Ein 72-Jähriger wurde freigesprochen, nachdem er ein Kind irrtümlich für seine Enkelin hielt und dieses nach langer Suche in seiner Wohnung gefunden wurde. Bei dem Senior wurde Demenz diagnostiziert.
Köln-KalkFreispruch für 72-Jährigen im Fall um verschwundene Dreijährige

Ein Spielplatz liegt auf dem Gelände des Bürgerparks in Köln-Kalk. Hier verschwand die Dreijährige.
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Es waren umfassende Fahndungsmaßnahmen, die die Polizei ergriff, als im Mai 2024 eine Dreijährige aus dem Bürgerpark in Kalk verschwand und nicht mehr aufzufinden war. Nach rund zwölfstündiger Suche wurden die Beamten dann aber in der Wohnung eines 72-Jährigen, der in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu dem Mädchen stand, fündig. Der Senior gab damals laut Polizeiangaben an, er habe die Dreijährige für eine seiner Enkelinnen gehalten.
Am Donnerstag wurde der Senior vor dem Amtsgericht vom Vorwurf der Entziehung Minderjähriger freigesprochen. „Es ließ sich nicht ausschließen, dass der Angeklagte schuldunfähig war“, sagte die Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Dabei verwies sie auf ein psychiatrisches Sachverständigengutachten, dass eine bereits fortgeschrittene Demenzerkrankung bei dem 72-Jährigen festgestellt hatte. Der Angeklagte machte über weite Phasen der Verhandlung einen verwirrten Eindruck. Immer wieder sagte er auf italienisch, er verstehe nicht, warum er im Gericht sei, oder er fragte, ob er endlich gehen könne.
Die Anklageschrift ging davon aus, dass das Mädchen — das sich vor seinem Verschwinden mit seiner Mutter, der Großmutter und einem Bruder im Bürgerpark aufhielt — unter bislang ungeklärten Umständen in die Wohnung des 72-Jährigen gelangte. Der Angeklagte habe aber noch am gleichen Abend, spätestens jedoch in der Nacht, bemerkt, „dass es sich bei dem Kind nicht um ein Familienmitglied, sondern um ein ihm fremdes Kind handelte“, sagte der Staatsanwalt bei der Anklageverlesung. Und weiter: „Dennoch verschwieg er den Aufenthaltsort des Kindes und erklärte auch gegenüber Polizei, dass es sich um seine Enkelin handelte.“
„Dem Kind ist nichts passiert“
Verteidiger Christian Kemperdick entgegnete für seinen Mandanten auf den Vorwurf der Kindesentziehung: „Das stimmt nicht, was in der Anklage steht.“ Weiter hielt der Verteidiger fest: „Dem Kind ist nichts passiert. Es hat Cola und Chips bekommen. Mein Mandant hat das Mädchen, das plötzlich in seiner Wohnung war, versorgt.“ Das Kind habe sich dann irgendwann ins Bett gelegt und geschlafen, während der 72-Jährige auf dem Sofa eingeschlafen sei. Dass die Stunden der Abwesenheit der Dreijährigen für die Eltern sehr schlimm gewesen sein müssen, stellte Kemperdick nicht in Abrede, sein Mandant trage daran aber keine Schuld. Laut der Vorsitzenden Richterin hatte eine Auswertung von Überwachungskameras keinerlei Anhaltspunkte dafür geliefert, wie das Mädchen in die Wohnung des Seniors gelangt war.
Zudem hatte ein forensisches Gutachten ergeben, dass an dem Mädchen keinerlei DNA von dem Angeklagten gefunden wurde, auch eine gynäkologische Untersuchung war ergebnislos geblieben. Bereits im Februar hatte der Fall vor dem Amtsgericht aufgerollt werden sollen. Doch nach kurzer Verhandlung war der Prozess vertagt worden. Das Gericht gab ein Gutachten zum geistigen Zustand des Angeklagten in Auftrag, der damals über weite Strecken desorientiert gewirkt hatte.
