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Klösterchen KölnNeue Station „Lebensluft“ hilft bei Entwöhnung von künstlicher Beatmung

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Bei der Einsegnung am Montag kamen alle Verantwortlichen zusammen: Chefärztin Dr. Urte Sommerwerck (vorne r.) und Pflegedienstleiterin Stephanie Armbrecht (vorne l.) zerschnitten das rote Band.

Bei der Einsegnung am Montag kamen alle Verantwortlichen zusammen: Chefärztin Dr. Urte Sommerwerck (vorne r.) und Pflegedienstleiterin Stephanie Armbrecht (vorne l.) zerschnitten das rote Band. 

Neben dem Krankenhaus Severinsklösterchen bieten nur drei weitere Einrichtungen in Deutschland das Programm an. 

„Endlich mal wieder etwas essen“, ist gerade der größte Wunsch von Patient Roland Munkel. Nach einer Operation musste der 76-Jährige monatelang über einen Schnitt in der Luftröhre künstlich beatmet werden. Über eine Magensonde bekommt er deshalb nach wie vor Flüssignahrung und seine Schluckmuskulatur ist geschwächt. Es braucht hartes Training, um wieder tun zu können, was für andere selbstverständlich ist. Doch auf einen riesigen Erfolg blickt der Kölner bereits zurück: Das Beatmungsgerät braucht er nicht mehr. Zu verdanken hat er das auch dem Team der neuen „Lebensluft“-Station im Cellitinnen-Severinsklösterchen Krankenhaus, die am 15. September ihre Türen öffnete.

„Lebensluft“ ist ein spezielles Programm zur Entwöhnung von künstlicher Beatmung, das deutschlandweit von nur vier Stationen praktiziert wird. Entwickelt wurde es 2016 von der AOK Rheinland/Hamburg und dem Helios Klinikum in Krefeld. 30.000 Menschen in Deutschland sind laut der AOK außerklinisch auf ein Beatmungsgerät angewiesen. Sie müssen zu Hause intensiv von Pflegekräften betreut werden oder leben und Beatmungspflegeheimen. Und das, obwohl es Chancen auf ein weitgehend eigenständiges Leben für sie gibt. 

„Unsere Patienten werden immer älter. Sie haben öfter komplexe Erkranken und brauchen entsprechend komplexe Operationen, nach denen sie beatmet werden müssen“, erklärt Dr. Urte Sommerwerck. „Schon nach rund vier Tagen wird die Atemmuskulatur schwächer.“ Sie ist Chefärztin der Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin – und hat sich intensiv dafür eingesetzt, dass „Lebensluft“ nach Köln kommt. „Der Bedarf für diese Versorgungsform ist groß.“

Die Zimmer sollen so wenig wie möglich an ein Krankenhaus erinnern.

Die Zimmer sollen so wenig wie möglich an ein Krankenhaus erinnern.

Die neue Station ist nicht das einzige Entwöhnungsangebot im Klösterchen: Dr. Sommerwerck leitet dort das „Weaning-Zentrum“, also eine spezialisierte Intensivstation. Dort können die Betroffenen jedoch nur rund drei Wochen bleiben, erklärt die Ärztin. Für Personen, die aufgrund komplexer Erkrankung länger für die Entwöhnung brauchen, gibt es nun zusätzlich die „Lebensluft“-Station. Das schließe eine Lücke zwischen „Weaning-Zentrum“ und außerklinischer Beatmung.

Lebensluft mit vielfältigem Programm

Im Klösterchen hat die „Lebensluft“-Station sechs Einzelzimmer, zukünftig wolle man die Plätze nach Möglichkeit aufstocken. Ein Team aus den Bereichen Medizin, Pflege und Therapie tut sich dort zusammen, um den Patientinnen und Patienten ein vielfältiges Programm zu bieten. Roland Munkel erwartet an einem üblichen Tag neben der Visite auch jeweils zweimal Schluck-, Sprach-, Atem- und Lauf-Therapie. Zusätzlich gibt es Gruppenangebote, wie Spaziergänge im Park oder auf der Severinstraße, Sport oder Bastelaktionen. 

Statt Krankenhaus-Flair herrscht in den frisch renovierten Räumlichkeiten gemütliche Stimmung: heller Holzboden, Wände in Pastellfarben, Fotografien an den Wänden, geräumige Badezimmer – auch Stationshunde wuseln umher. Finanziert hat den Umbau der ehemaligen Infektiologie die Stiftung der Cellitinnen, ein Aufenthaltsraum kam durch Mittel des Fördervereines des Severinsklösterchens zustande.

Für die Therapie-Angebote gibt es Platz und Geräte.

Für die Therapie-Angebote gibt es Platz und Geräte.

Patienten sollen hier wieder das Gefühl bekommen, ein Teil der Gesellschaft zu sein, erklärt Stephanie Armbrecht, Pflegedienstleiterin der Cellitinnen-Beatmungspflegeeinrichtung St. Severinus, aus dem das Pflegepersonal der „Lebensluft“-Station stammt. Die Psyche spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Entwöhnung. Viele hätten Angst nach langer Zeit wieder selbstständig zu atmen oder schämen sich wegen ihrer besonderen Bedürfnisse. „Der Menschen braucht einfach Zeit“, bringt Armbrecht es auf den Punkt.

Die AOK hat mit der Lebensluft-Station einen Selektivvertrag. Für den Aufenthalt seiner Kundinnen und Kunden übernimmt der Versicherer also grundsätzlich die Kosten. Wer anderswo versichert ist, muss erst gesondert bei seiner Krankenkasse anfragen. 

67 Prozent der Patientinnen und Patienten, die bisher an „Lebensluft“ teilgenommen haben, konnten erfolgreich von der Langzeitbeatmung entwöhnt werden, freut sich Matthias Mohrmann, stellv. Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Ziel sei es deshalb, das Projekt in ganz Deutschland anzusiedeln. Die vier bestehenden Stationen nennt er „Pioniere, die ein Beispiel für den Gesetzgeber sein können, das Projekt flächendeckend einzurichten“.