Kostenfreie Haarschnitte in KölnDas steckt hinter dem Konzept der „Barber Angels“

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Freiseurin rasiert Mann die Haare.

Friseurin Mary bei der Arbeit.

Hinter den „Barber Angels“ stecken ehrenamtliche Friseurinnen und Friseure, die Bedürftigen kostenfrei die Haare schneiden. 

Waldemar hätte da noch einen Wunsch: „Kannst du mir den Scheitel rechts legen?“, fragt er die Friseurin, die gerade mit dem Feinschnitt seines angegrauten Haars beschäftigt ist. „Klar, mach ich“, sagt Mary, denn Mary ist ein Engel. Genauer gesagt ist Mary ein Barber Angel.

„Mit Motorrädern haben wir aber nichts am Hut, nur Wolfgang ist heute Morgen mit dem Quad aus Düsseldorf gekommen“, erklärt Ute Ganser-Koll, als „Zenturio“ der Barber Angels Brotherhood für „Nordrhein-Westfalen-Mitte“ zuständig. Bei der Gründung des Vereins im Jahre 2016 sei es Claus Niedermaier, dem „Figaro aus Biberach“, lediglich darum gegangen, den Mitgliedern einen einheitlichen Biker-Look zu verpassen, damit keine allzu große Distanz zur angepeilten Klientel entsteht.

Barber Angels zu Gast in Brücker Wohnheim

Denn Sinn und Zweck der „Engelhaften Friseure“ ist es, wohnungslosen Menschen und generell Menschen in finanzieller Not mit einem kostenlosen Haar- oder Bartschnitt von professionellen Friseurinnen und Friseuren ein Stück Würde und Selbstwertgefühl zurückzugeben. Manchmal hilft das neue Styling auch ganz konkret bei der Job- oder Wohnungssuche.

Deshalb besuchen Abordnungen der Barber Angels in regelmäßigen Abständen soziale Einrichtungen in ihrem Umfeld. Hier im Wohnheim des Internationalen Bunds am Brücker Mauspfad leben 38 Männer, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, alle zweieinhalb Monate sind vier „Engel“ zu Gast, die im Gemeinschaftsraum frisieren. Diesmal nehmen zehn Bewohner dieses Angebot wahr, erzählt Mitarbeiter Peter Wöhrhoff. Aus persönlichen Gründen möchten sie allerdings nicht namentlich oder auf einem Foto in der Zeitung erscheinen. Auch der Koch der Einrichtung, Waldemar, nimmt zwischendurch Platz.

„Meist kommen wir montags, weil dann viele Salons geschlossen sind und unsere Mitglieder frei haben“, erklärt Ganser-Koll. Auch sonntags sind einige Barber Angels unterwegs: „Gestern habe ich fast nur Bärte gemacht“, bestätigt Mary, die wie fast alle „Engel“ zum Schutz ihrer Privatsphäre nur mit ihrem Spitznamen angesprochen werden möchte. „In vielen Einrichtungen haben wir Stammkunden, deren persönliche Wünsche wir kennen“, sagt sie, mit den meisten sei man per Du und kenne auch deren Vorgeschichte und Probleme.

Ehrenamtler sind mindestens sechs Mal im Jahr zum Haareschneiden unterwegs

In ihrem Aufnahmevertrag verpflichten sich die Barber Angels, mindestens sechs ehrenamtliche Einsätze pro Jahr für den guten Zweck zu absolvieren, bei den meisten sind es wesentlich mehr. Niedermaiers Konzept geht trotzdem auf: „Mittlerweile gibt es auch Barber Angels in Österreich und in der Schweiz, in den Niederlanden, Norwegen, Kolumbien, Chile und auf Mallorca“, so Ganser-Koll, „weltweit sind es mehr als 400.“ Man habe bislang geschätzt rund 40.000 Bedürftige erreicht.

Spenden erhält der Verein selbstverständlich auch, nicht nur in finanzieller Form: Auf einem Tisch im Gemeinschaftsraum stehen Fläschchen, Tuben und Döschen mit Duschgel, Rasiercreme und Seife, auch Zahnbürsten und Sonnenbrillen stehen bereit – gesponsert von Firmen, die auf Körperpflege- und Hygieneartikel spezialisiert sind. „Moment, du kriegst noch Haargel“, sagt Mary zu Waldemar, schließlich soll der Scheitel an Ort und Stelle bleiben.

Manchmal frisieren die Barber Angels aber auch eine ganz andere Klientel, demnächst zum Beispiel geht’s nach Wacken, um die Vereinskasse zu füllen. Denn die Heavy-Metal-Fans werden um eine Spende gebeten, erklärt Ganser-Koll: „Die haben ja Geld genug.“

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