Beim Pen-and-Paper-Rollenspiel tauchen Spielende mit Papier, Würfeln und Fantasie in Abenteuer ein. In der Kölner Spiele-Bar Lost Level treffen sich dafür einmal im Monat Rollenspiel-Fans.
Pen and Paper in KölnAnaloge Spiele im digitalen Zeitalter

Papier, Würfel und Fantasie: Beim „Pen and Paper“-Rollenspiel erleben die Spielenden Abenteuer am Tisch.
Copyright: Meike Böschemeyer
Eine Tragödie ist geschehen! Ein Eichhörnchen, ein Salamander, ein Rotkehlchen und eine Maus haben ihre Hexe verloren. Von wem soll das Eichhörnchen nun Nüsse zum Knabbern bekommen? Und wie soll der Salamander seinen warmen Stein wiederfinden? Gemeinsam ziehen die mutigen Tierchen los – durch die Dunkelheit, gegen Monster, mit Kuchenpausen zwischendurch.
Natürlich sind keine echten Tierchen zu Schaden gekommen. Ihre Welt existiert allein in der Fantasie – genauer gesagt beim „Pen and Paper“-Abend in der Kölner Spiele-Bar „Lost Level“. Einmal im Monat treffen sich hier Spielende, um gemeinsam Abenteuer zu erleben – auf Papier, mit Würfeln und einer Menge Fantasie. Eine Person übernimmt dabei die Rolle der Meisterin oder des Meisters: Sie beschreibt die Welt, in der die Figuren leben, stellt Herausforderungen und verkörpert alle Wesen, denen die Gruppe begegnet. „Pen and Paper“ hat vor allem durch die Erfolgsserie „Stranger Things“ im Jahr 2016 an Beliebtheit gewonnen, aber das Spiel gibt es bereits seit den 70er-Jahren.
Heitere Fantasie oder düstere Abenteuer
Bevor es losgeht, stellen die Meisterinnen und Meister ihre Abenteuer vor. Meist sind es einsteigerfreundliche Geschichten – magische Akademien wie in Harry Potter oder Fantasiewelten. An diesem Abend um 19 Uhr füllt sich der hintere Raum der Bar, Stimmengewirr liegt in der Luft. Oliver, einer der Meister, tritt nach vorn und begrüßt das Publikum. Ein vielstimmiges „Hallo, Oliver!“ kommt zurück. Er kündigt sein Abenteuer an, das er als „ein bisschen wie Toy Story“ beschreibt. Danach tragen sich Interessierte auf einer Liste ein: Wer zuerst kommt, spielt zuerst.

Fantasie oder wahre Begebenheiten: Die Spielleiter stellen den Gästen ihre Abenteuer vor.
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Die Rollenspiele sind allerdings nicht immer heitere Fantasieabenteuer. Ein Meister kündigt sein Abenteuer mit einer Warnung für sensible Personen an: Zum Jahrestag vom Atombombenabwurf auf Hiroshima hat er eine Geschichte aus der Sicht von Kindern geschrieben, die überlebt haben und sich durch die Stadt kämpfen. Die Runde wird anschließend mit einer Schweigeminute beendet. Ein starker Kontrast – die Themen können leichtfüßig sein, aber auch tief unter die Haut gehen.

Der 20-seitige Würfel bestimmt über das Schicksal der Charaktere.
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Amelie gehört zu den Meisterinnen und stellt das Abenteuer der Tierchen vor. Seit September leitet sie regelmäßig im Lost Level. Privat spiele sie bereits seit Jahren. Die Geschichte hat Amelie selbst geschrieben. Sie basiert auf dem bekanntesten Regelwerk: „Dungeons & Dragons“, dem Urvater des „Pen and Paper“-Rollenspiels. Ein Regelwerk ist das Grundgerüst des Spiels. Es bestimmt, wie Figuren entstehen, wie Kämpfe oder andere Aktionen ablaufen – und wann das Schicksal in Form eines Würfels entscheidet. Bei „Dungeons & Dragons“ ist das hauptsächlich der 20-seitige Würfel.
Kevin, Konrad und Tina haben sich für Amelies Abenteuer entschieden und richten gemeinsam am Tisch ihre Charaktere ein. Jede Spielerin und jeder Spieler wählt dabei eine Klasse und bereitet sich so auf die bevorstehende Geschichte vor. Dabei nutzen die Spielenden einen sogenannten Charakterbogen: Auf dem Papier stehen der Name des Charakters, seine Fähigkeiten und alles, was sie besonders macht. So behalten die Spielenden den Überblick – und der Bogen wird im Laufe des Abenteuers mit Notizen, Schätzen und neuen Kräften immer voller.
Die Regeln sind dabei nur ein Gerüst. Wichtiger ist das gemeinsame Erzählen. Und so stürzen sich die kleinen Heldinnen und Helden in ihr Abenteuer. Auf der Suche nach der verschwundenen Hexe müssen die kleinen Heldinnen und Helden den Bösewicht stellen, der sie entführt hat. Schließlich finden sie ihn: ein Wesen, das in Gestalt einer finsteren Kopie der Hexe auftritt und die Tierchen herausfordert.

Hinter den Geschichten steckt oft ein vollgeschriebener Block und hoher Aufwand.
Copyright: Meike Böschemeyer
Das Kampfsystem ist simpel: Jeder Charakter hat je nach Klasse Waffen oder Zaubersprüche, die sie mit verschiedenen Fähigkeiten einsetzen. Die Maus hebt ihr Schild und stellt sich schützend vor die Gruppe. Der Salamander setzt auf rohe Kraft, das Rotkehlchen feuert seine Gefährten mit Gesang an – und das Eichhörnchen setzt auf List und Schnelligkeit. Jeder Würfelwurf entscheidet, ob ein Angriff gelingt, ob ein Zauber wirkt oder ob das Glück sich gegen die Tierchen und deren Spielenden wendet.
Am Ende siegen die kleinen Heldinnen und Helden: Die dunkle Kopie zerfällt, die Hexe wird aus einem magischen Buch befreit. Zurück in der Hütte erfüllt sich für alle ein kleiner Traum. Das Eichhörnchen knabbert zufrieden an seinen Nüssen, der Salamander ruht auf seinem warmen Stein, das Rotkehlchen singt – und die Maus hält Wache über ihre Gefährten. Und die Spielenden? Die müssen wieder in die Realität zurück.