, dass die Verwaltung das in der Tat recht konsequent auf dem Schirm hat. „Bei sämtlichen verkehrlichen Neuplanungen im öffentlichen Raum in Köln werden die Richtlinien zur Einhaltung der Kontrastwerte berücksichtigt“, erläutert eine Sprecherin: Für optische Kontraste wird der Helligkeitsunterschied zwischen benachbarten Flächen als „Leuchtdichtekontrast“ angegeben.
In Regelwerken zum barrierefreien Bauen seien Mindestwerte für Leitlinien und -elemente festgelegt, so die Stadt.
Wenige Steine behalten ihre Farbe
Gleichzeitig müsse die hellere der benachbarten Flächen noch einen Mindestreflexionsgrad von 0,5 aufweisen. „Die Reflexionsgrade der im Regelfall verwendeten Materialien werden während deren Auswahlprozess in speziellen Lichtlaboren messtechnisch ermittelt“, so die Sprecherin: „Bei Sonderprojekten, bei denen vom Standard abweichende Materialien zum Einsatz kommen, werden lichttechnische Gutachten beauftragt, um die Reflexionsgrade und Leuchtdichtekontraste zu ermitteln.“
Marie Theres Meuter sieht als grundsätzliches Problem, dass die Stadt gerne mit Naturmaterialien arbeite. Das sei prinzipiell auch gut so, trotzdem müsse auf die Farbunterschiede und Kontraste geachtet werden: „Es gibt wenige Steine, die dauerhaft ihre Farbe behalten.“ Durch Witterung und Verschmutzung seien die Unterschiedene dann nach einiger Zeit kaum noch wahrzunehmen.
„Früher haben Architekten das in ihrem Studium überhaupt nicht behandelt“, meint Paul Intveen: „Noch in den Nullerjahren fand das Thema Barrierefreiheit an den Hochschulen so gut wie gar nicht statt. Das erklärt die Bedenkenlosigkeit, mit der manche Gehwege in der Vergangenheit angelegt wurden und zum Teil immer noch werden.“ Inzwischen habe sich das Verständnis für die Belange von Blinden und Sehbehinderten aber geändert.
Neben Kontrasten auf dem Boden gehöre dazu auch die Stadtmöblierung: „Wenn eine Bank oder ein Mülleimer plötzlich im Weg steht, kann das für Unfälle sorgen. Auch hier brauchen wir ein konsequentes Konzept für den öffentlichen Raum, um solche Gefahren zu verhindern.“