Passagen 2024Pixel-Polster, vollbusige Sessel und tanzende Großspiegel

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Die Installation „Too nice to hide“ in der Rufffactory.

Die Installation „Too nice to hide“ in der Rufffactory.

Design-Ausstellung „Passagen“ bietet viel Entdeckenswertes an ungewöhnlichen Orten. Ein Rundgang.

Nachhaltigkeit, Wiederverwertung und Funktionalität in ansprechender Optik sind die Themen der Interior Design Week Köln „Passagen“. An über 100 Orten wird die Stadt parallel zur Internationalen Möbel-Messe (imm) bis 18. Januar zur Bühne kreativer Wohnideen. Ein Rundgang.

Ein Forschungsprojekt zu Müllmengen und die Nachbarschaft zu einem Secondhand-Kaufhaus brachte den Innenarchitekten Oliver Schübbe auf die Idee, aus Thermoskannen originelle Leuchten und Pixel-Polster-Sessel zu fertigen. Das Kaufhaus erlaubte ihm, sich an unverkauften, entsorgten Gebrauchtwaren zu bedienen. Schübbe faszinierten vor allem die mit Silber vakuumbedampften Glaskörper im Inneren der Warmhaltekannen, die beim Materialtrennen zum Vorschein kamen. Rund 500 der Inlays sammelte er, löste den unteren Teil mit Säure ab und verwandelte die Glaskörper in Hängeleuchten. Einige Exemplare zeigt er im Atelier Colonia, Körnerstraße 35, in Ehrenfeld. Dort erwartet der Kreative Interessierte hinter einer mit Resten von Frühstücksbrettchen verkleideten Theke. Möbel aus altem Eiche-rustikal-Holz sind eine weitere Spezialität des Designers. „Kleinteiliges, was sonst verbrannt würde, verkaufe ich den Leuten über Design zurück“, erklärt Schübbe. Jeder „Pixelpolster-Sessel“ ist ein Unikat aus Resten verschiedener Stoffe, die mit ebenfalls recyceltem Schaumstoff gefüllt sind, in ebenso ansprechend modernen Farbzusammenstellungen wie die Akzente auf den geschwungenen Regale aus Plattenresten verschiedener Holzarten.

Die Hängeleuchten von Oliver Schübbe in der Körnerstraße.

Die Hängeleuchten von Oliver Schübbe in der Körnerstraße.

„Nehmen Sie gerne Platz“, lädt Tamara Zgraggen am Sessel „Fuck it“ in der Rufffactory (Eingang über den Parkplatz Netto-Markt Venloer Straße 474) ein. „Der ist sehr rückenfreundlich“, würdigten mehrere Probesitzer bereits das freche Design-Möbel. Die Sitzfläche erinnert an einen großen Po, die Lehne ist ein vollbusiger Oberkörper über Wespentaille. Bei aller Funktionalität – das Holzstecksystem und die professionelle Polsterung sind robust – ist das Möbel als gesellschaftskritischer Kommentar zur idealisierten Objektifizierung des weiblichen Körpers gedacht. Eine Facharbeit im Studium über das Lippensofa des spanischen Surrealisten Salvator Dalí inspirierte Tamara Zgraggen, sich mit dem von Kim Kardashian propagierten Schönheitsideal auseinanderzusetzen. Wobei sie die Provokation, die sich bereits im Titel des Designstücks ausdrückt, als Gestaltungsmittel nutzte.

Der Sessel „Fuck it“ von Tamara Zgraggen.

Der Sessel „Fuck it“ von Tamara Zgraggen.

Ebenfalls in der Rufffactory präsentiert das Njustudio aus Steckerleisten eine Wandinstallation. Die Kabel formen den Satz „Too nice to hide“ (Zu nett zum Verstecken). Das Studio bietet Designs unsichtbar verbaute Magnete und Aufhängungen an, damit die unentbehrlichen Steckerleisten nicht in Zimmerecken Staub fangen, sondern da zum Einsatz kommen, wo sie gebraucht werden.

„Too nice to hide“ in der Rufffactory.

„Too nice to hide“ in der Rufffactory.

Spiegel tanzen in der Kirche St. Gertrud, Krefelder Straße 57, vier verschiedene Choreografien um diejenigen, die hineinsehen. Kreateur der interaktiven Installation „Mirror Me“ ist Andreas Schimmelpfennig. Menschliche Selbstinszenierung will der Designer durch die von Roboterarmen bewegten etwa zwei mal zwei Meter großen und elfeinhalb Kilogramm schweren Spiegel drastisch sichtbar machen. Denn die Spiegel kommen denjenigen, die den Mut haben, sich dazwischen zu stellen, bedrohlich nahe, und sie kopieren Betrachter in endlose Tiefen des Raumes. Über einen QR-Code ist das Video von der eigenen einminütigen „Performance“ abrufbar.

Die interaktive Installation „Mirror Me“ von Andreas Schimmelpfennig.

Die interaktive Installation „Mirror Me“ von Andreas Schimmelpfennig.

„Nymphea“ nennt der französische Künstler Justin Morin seine Stoffinstallation aus Tüll in der Mid Street Gallery, Mittelstraße 30. Pastellfarbige Grundstoffe werden stets passend zu den Räumen, in denen sie als Vorhänge oder Raumteiler dienen, mit Mustern bedruckt. Je nach Raffung oder Lufthauch bewegen sich die Stoff-Nymphen. Auf diese Weise will das Schweizer Textillabel „ZigZagZurich“ die Schönheit und Eleganz ätherischer Naturgöttinnen in Wohn- und Arbeitsbereiche bringen.

Regal von Oliver Schübbe.

Regal von Oliver Schübbe.

Die Kölner Designerin Karoline Fesser bespielt gleich zwei Räume der Buchhandlung „Siebter Himmel“ in der Brüsseler Straße 65-67. Neben zwei Hockern aus Esche hell und Walnuss im klaren skandinavischen Design zeigt sie Keramikobjekte, von denen es zwei aufs Titelbild der Passagen-Broschüre geschafft haben, und originelle Vasen. Mundgeblasene Glaszylinder presst sie auf rauen Dolomit-Stein, bis innen die plastische Form eines Berges entsteht, dessen Höhe je nach Wasserfüllung der Vase variiert.

www.voggenreiter.com/passagen2024

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