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Zwischen Coaching und KabarettFlorian Schröders begeistert mit satirischer Rundumschlag in Köln

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In der Verführerrolle: Kabarettist Florian Schröder im Comedia Theater

In der Verführerrolle: Kabarettist Florian Schröder im Comedia Theater

„Endlich glücklich“ heißt das Programm des Kabarettisten. Darin sprach er auch über die Entwicklungen in den USA.  

Glückskekse und den Kaschmir-Imitat-Glückshoodie gab es dann doch nicht, obwohl Florian Schröder beides ankündigte und dafür am Ende seines Programms in der ausverkauften Comedia sicher Abnehmer gefunden hätte. In zwei Stunden lieferte der Satiriker unter dem Titel „Endlich glücklich“ einen „ turbo“-lenten Ritt durch alles, was einem so zum Thema Glück einfallen kann.

Vom Leben im Prenzlauer Berg, mit Vorzeigefamilie Timo, Sara, Emil und Paul und Vorzeige-Integrations-Migrant Hashim, von Heirat bis Ehegattensplitting, von besonderer Ernährung bis zu besonderen Reisen – wie beispielsweise einer Kreuzfahrt, bei der man nur glücklich ist, wenn alle von Bord sind.

Die Alltagsgeschichten rund ums Glück waren lediglich die Garnitur für das, was Schröder seit Jahren unerschrocken verfolgt: Pointierte Gesellschaftskritik und scharfzüngige Beschreibung der politischen Verhältnisse oder besser gesagt der politischen Akteure.

Alice Weidel und Andy Scheuer müssen dran glauben

Was als Persiflage auf den weit verbreiteten Coaching-Wahnsinn begann („Die einen machen ein Coaching, die anderen geben eins, oft auch gleichzeitig“) endete als bittersüße Verführungsshow mit einem fast manischen Kettensägen-Massaker, bei dem unter anderem drei Bildungsministerinnen, die niemand mehr kennt, Ex-Verkehrsminister Andy Scheuer sowie Alice Weidel und die gesamte AfD dran glauben mussten. Schröder ist dabei, dem Mantra-Drehbuch entsprechend, nur ausführendes Organ. Sein Wille, seine Verführung: Das Publikum hat es nicht anders gewollt.

Es war ja auch Coaching statt Kabarett: „Ich kann hier heute kein Kabarett machen, dazu bin ich zu glücklich!“, erklärte er grinsend, um damit einen satirischen Seitenhieb loszulassen auf die jammernden Nörgler in „Dieter-Nuhr-Haltung“. Dann doch lieber Glückslektionen: Warum sind Finnen das glücklichste Volk Europas? Sie machen ihre Steuererklärung in 15 Minuten, also in der Zeit, die wir für den Download des Elstar-Formulars benötigen.

Deutschland ist nur Mittelfeld im Weltglücksatlas. Schröders Kommentar dazu: „Platz 16 – wie beim ESC oder bei Pisa – warum sollte das beim Glück anders sein?“ Um dann weitere beklagenswerte Zustände in bemerkenswerte Zusammenhänge zu bringen: 15.000 marode Brücken und 16.000 gewaltbereite Rechtsextreme – macht pro kaputte Brücke einen kaputten Nazi.

Geschehen in den USA scheint zynischer als jeder Witz

Es war wie bei einer spannenden Streaming-Serie, in der man sich nicht traut, zur Toilette zu gehen, aus Angst, den Anschluss zu verpassen. Vom Kreuzfahrtschiff direkt mal rüber zum aktuellen Geschehen in den USA: Schroeder wird ernsthaft, es klingt nicht mehr nach Satire, sondern nach Verzweiflung.

Er zeigt anhand von Videos der Trauerfeier für Charlie Kirk, auf welchem Weg die USA sich befinden: Gnadenlose Vermarktung des „heiligen Kriegs“, Absetzung unliebsamer TV-Formate wie „Jimmy Kimmel“, Errichtung einer „monarchistisch-theokratischen Digital-Diktatur “– es erzürnt ihn, wie lasch hier darüber befunden wird. „Ich will nie wieder hören, dass es geschmacklos ist. Es ist zynischer als jeder Witz!“

Die Breitseite bekommen Politiker wie Carsten Linnemann ab. Dass der nach der Absetzung der NDR-Moderatorin Julia Ruhs – ganz nach amerikanischem Vorbild – das Einfrieren der Sendergebühren forderte, ist für Schroeder glasklar eine „Billigvariante des Trumpismus“.

Wie die Transformation vom Opfer-Ich zum Glücks-Ich gelingen kann? Schröder liefert haufenweise wunderbare Phrasen: Opfer haben Gefühle – Sieger haben Gedanken. Fürs vorläufige Glücksgefühl reicht die Show allemal – spätestens als er Lauterbach, Lanz und Co. in seiner „Parodie-Jukebox“ glänzen lässt, ist man glücklich unter Gleichen. Beim Happy End der Show hat dann Karl Lauterbach das letzte Wort: „Sterben ist Bürgerpflicht!“ Wie gut, dass es vorher noch einen Pflichttermin gibt: Am 3. Januar kommt Schröder wieder nach Köln. Mit einem satirischen Jahresrückblick.