Die romanischen Kirchen erzählen von der Entstehung des Siebengebirges in einem vulkanischen Inferno vor 25 Millionen Jahren. Lust auf mehr? Wir waren mit Sven von Loga unterwegs.
Auf der Spur der SteineMit dem Paläontologen Sven von Loga durch Köln

Das versteinerte Muschelgehäuse eines ausgestorbenen Tintenfischs. Wo in Köln mag das sein? In der Fassade des Gerling-Quartiers. Und es ist nur eines von sehr vielen.
Copyright: Gabi Bossler
Wer mit Sven von Loga durch die Stadt geht, wird sie danach mit anderen Augen sehen. Er sieht dann eine Stadt voller Steine, die erzählen. Davon, dass sie in der Eifel, im Süden Deutschlands oder im französischen Lothringen gebrochen wurden und auf Eselskarren und Schiffen nach Köln gelangt sind. Vom Kölner Kurfürsten, der seinen Steinbruch so ausbeutete, dass ein Teil der Burgruine auf der Kuppe in die Tiefe stürzte. Und auch von Urzeitwesen, die sich in Steinen verewigt haben, wunderschön, ganz deutlich auszumachen.
„Geologischer Spaziergang durch die City“ – unter diesem schlichten Titel führt der Geologe und Paläontologe Sven von Loga durch Köln. Sich von seiner Begeisterung anstecken zu lassen, fällt leicht. Und ist unabdingbar für den zweistündigen Gang, bei dem er auf unzählige Steine hinweist und dabei zugleich neue spannende entdeckt — im Pflaster, der Wand eines Cafés, in den Steinen der romanischen Kirchen. Zu allen kennt von Loga Geschichten. Die ihrer Entstehung. Und auch die von Machtverhältnissen und Handelswegen in der Geschichte Kölns.
Basaltsäulen sind das Fundament der Domtürme
„Die romanischen Kirchen erzählen von der Entstehung des Siebengebirges in einem vulkanischen Inferno vor 25 Millionen Jahren“, sagt von Loga, doch davon später mehr, zuerst führt der Paläontologe durchs Gerling-Quartier. In dessen sandfarbenen Fassaden zeugen Versteinerungen von Ammoniten im Solnhofer Plattenkalk davon, dass es einst Tintenfische gab, die in schneckenförmigen Muscheln lebten. „Diese Muscheln mit ihren Luftkammern und Fragmente davon entdeckt man an vielen Stellen. Und Versteinerungen von Seelilien. Das waren im Boden verwurzelte Tiere“, sagt von Loga. Die hellen runden Einsprengsel in den Platten sind Querschnitte dieser Tiere, und wer genau hinsieht, kann auch versteinerte Korallen entdecken. Der markante Kalkstein ist vor 150 Millionen Jahren in den Meeren Süddeutschlands entstanden. Wie deren ausgestorbene Bewohner ausgesehen haben, zeigt der Paläontologe auf farbigen Zeichnungen.

Das Hotel Qvest steht, wie viele historische Gebäude in Köln, auf einem Basaltsockel, darüber wurden Blöcke aus Eifeltuff verbaut, die Figuren an der Fassade wurden aus Sandstein herausgearbeitet, erklärt Sven von Loga.
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Unmittelbar neben dem Gerling-Quartier erhebt sich St. Gereon. „Wie bei allen romanischen Kirchen ist der Sockel aus Basalt vom Laacher See“, erzählt von Loga. Schwarz und matt ist er eine der härtesten Steinarten. „Deshalb hat man ihn auch als Fundament der Domtürme genutzt. Unter jedem Turm liegen lange schwarze Basaltsäulen übereinandergeschichtet in der Erde.“ Basalt war wertvoll, besonders wenn er ohne Schwierigkeiten transportiert werden konnte. „Deshalb gibt es den Unkelstein bei Remagen, einen reinen Basaltfelsen direkt am Rhein, heute nicht mehr. Er wurde vollends abgebaut und der Basalt mit Schiffen nach Köln gebracht“, so der Geologe.
Der Bedarf an Baumaterial war hier immens, etwa für den Bau der romanischen Kirchen im 13. Jahrhundert. „Sie sind alle mit den gleichen Steinarten gebaut. Basalt für den Sockel, darüber Quader aus Eifeltuff und Bögen aus Drachenfelstrachyt, bei manchen kommt noch Grauwacke aus dem Oberbergischen dazu“, schildert von Loga. „Steine waren früher ein sehr wichtiges Handelsgut der Landesfürsten, denen die Steinbrüche gehörten.“ Die Häuser der „einfachen Bevölkerung“ waren aus Fachwerk, nur die Reichen haben sich Burgen oder Steinhäuser gebaut. Und die Erzbischöfe Kirchen. Mit der Besetzung durch die Franzosen unter ihrem Feldherrn Napoleon sei ab dem Ende des 18. Jahrhunderts auch Savonnières-Kalkstein aus Lothringen vermehrt nach Köln gekommen. Figuren am Dom sind daraus gefertigt.

