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Interview mit Christoph KuckelkornKinder geben dem Leben erst einen Sinn

Lesezeit 5 Minuten

Familienausflug in den Tiergarten: Christoph Kuckelkorn (Mitte hinten), rechts neben ihm mit Lebensgefährtin Katia und ihren beiden Töchtern (vorne links und rechts). Mit dabei sind auch Sohn Marcel (hinten links) mit seiner Freundin sowie seine Tochter Laura (vorne Mitte) und ihrem Mann (rechts) und der gemeinsamen Tochter im Kinderwagen.

Köln – Alles, nur nicht der eigene Beruf oder das Ehrenamt: Das ist das Motto unserer Interview-Reihe „Das andere Gespräch“. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn, im Hauptberuf Bestatter, durfte somit nicht über Karneval und den Tod sprechen. Also sprach er mit Thorsten Moeck über Familienleben.

Sie möchten über Familie sprechen. Was reizt Sie hieran?

Die Familie hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Durch sie bin ich als Kind in den Karneval geraten. Und als Bestatter haben sie mir einen Beruf vorgelebt, der mein Traumberuf geworden ist. Etwas anderes kam für mich tatsächlich nie infrage. Es ist verrückt, wie eine Familienbande ein ganzes Leben prägt. Dafür bin ich meinen Eltern total dankbar. Die Familie ist die kleinste und doch aus meiner Sicht die wichtigste Zelle im Organismus unserer Gesellschaft. Hier werden Grundsteine gelegt, hier werden Werte vermittelt, die ein ganzes Leben wirken. Im besten Fall sogar über den eigenen Tod hinaus, denn auch die folgenden Generationen können davon profitieren. So hat mein Sohn nun auch begeistert als sechste Generation den Weg in das Familienunternehmen gefunden.

Waren Sie mal froh, bei der Arbeit zu sein, um Ruhe vom Alltagsstress oder den Kindern zu haben?

Das geht in einem Familienbetrieb überhaupt nicht. Ich bin aber auch ein richtiger Familienmensch, auch wenn sich das mit dem Job manchmal schwer vereinen lässt. Dennoch habe ich Kinder nie als Belastung empfunden. Bei uns gab es auch nie die klassische Aufgabenteilung. Ich koche sehr gerne und organisiere die Küche. Mein Sohn ist seine ersten drei Jahre mit mir groß geworden und meine Frau ist damals weiter arbeiten gegangen. Für mich ist Zeit mit den Kindern Entspannung. Kinder geben dem Leben übrigens erst einen Sinn.

Mussten Sie außer Fischstäbchen und Spinat noch andere Gerichte kochen?

In der Beziehung hatte ich einen schrecklichen Sohn. Er hat uns mit seinen Essvorlieben lange in den Wahnsinn getrieben. Er hat nur Gläschenkost gegessen, irgendwann habe ich selbstgekochtes Essen in Gläschen gefüllt, was er natürlich gemerkt hat. Das war eine schräge Zeit. Aber mein Sohn ist jetzt 30 und ernährt sich nicht mehr von Gläschen.

Mussten Sie diese Gelassenheit im Umgang mit den Eigenarten jedes Kindes lernen?

Die eignet man sich im Laufe der Zeit an. Als Eltern macht man sich viele Gedanken, als Großvater habe ich diese Gelassenheit jetzt im Umgang mit meiner Enkeltochter. Ob ein Kind ein paar Monate früher oder später laufen oder sprechen lernt; ist völlig unerheblich. Groß werden sie alle.

Sie sind 52 Jahre alt. Tun Sie sich schwer damit, als Opa angesprochen zu werden?

Nein, absolut nicht. Mein Vorgänger als Zugleiter, Alexander von Chiari, hat einmal gesagt: Großvater zu sein ist das Dessert des Lebens. Und das ist total richtig. Man hat eine andere Wertigkeit und lebt die Zeit mit den kleinen Kindern bewusster. Denn man weiß, wie schnell dies vorbei ist. Wenn ich mit meiner Enkeltochter im Zoo bin oder sie bei uns zu Hause ist, genieße ich das richtig. Und ich muss nicht erziehen, selbst wenn die Hand im Nutella-Glas steckt. Als Vater hätte mich das tierisch aufgeregt. Als Opa finde ich das toll. Neulich hat die Kleine statt Spaghetti nur Parmesan gegessen.

Familie bedeutet im Grunde dauerhaftes Konfliktmanagement. Mussten Sie sich das aneignen oder konnten Sie sich auf Ihre Intuition verlassen?

Ich habe sehr gerne Menschen um mich rum. Mein großes Problem ist es, nicht gerne alleine zu sein. Wenn ich zur Ruhe komme, muss ich Menschen um mich haben. Mein Beruf hat mir früh vermittelt, worum es im Leben geht. Als 18-Jähriger habe ich im Beruf alte Menschen getroffen, die zwei Kriege erlebt haben. Ich habe unglaubliche Lebensgeschichten gehört. Und ich habe gesehen, was am Ende vom Leben übrig bleibt. Da wird man nachdenklich. Bei mir hat das zu einer klaren Prioritätensetzung geführt. Manche Konflikte sind dann plötzlich sehr unwichtig. Das kann allerdings auch fatal sein, weil man manche Konflikte nicht mehr bereit ist einzugehen.

Zum Beispiel?

In meinem Beruf erlebe ich Menschen, ganze Familien mit einem „richtigen“ Problem. Der Tod schafft es, dass plötzlich stabile lebenslange Beziehungen mit all Ihren guten und schlechten Seiten abrupt und unwiederbringlich enden. An einem Tag mit einer Familie, die zum Beispiel ein Kind betrauert, habe ich Situationen erlebt, die mich extrem demütig und dankbar abends zu meiner Familie zurückkehren lassen. Dann ist angesichts des Erlebten ein Konflikt wegen einer schlechten Schulnote oder einem geschwänzten Schultag plötzlich so unbedeutend. Trotzdem ist es aber auch die Rolle der Eltern hier zu agieren. Das kostet mich sehr viel Kraft. Ich muss mich dann regelrecht dazu zwingen.

Hat Ihr Beruf dazu geführt, dass Sie sich besonders viele Sorgen um die Kinder gemacht haben?

Wenn man weiß, wie zerbrechlich das Leben ist, bekommt alles einen großen Wert. Gleichzeitig wird einem bewusst, dass man das Leben nicht schützen kann. Ich bin noch nie in die Versuchung geraten, ein Helikopter-Vater zu sein, um die Kinder von allem Unheil fern zu halten. Da bin ich eher der Ansicht, die Kinder müssen auch mal Keime abbekommen oder sich ein Bein brechen – das Leben ist so. Eine gewisse Lockerheit im Umgang mit Risiken gehört dazu.