Apotheken öffnen wiederTödliches Versehen? – Ermittlungen gegen zwei Mitarbeiter

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Apotheke Köln

Die Heilig-Geist Apotheke in Köln-Longerich.

  • Nach dem Tod einer 28-Jährigen und ihrem Baby durch ein verunreinigtes Glukosepräparat ermittelt weiter die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung.
  • Den bisherigen Ermittlungen zufolge hatte niemand die Absicht, das Präparat zu vergiften.
  • Am wahrscheinlichsten ist bislang die Verwechslung zweier Behälter.
  • Die drei zwischenzeitlich geschlossenen Apotheken dürfen wieder öffnen – unter Auflagen.

Köln – Eine Verwechslung von Gefäßen soll zur toxischen Verunreinigung zweier Glukoselösungen in der Longericher Heilig-Geist-Apotheke geführt haben. Eine Schwangere (28) war am 19. September nach der Einnahme des Glukose-Präparats kollabiert und gestorben, einen Tag später starb auch ihr per Notkaiserschnitt geborenes Baby. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter der Apotheke wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung, wie sie am Freitag mitteilte. Schon am 26. September hatte die Rundschau berichtete, dass die Ermittler eine Verwechslung in Betracht ziehen. Der Verdacht bestätigt sich jetzt.

Nach bisherigem Stand der Ermittlungen kristallisiert sich offenbar heraus, dass niemand mit Absicht vergiftete Glukose-Präparate in Umlauf gebracht hat. Eine Laboruntersuchung hat ergeben, dass es sich bei dem Giftstoff um Lidocain handelt. Hierbei handelt es sich um ein Lokalanästhetikum. Laut Obduktionsbericht sind sowohl die 28-Jährige als auch ihr Baby an einer Überdosis Lidocain gestorben.

Wahrscheinlichstes Szenario: Gefäß verwechselt

In der Apotheke hatten die Ermittler ein Gefäß mit Lidocain sichergestellt. „In Größe, Gestalt, Farbgebung und Herstellerbezeichnung entspricht es jenem Glukosegefäß, in das die toxische Substanz eingebracht worden ist“, erklärte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Vieles deute somit auf ein Versehen hin. Ein Rest des Betäubungsmittels sei vermutlich in einen anderen Glukosebehälter gekippt worden, da man den Rest ebenfalls für Glukose gehalten hatte, erklärt Bremer. „Das ist ein wahrscheinliches Szenario.“

Aber ist das einfach so möglich? Wird nicht gut genug kontrolliert beim Mischen der Arznei? Thomas Preis, Apotheker in Köln und Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, sagt : „Jeder Schritt bei der Fertigung wird protokolliert und die Gefäße sind auch beschriftet. Die Kontrollen sind engmaschig und es gibt ein Vier-Augen-Prinzip.“ Das legt zumindest die Vermutung nahe, warum der Staatsanwalt gegen zwei Mitarbeiter ermittelt: Einen, der gemischt hat. Und einen, der es kontrolliert hat. Oder es haben zwei Personen gemischt. Auf fahrlässige Tötung stehen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Entscheidung über Klage gegen die Stadt steht noch aus

Nach den Todesfällen hatte die Stadt auf Weisung der Bezirksregierung und des NRW-Gesundheitsministeriums alle drei Apotheken des Pharmazeuten Dr. Till Fuxius vorsichtshalber am 26. September geschlossen. Die Stadt selbst agierte sehr zögerlich und geriet in die Kritik, verteidigte sich aber, man habe alles richtig gemacht. Ab sofort dürfen die Apotheken öffnen – und zwar die Heilig-Geist-Apotheke, die Contzen-Apotheke in Bilderstöckchen und die Apotheke am Bilderstöckchen. Das hat die Stadt Fuxius und seinem Anwalt am Freitag um 15.30 Uhr mitgeteilt. Staatsanwalt Bremer sagt: „Es gibt keine Hinweise dafür, dass verunreinigte Glukose in anderen Apotheken des Inhabers verkauft worden ist.“ Arzneimittel dürfen die drei Filialen aber nicht herstellen, bis weitere Verunreinigungen ausgeschlossen sind. Tatsächlich öffnen die Häuser auch am heutigen Samstag wieder, der Anwalt von Fuxius teilte der Rundschau am Freitagabend mit: „Die Apotheken werden morgen wieder öffnen. Dies ist für meinen Mandanten und sein Team sehr wichtig.“

Fuxius hatte vor zwei Wochen gesagt: „Ich bin fassungslos, ich kann es mir nicht erklären.“ Er verklagte die Stadt, weil sie seine Betriebe geschlossen hatte. Eine Entscheidung darüber steht noch aus, sagte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts am Freitag. Zu einer möglichen Schadenersatzklage sagte der Anwalt: „Über alles weitere wird er sich dann bei Gelegenheit wieder Gedanken machen.“

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Nach Bekanntwerden der Todesfälle hatte sich eine weitere Schwangere gemeldet, die sich ebenfalls in der Heilig-Geist-Apotheke ein Glukose-Präparat besorgt hatte, um Schwangerschaftsdiabetes testen zu lassen. Eingenommen hatte sie das Mittel noch nicht – auch in diesem zusammengemischten Präparat war nach der Sicherstellung Lidocain nachgewiesen worden.

Zur Aufklärung des Falls hatte die Polizei 20 Beamte in einer Mordkommission zusammengezogen. „Die jetzt Beschuldigten haben in sehr umfangreichen Vernehmungen Angaben zu ihrer Tätigkeit und den Organisationsabläufen in der Apotheke gemacht“, sagte Bremer.

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