Im Januar verstarb Willbrand, seine Mitstreiterin Daria Razumovych beendete das Buch des Antiquars.
Social-Media-StarBuch von Kölner Antiquar Klaus Willbrand veröffentlicht

Daria Razumovych und Klaus Willbrand im Juni 2024 im Antiquariat im Weyertal.
Copyright: Nabil Hanano
Anfang 2024 zeigte der Kölner Antiquar Klaus Willbrand mit seinem Social Media-Durchbruch, dass Tradition manchmal neue Wege geht und Erfolgsgeschichten nicht unbedingt geplant sein müssen. Um sein schlecht besuchtes Antiquariat zu retten, veröffentlichte der damals 82-Jährige unter Anregung, Konzept und Hilfe seiner Bekannten Daria Razumovych Videos rund um das Thema Literatur auf TikTok, Instagram und YouTube. Innerhalb weniger Wochen avancierte der wohl älteste „Book-Toker„ zu einem Liebling der Szene und entfachte eine neue Form von Interesse am Buch. Über 200.000 Follower besuchten virtuell das Antiquariat von Willbrand, der umringt von seinen 25.000 Büchern über Literatur in allen Abwandlungen erzählte und dabei aus einem Wissensschatz von 60 Jahren Buchhandel und knapp 6000 gelesenen Büchern schöpfte.
Am Mittwoch erscheint nun das Buch „Einfach Literatur - Eine Einladung“, das Willbrand gemeinsam mit Razumovych vor seinem Tod im Januar schrieb. „Das Sachbuch ist ein Literaturführer, oder wie der S. Fischer Verlag es formuliert hat, ein Literatur-Verführer“, erklärt Razumovych mit einem Lachen. Das Buch setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. „Die Geschichte, wie wir uns kennengelernt und zusammengearbeitet haben, bildet den Rahmen. Im mittleren Teil erzählt Klaus von Stationen seines Lebens, dem Buchhandel und seiner Ausbildung.“ Der Großteil des Buches sei aber so aufgebaut wie die Kurzvideos auf Social Media. In Form von Buchkapiteln, wie Razumovych erklärt. „Man hat als Kapitelüberschrift immer den Autor oder die Autorin, und Klaus erzählt etwas zum Thema.„
Willbrand kannte einige Autoren persönlich
Im Fokus stehen deutsche Schriftsteller, angloamerikanische und französische. „Klaus erzählt in den Kapiteln nicht nur Wissenschaftliches zu den Werken, sondern teilweise auch Geschichten zu den Autoren, weil er manche noch persönlich gekannt hat“, so Razumovych. Dementsprechend könnte man das Buch auch antichronologisch lesen oder nach Belieben einzelne Kapitel als Inspirationsquelle für Literaturempfehlungen nutzen.
„Bedauerlicherweise hat er den Erfolg nur knapp ein Jahr mitbekommen. Die Hochphase war ein Dreivierteljahr, danach war er leider viel krank.“ Deswegen sei das Buch auch kürzer geworden als eigentlich geplant. „Im Krankenhaus hat er mir noch die Kapitel diktiert und wollte unbedingt, dass ich das Buch fertigstelle, falls er es nicht schafft“, so Razumovych. Diese Sorge hat sie ihm genommen. „Es war ohnehin so geplant, dass ich den Anfangsteil und das Ende schreibe, und so habe ich nach seinem Tod noch die fehlenden 30 Prozent des Buchs geschrieben.“
Sie ist stolz auf das fertige Werk und will sich auch um das Fortbestehen des Antiquariats kümmern. „Bevor Klaus gestorben ist, haben wir uns gemeinsam Gedanken gemacht, wie es mit seinen Büchern weitergeht. So ist in mir langsam der Wunsch gereift, sein Vermächtnis fortzuführen.“ Kurz vor seinem Tod hat sie Willbrands kompletten Buch-Bestand übernommen, will neben ihrer Selbstständigkeit den operativen Teil des Antiquariats verantworten und sich jemanden suchen, der die Kundschaft fachkundig berät. „Ich würde natürlich gerne Klaus Räumlichkeiten übernehmen, aber das steht noch nichts fest, bis die ganzen erbrechtlichen Prozesse abgeschlossen sind.“ Zwar stünden ein paar Renovierungsarbeiten an und sie wolle eine Leseecke schaffen, aber den Charme von Willbrands Antiquariat will sie nach Möglichkeit erhalten: „Der Laden soll so bleiben, wie er ist. Dort ist diese gewisse Atmosphäre. In den Räumen ist noch viel Klaus drin – in jeder Ecke sozusagen“, betont sie mit einem Lächeln.
Erfolgreicher Social-Media-Auftritt soll bleiben
Auch der Social-Media-Auftritt soll als modernes Grabmal bestehen bleiben, weil man sich die Videos weiter anschauen und sich inspirieren lassen kann. Nach Willbrands Tod sei die Followerzahl trotz ein paar Schwankungen gleichgeblieben. „Ich finde es schön, dass die Leute bleiben, obwohl die Geschichte eigentlich zu Ende ist“, so Razumovych. Sie, hofft, dass sie den Gedanken des Accounts zukünftig weiterführen kann. „Ich würde die Plattform gerne nutzen, um weiterhin kostenlos Wissen über Literatur zur Verfügung zu stellen, das klar formuliert, strukturiert und griffig ist. Vielleicht mit Kundengeschichten oder Literaturempfehlungen von Fachleuten.“

Klaus Willbrand Buch
Copyright: S.Fischer
Auch wenn das Fortbestehen des Antiquariats in seiner jetzigen Form ungewiss ist, lässt sich Razumovych nicht entmutigen. Sie hat bereits mehrere Alternativideen, um Willbrands Vermächtnis in jedem Szenario zu erhalten. „Klar wäre ich traurig, wenn das Antiquariat nicht in den Räumlichkeiten fortlebt“, so Razumovych. „Schlussendlich beruhigt mich aber zu wissen, dass es am Ende nicht der Ort ist oder das Setting. Sondern es sind die Inhalte. Es war Klaus aber auch sein großer Bestand an mühevoll über die Jahre zusammengestellten Büchern. Und diese können und werden weiter bestehen. Ob an diesem oder an einem anderen Ort.“
Klaus Willbrand, Daria Razumovych, Einfach Literatur – Eine Einladung, 224 Seiten, S. Fischer.