Die Kneipensitzung „Jeckespill“ feiert gekonnt alte Krätzjer und Trinklieder. Hier werden kölsche Sprache und kreative Reime mehr geschätzt als abgedroschene Kalauer.
Karneval in KölnDie Kneipensitzung „Jeckespill“ ist zurück mit urigen Liedern und Frivolem

Kleine Kneipe, große Stimmung: Moderator Helmut Frangenberg beim Jeckespill in der Altstadt-Kneipe "Sünner im Walfisch".
Copyright: Costa Belibasakis
Als die Kölschgläser zur Seite gerückt werden, um auf dem Brauhaustisch Platz zu machen für das Alphorn von Ebasa, dem Meister, sind die unanständigen Lieder schon längst verklungen. „Mir han e Hätz för Kölle“ entlockt der Musiker mit großer Hingabe seinem Instrument, das mit 3,65 Metern die Länge eines Kleinwagens aufbringt. Nun schunkeln sie fröhlich im „Sünner im Walfisch“, einer urigen Altstadt-Kneipe, in die an diesem Abend im Januar niemand unverkleidet gekommen ist. „Do simmer widder zoröck“ hatte Moderator Helmut Frangenberg anfangs mit einem Seufzer der Erleichterung festgestellt und sein „Jeckespill“ in die Jubiläumssession des Karnevals geschickt.
Lust auf handgemachten Karneval
Nirgendwo sind die Textzeilen schlüpfriger als bei der kultigen „Weetschaffssitzung“, wo das Brauchtum ausgiebig mit gesungenen Anzüglichkeiten bewahrt wird. „Es gehört zu den Gepflogenheiten, dass wir alte Trinklieder pflegen“, erklärt Frangenberg die Regeln des jecken Spiels, dann stimmen die Kostümierten Liedzeilen von Hubert Ebeler aus dem Jahr 1929 an und singen vergnügt „Loss mer noch e Gläsche schluppe“.

Zur Ausstattung des Jeckespill gehört die "Mitsinghilfe" auf den Tischen, es musiziert das "Orchester der Liebe".
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Die Kneipensitzung ist der Anti-Gürzenich, Karneval unplugged. Das jazzige „Thekenterzett“ seziert genüsslich Textzeilen von Krätzchen-Meister Jupp Schmitz, schon bald schallt es herrlich obszön: „Nicht in jeder blauen Hose steckt ein strammer Vollmatrose“, dann kramen sie den Gassenhauer „Er hat Krach mit seiner Frau“ hervor und singen: „Nach zwei Glas Bier und einer Frikadelle, fühlt er sich wie ein Junggeselle“.
Auch Jürgen Becker und Willibert Pauels sind dabei
Im perfektionsgetriebenen und längst ins Hochdeutsche abgedrifteten Glitzerkarneval ist kaum noch Platz für viele der Künstlerinnen und Künstler, die in heimeliger Brauhausatmosphäre aufblühen. Michael Hehn wird als „Dä Nubbel“ für seine urkölschen Bandwurmsätze gefeiert, die „Zwei Hillije“ kündigen „Schweinskram“ an, singen vom „letzten Schnitzel“ und erhalten bei ihrem Lied vom Biertransport im „Kastenwagen“ Szenenapplaus für ihre kreativ-witzigen Reime. Das „Orchester der Liebe“ ist die musikalische Konstante in diesem nostalgischen Treiben, Reimredner Jörg Runge präsentiert aktualisierte Verse wie diesen zum neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius, der einst mit der Ex-Frau von Ex-Kanzler Gerhard Schröder liiert war: „Bei der Bundeswehr schließt man daraus - mit Restbeständen kennt er sich aus“.
Zur guten Tradition des Jeckespills gehört längst auch die allabendliche Taufe der singenden Brauhauselfen. Weil eine von ihnen schon nach dem ersten Abend mit Stimmverlust ausfällt, heißt die andere von ihnen dieses Mal einfach „halb Elf“. Elfe Mica singt wenig später im Gedenken an den im Dezember verstorbenen Spaßmacher Hans Süper die Nummer „Mi Kölle dräht es Päälekett“ – das Jeckespill wirkt wie eine kölsche Zeitmaschine, und im Grunde dürfte niemand verwundert sein, wenn hier plötzlich Willi Ostermann mit Mantel und Hut zur Tür hereinspaziert käme.
Verbale Raketen als lautstarke Gefallensbekundungen gehören im Karneval der Vergangenheit an, eigentlich würden sie schon deshalb gut hier hin passen. Während beim alternativen Format „Deine Sitzung“ Mettbrötchen „gebacken“ werden, fällt der Jubel beim Jeckespill hochprozentig aus. „Ein lecker Bierche, Brauhausteller, Schabau“, rufen die Jecken, malen Kreise in die Luft und klopfen auf den Tisch. Alle Künstlerinnen und Künstler werden auf diese Weise gefeiert. Auch Jörg P. Weber und Stefan Knittler gehören sozusagen zum Inventar des Jeckespills, sie genießen die Nähe zum Publikum, auch Jürgen Becker und Diakon Willibert Pauels gehören bei einigen Gastspielen zu den auftretenden Künstlern. In neun Kneipen wird gespielt, es gibt noch wenige Restkarten.