Es fehlen drei Millionen EuroKölner Bürgerzentren in Not – Angebote stehen auf der Kippe

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Sorge um die Zukunft: (v.l.) Jonathan Sieger (Leiter Bürgerzentrum Ehrenfeld), Bernd Neumann (Quäker), Anke Schmitz (Alte Feuerwache), Kemal Bozay (Bürgerzentrum Mülheim), Tine Pfeil (Bürgerzentrum Kalk), Bastian Revers (BZ Nippes) und Tobias Kempf (BZ Deutz).

Sorge um die Zukunft: (v.l.) Jonathan Sieger (Leiter Bürgerzentrum Ehrenfeld), Bernd Neumann (Quäker), Anke Schmitz (Alte Feuerwache), Kemal Bozay (Bürgerzentrum Mülheim), Tine Pfeil (Bürgerzentrum Kalk), Bastian Revers (BZ Nippes) und Tobias Kempf (BZ Deutz).

Wieder einmal geht es um den Erhalt und die Angebote der Kölner Bürgerzentren. Mit Beginn der Haushaltsplanberatungen in der Politik schlagen die Verantwortrlichen Alarm.

Die Reserven sind aufgebraucht. „Wir drehen jeden Cent zweimal um, jetzt sind wir an einem kritischen Punkt, Rücklagen gibt es keine mehr“, sagt Jonathan Sieger, Leiter des Bürgerzentrums Ehrenfeld. Von seinen Kolleginnen und Kollegen der anderen Bürgerzentren kommt zustimmendes Kopfnicken. Vor gut einem Jahr hatte der Hilferuf des Bürgerzentrums in der Alten Feuerwache die Politik aufgeschreckt und die Verwaltung veranlasst, eine Unternehmensberatung den Finanzbedarf der 14 Kölner Bürgerzentren zu prüfen. Das Ergebnis ist ernüchternd, denn es fehlen drei Millionen Euro.

Jedes Jahr überweist die Stadt rund 3,8 Millionen Euro als Betriebskostenzuschuss an die Bürgerzentren, in deren Räumen Sport- und Musikgruppen Platz finden, wo Geburtstage gefeiert und kleine Konzerte gespielt werden. Die Kanzlei BEBK aus Paderborn hat nach ihrer Analyse den Bedarf der Bürgerzentren nun auf 6,8 Millionen Euro beziffert. „Das Preisschild ist nun jetzt deutlich höher. Während der Pandemie hatte sich deutlich gezeigt, dass wir eine strukturelle Unterversorgung haben“, sagt Bernd Naumann, Leiter des Quäker Nachbarschaftsheims in Ehrenfeld.

Stadt zahlt Zuschuss von 3,8 Millionen Euro im Jahr

Im August soll der Haushalt für das Jahr 2025 in den Stadtrat eingebracht werden, die Haushaltsplanberatungen der Fraktionen haben bereits begonnen. Und die Unruhe im sozialen Sektor ist angesichts von allgemeinen Preissteigerungen, hoher Energiekosten und jüngster Tarifabschlüsse groß. „Der Verwaltung ist bewusst, wie wichtig die Arbeit der Bürgerzentren ist. Die Haushaltsplanung ist eine enorme Herausforderung“, sagt Claudia Düx, Abteilungsleiterin im Sozialamt, zuständig für die Bürgerzentren. Eingereicht hat sie das Ergebnis der jüngsten Analyse: 6,8 Millionen Euro für die Bürgerzentren.

Am Samstagabend haben im Ehrenfelder Bürgerzentrum Menschen jenseits der 60 getanzt und gefeiert, am Sonntagfrüh waren Obdachlose zum Frühstück geladen, anschließend kam die westafrikanische Gemeinde zum Gottesdienst zusammen. „Wir wollen unserer Angebote aufrechterhalten. Denn die Bürgerzentren sind stark verwurzelt in den Stadtteilen, hier findet Begegnung statt und die ist wichtig in einer polarisierten Welt“, mahnt Naumann. Für einige Menschen sei das Bürgerzentrum „das zweite Wohnzimmer“, meint Tine Pfeil, Leiterin des Bürgerhauses in Kalk.

Wir wollen unserer Angebote aufrechterhalten. Denn die Bürgerzentren sind stark verwurzelt in den Stadtteilen, hier findet Begegnung statt und die ist wichtig in einer polarisierten Welt
Bernd Naumann

Als die Pandemie den Alltag aushebelte und Gesichter hinter Masken verschwanden, boten einige Bürgerzentren Nachbarschaftshilfen  und Impfpatenschaften an, kurz nach Kriegsausbruch in der Ukraine gab es die ersten Willkommens-Cafés für geflüchtete Menschen. „Auch Einsamkeit bei Jugendlichen haben wir früh erkannt. Wir sind Seismografen der Stadtgesellschaft, wir spüren Verwahrlosungstendenzen und Altersarmut, ein sehr schambesetztes Thema“, sagt Tobias Kempf, Leiter des Bürgerzentrums Deutz.

Das Bürgerzentrum in Ehrenfeld erhält derzeit gut 400.000 Euro Betriebskostenzuschuss von der Stadt. „Mit unserem Personal, das wir aus diesen Mitteln bezahlen, haben wir es geschafft, darüber hinaus 1,2 Millionen Euro Zuschüsse zu generieren“, verdeutlicht Jonathan Sieger die Bedeutung ausreichender finanzieller Mittel. Ein Weitermachen wie bisher dürfe es keinesfalls geben. „Allein die Aufrechterhaltung der bisherigen Zuschüsse hätte die Schließung wichtiger Bereiche zur Folge“, warnt Bernd Naumann.

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