Die Beantwortung der Frage, warum die Fahrradstraßen so gestaltet werden, wie sie gestaltet werden, beginnt in der Straßenverkehrsordnung. Doch die Stadt hat Handlungsspielraum.
Muss das so sein?Anwohnende in Marienburg kritisieren Markierungen für Fahrradstraße

Die Anwohnenden in Marienburg sehen in den Markierungen der Fahrradstraße eine „Verschandelung“ ihres Veedels.
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Die Anwohnenden der Goethestraße waren geschockt, als Anfang der Woche die Arbeiten mitten in Marienburg begannen. Arbeiter eines von der Stadt beauftragten Unternehmens pinselten weiße und rote Markierungen auf den Asphalt, in den kommenden Tagen dürften blau-weißen Piktogramme auf der Straße dazu kommen. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Vorgang. Die Goethestraße wird schließlich zur Fahrradstraße – so, wie die Bezirksvertretung Rodenkirchen es 2019 beschlossen hat.
Die Anwohnenden der Goethestraße möchten das aber nicht hinnehmen. „Diese Straße gibt es seit 125 Jahren. Sie ist eine der schönsten Kölner Straßen und hat bisher ohne Schilder und Markierungen perfekt funktioniert“, betont ein langjähriger Anwohner. Morgens und mittags gehöre die Straße den radfahrenden Schülerinnen und Schülern, auch ohne Fahrradstraße führen diese bereits nebeneinander her. Unfälle habe es nie gegeben. Die Markierungen und der zu erwartende „Schilderwald“, dazu wegfallende Parkplätze, seien „völlig unangemessen“. Dazu kritisieren die Anwohnenden, die Stadt habe sie erst wenige Tage vor Beginn der Arbeiten mit einem Post-Einwurf über die anstehenden Arbeiten informiert.
Fahrradstraße in Marienburg: Teil eines gesamtstädtischen Plans
Warum die Goethestraße zur Fahrradstraße wird, ist weniger eine Marienburger Frage, sondern eher eine gesamtstädtische. Überall in der Stadt sollen in Zukunft weitere Fahrradstraßen entstehen, die die Außenbezirke mit der Innenstadt verbinden. Die Fahradweg-Achse in den Kölner Süden begann mit der Umwandlung der Schillerstraße in, nun ist die Goethestraße dran.
Die Beantwortung der Frage, warum die Fahrradstraßen so gestaltet werden, wie sie gestaltet werden, beginnt in der Straßenverkehrsordnung des Bundes. Rechtsverbindlich ist ausschließlich die Beschilderung am Anfang und am Ende der Fahrradstraße. Bei allem, was darüber hinaus geht, hat die Kommune Handlungsspielraum. Die Stadt Köln hat für sich klar entschieden: Nur die Beschilderung reicht ihr nicht. Das gilt für stark frequentierte Innenstadt-Fahrradstraßen, aber auch für solche in den Veedeln, die in vielen Fällen auch den Schulverkehr sicherer machen sollen.
Die Stadt verweist auf Anfrage auf einen Leitfaden des Deutschen Instituts für Urbanistik, das zu dem Schluss kommt: „Bezüglich der Erkennbarkeit wurde festgestellt, dass Fahrradstraßen häufig nicht als solche wahrgenommen werden und große Teile der Verkehrsteilnehmenden nicht wussten, welche Regeln dort gelten.“
Die Grundlage für die Regeln in Köln liefert die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte und Gemeinden in NRW (AGFS), die einen Leitfaden für Fahrradstraßen entwickelt hat. Aus diesem Leitfaden hat die Stadt Gestaltungsstandards abgeleitet, die nun „sukzessive angewendet werden“. Auch in Marienburg.
Piktogramme, rote Begleitlinien und die „Freie Ecke“
Die blau-weißen Piktogramme kamen in Köln schon vorher zum Einsatz, nach Veröffentlichung des AGFS-Leitfadens 2023 hat die Stadt zwei weitere Gestaltungselemente übernommen. Zum einen den Sicherheitstrennstreifen zum Parken, der verhindern soll, dass Radfahrende durch Autotüren, die unvermittelt von innen geöffnet werden, verletzt werden. Zum anderen eine rote Begleitlinie als Wiedererkennungsmerkmal und zur Visualisierung der Fahrradstraße. Die soll aus Sicht der Stadt die „intuitive Routenführung“ der Radfahrenden unterstützen.
Ebenfalls angewendet wird auf der Goethestraße das Prinzip der „Freien Ecke“, nach dem durch optisch eingerichtete Sperrflächen die Kreuzungen freigehalten und das sichere Queren für den Fußverkehr in Kreuzungsbereichen verbessern werden soll. Zusammengefasst werde mit dem Markierungsschema laut Stadt die Verkehrssicherheit erhöht, das in Fahrradstraßen gewollte Nebeneinanderfahren der Radfahrerenden gefördert und das Geschwindigkeitsniveau des zugelassenen Kfz-Verkehrs durch markierungstechnische optische Einengungen reduziert. Alle zukünftigen Fahrradstraßen werden nach diesem Standard gestaltet, kleine Abweichungen kann es durch „örtliche Begebenheiten“ geben, etwa der verfügbaren Fahrbahnbreite.
Langfristig sollen auch Fahrradstraßen, die vor der Festlegung der internen Standards entstanden sind, angepasst werden. „Allerdings liegt der Fokus zunächst auf der Ausweitung des städtischen Fahrradstraßennetzes“, teilt die Stadt mit.