Versteinerte Stiele von Seelilien sind in in den Pflastersteinen vor St. Gereon zu sehen.
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Von Loga weiß, woher die Steine kommen, weil er alle Steinbrüche in Deutschland kennt. „Aber auch für Laien unverwechselbar ist der Drachenfelstrachyt, der in Köln sehr oft als Baumaterial diente“, sagt er. Entstanden ist das Gestein in hunderttausenden von Jahren durch Vulkanausbrüche. Dadurch bildet sich im Gebiet um den heutigen Laacher See eine 200 Meter dicke Tuffschicht. Später drängte erneut Magma nach oben, erstarrte aber beim ihrem Weg durch den Tuff. „Die dabei entstandene hellen Sanidinkristalle sind nur am Drachenfels fünf Zentimeter lang geworden“, schildert von Loga. Besonders gut zu erkennen sind sie an der Eigelsteintorburg und am Hauptportal von Groß St. Martin.
Weil der Kölner Erzbischof immer mehr Kirchen bauen wollte, ließ er soviel Drachenfelstrachyt abbauen, dass ein Teil der Burgruine auf der Kuppe in die Tiefe stürzte.
„Weil der Kölner Erzbischof immer mehr Kirchen bauen wollte, ließ er soviel Drachenfelstrachyt abbauen, dass ein Teil der Burgruine auf der Kuppe in die Tiefe stürzte“, sagt von Loga schmunzelnd. Dem habe dann Kaiser Friedrich Wilhelm III mit einem Abbauverbot Einhalt geboten. Doch nicht nur die Steine der großen Bauwerke erzählen Geschichten. Auch Pflastersteine auf dem Vorplatz von St. Gereon, die aus oberbergischer Grauwacke bestehen. Von Loga geht vor besonders schönen Exemplaren der schwarzen Quader in die Knie, in einem sind zahlreiche versteinerter Stiele von Seelilien zu sehen.

Dunkel setzen sich versteinerte Schwämme in der Wand des Café reys ab.
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Leichter hat es der Betrachter an der Fassade des Café reys an der Christophstraße. Sie besteht aus Aachener Blaustein, der vor 360 Millionen Jahren entstanden ist. „Die dunklen unregelmäßigen Flächen sind Versteinerungen eines Schwamms, der wohl auch ausgestorben ist“, sagt der Geologe, der an Steinen nicht einfach so vorbeigehen kann. „Auch nicht an dem extrem kostspieligen Basaltsäulen, aus denen die Garteneinfassung am Regierungspräsidium besteht. Oder an Basaltsäulen, die in Marienburg zur Begrenzung von Mülltonnen genutzt werden.“
Noch eine der unzähligen Stein-Geschichten, und eine besonders schöne dazu ist die des Café Laura am Zollstocker Gottesweg. Seine Fassade besteht aus Wirbelau-Kalk, Korallenfragmente schmücken sie. „Wirbelau ist ein Ort in Hessen“, sagt von Loga, nach zwei Stunden auf den Spuren der Steine ungebrochen begeistert. „Die ganze Region dort, das war früher ein riesiges Korallenriff.“
