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Im InterviewChef der Kinderklinik verteidigt geplanten Umzug nach Köln-Merheim

Lesezeit 5 Minuten
Eine Visualisierung zeigt den geplanten Neubau der Kinderklinik Köln auf dem Gesundheitscampus Merheim.

So könnte der geplante Neubau der Kinderklinik auf dem Gesundheitscampus Merheim der städtischen Kliniken Köln aussehen.

Prof. Dr. Michael Weiß ist Leiter des städtischen Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße in Köln. Im Rundschau-Interview erklärt er, welche Vorteile ein Umzug der Klinik nach Merheim bietet.

Mehr als 55.000 Menschen haben die Petition „Keine Schließung des Kinderkrankenhauses Amsterdamer Straße und des Krankenhauses Holweide!“ unterschrieben. Warum wollen Sie als Chef die Kinderklinik nicht erhalten?

Ich kann darauf nur in aller Deutlichkeit sagen: Wir werden sie erhalten, die Kinderklinik wird nicht geschlossen! Wir betreiben das Haus mit vollem Versorgungsangebot weiter, bauen aktuell sogar noch aus und um. Bis wir irgendwann nach Merheim in den Neubau umziehen, werden wir an der Amsterdamer Straße nicht vom Gas gehen. Bei vielen Unterschreibenden der Petition ist der Eindruck entstanden, das Kinderkrankenhaus mache zu. Dabei geht es bei der ganzen Sache um ein Kinderkrankenhaus der Zukunft, wo alles unter einem Dach ist. Sofern trifft das Wort der Schließung gar nicht zu.

Kritiker der geplanten Bündelung der drei städtischen Kliniken in Merheim haben Sorge, dass die pädiatrische Versorgung im Kölner Norden darunter leiden wird, wenn die Amsterdamer Straße geschlossen wird.

Wir verstehen die Sorgen, ich selbst werde von Freunden und Nachbarn ständig darauf angesprochen und ich will daher nochmals betonen: Wir werden nicht geschlossen. Ein Neubau an einem Standort kann die pädiatrische Versorgung in Köln sogar verbessern. Natürlich wird jemandem, der auf der Neusser Straße wohnt, das Krankenhaus um die Ecke fehlen. Aber wenn man es mal aus der Vogelperspektive betrachtet, werden in Zukunft die zwei großen Kinderkliniken links- und rechtsrheinisch, also die Uniklinik und die städtische Klinik Merheim, von überall aus gut zu erreichen sein.

Prof. Dr. Michael Weiß, Chefarzt der Kinderklinik Amsterdamer Straße in Köln.

Prof. Dr. Michael Weiß, Chefarzt der Kinderklinik Amsterdamer Straße in Köln.

Welche Vorteile sehen Sie in einem Kinderkrankenhaus am Standort Merheim?

Wie sehr ich die Geschichte der Kinderklinik auch schätze, aber das Modell aus den 50er Jahren ist nicht mehr zukunftsträchtig. Ein Beispiel: Bei manchen Eingriffen, etwa bei Schwellungen im Gesicht, brauchen Kinder einen HNO-Arzt, einen Augenarzt und bestenfalls noch ein MRT. Das heißt, sie müssen erst nach Holweide, dann nach Merheim und wieder zurück in die Kinderklinik - diese Wege im Dreieck wollen wir den Eltern ersparen. Aber auch unseren Ärzten. Vor allem die Neonatologen und die Kinderintensivmediziner pendeln zwischen der Früh- und Neugeborenenstation in Holweide und dem Kinderkrankenhaus in Riehl hin und her. Wir brauchen kurze Wege und damit schnellere Patientenentscheidungen.

Diese Punkte kommen in der tausendfach unterschriebenen Petition nicht vor.

Die Verfasser der Petition erwecken den Eindruck, ausgezeichnete Medizin kann nur in der Amsterdamer Straße funktionieren. Das ist zu nostalgisch gedacht. Mit dem Blick zurück wird man einen modernen Klinikbetrieb 2040 oder 2050 nicht betreiben können. Heute würde man zum Beispiel ein Perinatalzentrum nie mehr zehn Kilometer entfernt von einer Frühchenstation bauen. Die Verzahnung der einzelnen Disziplinen, auch in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Erwachsenenmedizin, ist eine ganz andere als in der Gründungszeit. Das ist dem ein oder anderen nicht klar, und da versuchen wir aufzuklären. Bedenklich finden wir dagegen, dass Mitarbeitende unseres Krankenhauses von Gegnern der „1+0“-Lösung auch schon bei der Arbeit angesprochen wurden, mit der Frage: ‚Ist euch euer Arbeitsplatz gar nicht wichtig?‘ Dadurch entstehen nicht gerechtfertigte Ängste.

20 Millionen Euro, zum Teil aus privaten Spenden, haben Sie in den Bau des neuen F-Traktes gesteckt, der mit zwei Jahren Verspätung Anfang 2024 eröffnet werden soll. Ist es zu verantworten, dass der dann modernste Teil der Kinderklinik vermutlich nur ein paar Jahre genutzt wird?

Ich könnte es andersherum nicht verantworten, wenn man ihn jetzt nicht fertigstellen würde. Wir haben dort dreimal 20 Mutter-Kind-Betten in Zimmern mit Bad, das ist längst überfällig. Erste Planungen dazu gab es schon in den 1990er Jahren. Wir müssen jetzt auf moderne und hochqualitative Versorgung setzen, sonst sind wir erst gar nicht zukunfts- und konkurrenzfähig. Die Bauverzögerung war keine künstliche Bremse, sondern war zum Teil pandemiebedingt.

Gibt es die Möglichkeit, den F-Trakt oder andere Teile der Klinik auch noch nach dem Umzug zu nutzen? Zum Beispiel als kinderärztliche Notfallpraxis?

Das wäre denkbar. Ich entscheide jedoch nicht über die Nachnutzung und kann dazu nichts sagen. Eine Notfallpraxis macht meiner Meinung aber nur Sinn, wenn sie an eine Klink angegliedert ist, um Notfälle direkt stationär behandeln zu können.

Die Kinderklinik leidet unter akuter Personalknappheit. Könnte sich der Personalmangel bei Ärzten und Pflegepersonal durch einen Umzug noch verschlimmern?

Dass eine Kinderkrankenschwester 30 Jahre am selben Arbeitsplatz bleibt, das gibt es nicht mehr. Insofern glaube ich schon, dass einige beim Umzug nach Merheim mitkommen, manche aber auch nicht. Vielleicht auch aus Gründen der Entfernung zum Arbeitsplatz. Aber das ist ganz normal, und der Standort in Merheim ist sicher dann für andere wieder interessant. In der Ärzteschaft wüsste ich nicht, dass jemand gegen eine Campuslösung wäre, eher im Gegenteil. Die nachfolgenden Generationen werden aus medizinischen Gesichtspunkten eher noch mehr auf den einen Standort drängen.

Wie blicken Sie aktuell auf den Herbst und Winter? Ist das Kinderkrankenhaus trotz Personalmangel gut für mögliche Infektionswellen wie im vergangenen Jahr gerüstet?

Für uns geht die akute Notfallversorgung der Kinder vor, deshalb stellen wir uns für diese Zeit bereits jetzt gut auf. Wir haben eine weitere Schicht für unsere Kinderärzte eingeplant und wir statten aktuell unsere Stationen mit vielen zusätzlichen Plätzen für eine Sauerstoffversorgung aus. Bei vielen Akutinfektionen im Herbst und Winter müssen länger geplante Eingriffe aber zur Not auch verschoben werden.