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Gentleman im Interview„Köln hat einfach einen Spirit“

Lesezeit 5 Minuten
Über den Dächern von Köln sitzt der Musiker Gentleman.

Über den Dächern von Köln: Gentleman spürt eine besondere Verbindung zu seiner Heimat. Foto: Meike Böschemeyer

Am Donnerstag veröffentlicht Gentleman sein neues Album „Mad World“ (Verrückte Welt). Hanna Bolin hat mit dem 48-jährigen über aktuelle Herausforderungen, seinen Rückzug nach Mallorca und musikalische Einflüsse gesprochen.

Ihr neues Album heißt „Mad World“. Wir leben in verrückten, aber auch harten Zeiten. Wie kam es zu dem Titel?

Einen Albumtitel zu finden ist oft schwieriger, als die Songs zu schreiben. Die Produzenten „Jugglerz“ und ich haben uns die Songs angeguckt und „Mad World“ war einfach passend. Wenn ich mich grade so umgucke, ist es ganz schön mad (verrückt). Ich habe immer gedacht, nach der Pandemie kommt die Explosion der Lebensfreude. Dann kam aber der Krieg, die Inflation, Iran und die Energiekrise. Und ich hatte das Gefühl, ich muss mal wieder atmen und mich sortieren.

Sie haben sich für den Entstehungsprozess des Albums nach Mallorca zurückgezogen. Wieso hatten Sie das Bedürfnis dazu?

Das Ziel war, einfach mal weg aus der Stadt zu kommen, weg von der Hysterie, den aufgeladenen Debatten, zurück zum Ursprung: In die Sterne gucken, Schafe und Ziegen hören, wenig Menschen und wenig Ablenkung. Aus dieser Leichtigkeit ist das Album entstanden. Es gab keinen Druck, kein Datum zur Veröffentlichung. Ich habe das erste Mal einen Song aufgenommen und musste den mit niemandem teilen, sondern der war erstmal nur für mich. Deswegen hat sich eine Freiheit eingefügt, die vorher, beziehungsweise länger nicht da war.

Inwiefern findet sich dieser Rückzug musikalisch auf dem Album wieder?

Alles fließt immer in die Musik mit ein. Ich glaube, der Ort ist natürlich wichtig. Wir haben das Album davor zum größten Teil auf Teneriffa geschrieben. Ich glaube das Wichtigste ist, wenn man Gedanken weiterführen kann und nicht dauernd abgelenkt wird. Einfach auch mit den Sozialen Medien zu brechen und sich darauf zu besinnen, was langlebig ist, und um was es eigentlich geht, das war das Thema.

Im Gegensatz zu Ihrem zuletzt erschienen Album „Blaue Stunde“ werden Sie auf „Mad World“ wieder komplett auf Englisch singen. Wie kam es dazu?

Das deutschsprachige Projekt, das war ein Herzenswunsch, den ich immer schon hatte, aber bei dem ich nie einen Anfang gefunden habe. Mir war es wichtig, irgendwann mal ein Album zu machen, bei dem die Leute verstehen, was ich singe. Aber ich hatte nie die Motivation, zu sagen, jetzt mache ich mal was auf Deutsch. Und dann kam die Fernsehshow „Sing meinen Song“ und ich habe gespürt, dass sich das Singen auf Deutsch sehr vertraut anfühlt. Und dass das sehr wohl auch Soul haben kann. Es war eine Erfahrung und jede Erfahrung ist gut, aber mir fehlt die Leichtigkeit, die ich sonst beim Schreiben habe. Deswegen war immer klar, ich fange jetzt nicht an, immer auf Deutsch zu singen.


Zur Person

Jahre ist Gentleman als Reggae-Musiker aktiv. Am 2. Dezember erscheint sein 8. Album. Gentleman, bürgerlich Tilmann Otto, ist mit Platin und Gold ausgezeichnet, stand mehr als zwanzig Mal in den deutschen Top 100 Single-Charts und gewann Musikpreise, unter anderem zwei Mal die 1 Live Krone, den Comet und den Echo Pop. Er lebt mit seiner Familie in Köln und auf Mallorca.


In Ihrem neuen Album schaffen Sie es, trotz der verrückten Weltenlage, das Positive herauszustellen. Woher nehmen Sie die Zuversicht, das positive Denken?

Ich bin nicht immer zuversichtlich. Ich habe früher immer gedacht, irgendwann werden die Menschen in Liebe und Harmonie leben, das glaube ich schon lange nicht mehr. Ich glaube aber fest daran, dass es immer eine Gegenbewegung gibt. Und sobald die Dunkelheit krasser wird, kommt auch wieder ein Licht. Das hält sich die Waage. Jetzt sind wir im Jahr 2022 und wir haben unseren Humor noch nicht verloren. Egal in welchem Krisengebiet, du siehst immer noch Menschen lachen. Und das ist etwas, das mir Hoffnung macht, dass der Mensch an sich ja auch etwas sehr Gutes in sich hat.

Dürfen wir uns auch auf eine Tour zum neuen Album freuen? Und wenn ja, wann?

Nächstes Jahr spielen wir vor allem Festivals. Dieses Jahr gibt es noch die Weihnachtsshow am 19. Dezember. Da wird es Songs vom neuen Album geben. Und ansonsten werden wir erstmal mehr im Ausland spielen.

Sie sind in Köln aufgewachsen und wohnen noch immer hier. Was überzeugt Sie an Köln?

Erstmal mag ich gern diesen Sing-Sang, den Sound, wie die Menschen reden. Das finde ich ganz wichtig. Und dann ist es meine Heimat, weil ich hier lebe, seit ich eins bin. Meine Familie ist hier, mein Bruder hat hier ein Restaurant. Ich liebe den Rhein und die Rheinländer-Mentalität, dass man einfach weiß, wo man dran ist, dieses Offene und Ehrliche. Es ist vielleicht keine schöne Stadt, aber es gibt unfassbar schöne Ecken. Köln hat einfach einen Spirit für mich, ich mag den Vibe der Stadt.

Haben die Menschen in Köln oder die Stadt an sich Sie in ihrer musikalischen Entwicklung beeinflusst?

Wahrscheinlich, ja. Ich glaube die Internationalität, die hier sehr präsent ist, und diese offene Mentalität, das in Köln sehr ausgeprägt ist, haben mich geprägt. Und ich finde, das ist kein Klischee, dass Köln eine sehr offene und tolerante Stadt ist. Ich finde damit schmückt sie sich zurecht. Es ist eine Weltstadt, aber trotzdem ist es hier sehr gemütlich. Und musikalisch beeinflusst haben mich die Bläck Fööss. Die Bläck Fööss sind einer der größten Bands, die es so auf der Welt gibt, Kölsch-Rock im Allgemeinen finde ich super. Ich bin mit den Bläck Fööss aufgewachsen, das war der Soundtrack meines Lebens.


Gentleman präsentiert am 19. Dezember in einer Weihnachtsshow im Carlswerk Victoria sein neues Album. Interessierte können ab dem 2. Dezember Karten erwerben

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