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Vintage-Boutique in Kölner Südstadt„So etwas gibt es in New York nicht“

Lesezeit 3 Minuten
Inga Weishaupt, Angelika Stöckle und Tina Weishaupt (v.l.) schauen lächelnd durch das dekorierte Schaufenster von "Zeitschätze".

Inga Weishaupt, Angelika Stöckle und Tina Weishaupt (v.l.) schauen durch das Schaufenster, das die Ladeninhaberin jede Woche neu dekoriert.

Der Laden „ Zeitschätze“  bietet Mode aus zweiter Hand auch von den großen Designern: Ein Paradies für Modeverrückte in Köln.

„Thrift-Shopping ist ein Trend in New York“, sagt Inga Weishaupt. Die 15-Jährige meint damit die Suche nach besonderer Second-Hand-Mode. Ihr Hobby „Fashion“ teilt Inga mit ihrer Mutter Tina. Wenn beide zuhause in New York auf Mode-Jagd gehen, müssen sie sich meist durch Berge von Kleidung in riesigen Hallen wühlen. Etwas, das bei Angelika Stöckle in der Teutoburger Straße in der Südstadt undenkbar wäre. Hier im Vintage-Laden „Zeitschätze“ ist liebevoll dekoriert. Präsentiert werden nur ausgesuchte Stücke.

„Angelika hat ein Händchen und den richtigen Blick für besondere Sachen“, sagt Tina Weishaupt. Sie weiß das genau. Schließlich hat sie in ihrer Studienzeit bei Stöckle gejobbt. „Sieben Jahre lang habe ich bei ihr gearbeitet um mein BWL-Studium zu finanzieren“, erzählt Tina Weishaupt. Das war in den 1980er Jahren. Damals noch in Sülz und unter dem Namen „Nonstop Second Hand“.

Gut 40 Jahre später ist die ehemalige BWL-Studentin Mutter von drei fast erwachsenen Kindern, lebt seit 15 Jahren in New York − und ist immer noch ein kleines bisschen fassungslos über die aktuelle Entwicklung: „Meine 15-jährige Tochter hat es in meine eigene Vergangenheit nach Köln verschlagen.“

Auch Stücke großer Designer gibt es dem Kölner Second-Hand-Laden

Inga macht ihr Schulpraktikum bei „Zeitschätze“. Am ersten Tag schon hat sie sämtliche Stücke im Laden ausgekundschaftet. „Da gab es ein Ensemble von Ossi Clark!“ Die Modebegeisterte kann es kaum fassen, dass sie in Köln ein Teil des britischen Designstars der „Swinging Sixties“ gefunden hat. „In Los Angeles hängt so ein Teil im Museum“, ergänzt ihre Mutter.

„Gutes Design und echte Qualität sind zeitlos“, betont Tina Weishaupt. „Ich habe immer noch all die Teile, die ich als Studentin bei Angelika Stöckle gekauft habe.“ Von der habe sie auch gelernt, Qualität zu erkennen. „Dafür muss man mit den Händen schauen. Also anfassen und spüren. Fähnchenalarm wollen wir nicht“, erklärt Tina Weishaupt.

Erste Schätze hat auch Tochter Inga schon gefunden - und sicherheitshalber aus der Auslage in ein Hinterzimmer geschafft. Darunter: ein Christian-Dior-Unterkleid aus den 1930er Jahren und ein Burberry-Trenchcoat.

Es kommen alle Altersgruppen.
Angelika Stöckle, Besitzerin von "Zeitschätze"

In der Vintage-Boutique „Zeitschätze“ ist ordentlich Betrieb. Hier tummeln sich nicht nur hippe Leute aus dem Viertel, sondern auch Stars und Sternchen aus Film und TV, die auf der Suche nach etwas Besonderem den Laden mit einem Hauch von Einzigartigkeit verlassen. Für Kostüme für Verfilmungen stöbern Ausstatter gerne hier.

„Krimidinner oder Mottoparties sind auch sehr angesagt. Ich habe in der letzten Zeit viele neue Kunden gewonnen“, sagt Angelika Stöckle. „Es kommen alle Altersgruppen. Auch Teenager, die ihr Erspartes zusammengekratzt haben und ihrer Mutter eine Seidenblume für 4,50 Euro kaufen.“

Eine Absage an Fast-Fashion und Mode-Ketten

Das ist eine schöne Entwicklung. Denn hinter der Vintage-Fachfrau liegen auch magere Jahre. „Die 80er Jahre liefen super. Das war die beste Zeit. Dann kam H & M ...“, sagt Stöckle. Die „gute alte Zeit“ beschwört auch Tina Weishaupt wieder herauf. Es habe sich so vieles verändert in Köln. „Die Veränderung in der Stadt ist so traurig“, sagt sie. Ihr fehlen die vielen Einzelhändler, die es früher noch gab. „So viele Läden stehen leer. In mir laufen die Bilder von damals wie ein Film ab“, sagt Weishaupt.

Doch bei allem Bedauern sieht sie auch Positives. „Es rührt mich, zu sehen, dass die jetzige Generation trotz ihrer schnelllebigen Art doch zu verstehen scheint, dass das Alte gar nicht so schlecht war und, dass man, wenn man etwas verändern will, nicht immer nur das Neueste haben muss“, sagt Tina Weishaupt.

Ihre Tochter berät währenddessen einen Mann, der einen bunten Rock mit derben Boots und einer schwarzen Funktionsweste mit vielen Taschen kombiniert hat. Der Mann entscheidet sich für eine edle Anzugsweste und eine Krawatte, auf der Mickey Mouse abgebildet ist.

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