Thomas Thalau ist neuer Chef der AWB – Ein Gespräch über Rheinboulevard, Papageien und Aggressionen.
Im InterviewDas sagt Kölns AWB-Chef zur Vermüllung, Sittichen und dem Karneval in Köln

Thomas Thalau ist seit 1. Januar neues Mitglied der Geschäftsführung der Abfallwirtschaftsbetriebe Köln (AWB).
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Thomas Thalau schaut mit einem Strahlen auf das Altstadtpanorama Kölns: „Das ist ein Blick zum Verlieben.“ Seit Anfang des Jahres ist er der neue Chef der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB). Auf einem Spaziergang vom Rheinboulevard über die Hohenzollernbrücke hin zum Dom sprach Ingo Schmitz mit ihm über die Herausforderungen seines Jobs.
Köln ist für Sie nicht Neuland?
Als ich anfing, mich für Fußball zu interessieren, wurde der Effzeh mein Verein. Das war Mitte der 80er Jahre. Ich habe in Köln studiert. Nein, Köln ist mir nicht fremd. Wann immer ich über die A4 nach Köln fuhr und der Dom kam in den Blick, war es wie nach Hause kommen.
Kölner Lebensgefühl also. Für dieses Thema stehen wir schon an der richtigen Stelle. Hier am Rheinboulevard blüht dieses Lebensgefühl zum Frühjahr immer mächtig auf. Mit allen Begleiterscheinungen. Eine Herausforderung?
Wenn hier das Leben aufblüht, ist das ja eigentlich eine Auszeichnung für die Stadt. Aber da wo Leben ist, da bleibt halt auch gerne Müll zurück. Der Boulevard ist attraktiv gestaltet, mit Terrassentreppen, verschiedensten Materialien – und eben das ist für uns die Herausforderung. Wir haben hier die Stufen, die hellen Steine, Fugen... Da können wir nicht mit schwerem Gerät oder Hochdruckreinigern arbeiten.
Vermüllung des öffentlichen Raums kostet die Stadt Köln viel Geld
Wie oft muss denn hier gereinigt werden?
In zwei Schichten am Tag, morgens und abends.
Und damit haben Sie den Boulevard im Griff?
Stadtreinigung hat man nie 100-prozentig im Griff (lacht). Aber wir tun alles dafür, dass der Rheinboulevard ansprechend bleibt.
Wir erleben auf der einen Seite eine heranwachsende Generation, die sich für Umweltbelange starkmacht, aber nach heißen Wochenenden sehen wir auch Berge von Müll, der in den Grünanlagen zurückbleibt. Wie groß ist das Problem wilder Müll für die AWB?
Die Vermüllung des öffentlichen Raums kostet die Stadt Köln zurzeit zusätzliche 13 Millionen Euro im Jahr. Darunter fällt nicht nur der wilde Müll in den Grünanlagen, sondern beispielsweise auch das, was mit einem Schild „zu verschenken“ vor die Haustür gestellt und von keinem mitgenommen wird.
Können Sie beim Müll „zum Verschenken“ nicht einfach den Verursacher in die Pflicht nehmen? Der dürfte sich doch in der Regel direkt in der Nähe befinden.
Wir hatten in Köln Mülldetektive im Einsatz. Aber es gibt rechtlich hohe Hürden beim Auffinden des Verursachers. Da reicht es nicht, dass sie einen Briefumschlag mit Adresse finden. Rechtlich ist immer der verantwortlich, auf dessen Grund und Boden der Müll liegt. Im öffentlichen Raum ist das die Stadt.
Karneval als große Herausforderung
Und bleibt dann doch mal Dreck zurück, heißt es, da hat die AWB wieder nicht sauber gemacht. Ist es noch schwieriger, das eigene Image aufzupolieren, als eine Stadt sauber zu halten?
Tatsächlich habe ich Köln festgestellt, dass unsere Arbeit sehr wertgeschätzt wird. Das merkt man besonders zu Karneval. Die Tollen Tage sind zwar für uns eine echte Herausforderung, aber gerade da bekommen wir viel zurück. Und im besten Fall entsteht daraus eine Wechselwirkung. Wer unsere Arbeit anerkennt, für den bekommt das Thema Sauberkeit in der Stadt auch ein größeres Gewicht.
Dann haben Sie ja eigentlich einen bequemen Job: Die AWB wird geliebt und mehr als Besen und Müllwagen braucht es nicht dafür.
Genau so ist es (lacht). Nein, wir befinden uns schon in einem extremen Wandel. Wir stehen vor so einigen Herausforderungen. Nehmen sie alleine mal das Thema des Fachkräftemangels am Beispiel von Fahrerinnen und Fahrern. Es wird zunehmend schwieriger, qualifiziertes Personal zu bekommen – nicht nur dort, sondern in nahezu allen unseren Arbeitsbereichen.
Was machen sie dagegen?
Wir starten Kampagnen, sind auf Messen unterwegs. Für 2024 haben wir über alle Bereiche hinweg 57 Ausbildungsstellen vorgesehen. Wir haben eine eigene Fahrschule, in der wir Mitarbeiter qualifizieren. Wir lassen sogar mittlerweile Mitarbeitenden zu Fahrlehrerinnen und Fahrlehrern ausbilden.
Sittiche am Rhein sind ein Problem
Ein Thema, für das Sie nicht ganz so geliebt werden: Müllgebühren. Land auf, Land ab stöhnen alle Betriebe unter Teuerungsraten. Das trifft auch die AWB. Zwar entscheidet der Stadtrat letztlich über die Gebührenhöhe, hört dabei aber auf Ihre Bedürfnisse. Müssen Sie an der Gebührenschraube drehen?
Das ist noch offen. Für das Jahr 2024 sind wir hoffnungsvoll, den Anteil der AWB an den Gebühren stabil halten zu können. Die Kostensteigerungen und die Tariferhöhung wollen wird durch ein gutes Kostenmanagement kompensieren.
Jetzt gehen wir auf die Rheinpromenade zu. Besonders an regnerischen Tagen bildete sich hier durch die Hinterlassenschaft der „zugezogenen“ Halsbandsittiche ein schmieriger Film. Fußgänger und Radfahrer kommen ins Rutschen. Der Ruf nach der AWB wurde laut. Sind Sie in der Lage, schnell auf solche Ausnahmesituationen zu reagieren?
Das sind die Herausforderungen, die eine Mediterranisierung mit sich bringt. Dazu gehören zu langen Abenden auf dem Rheinboulevard eben auch die Sittiche. Denen gehen wir mit intensiver Nassreinigung hinterher. Problematisch wird das im Winter. Da müssen wir abwägen zwischen einem schmierigen Film durch den Kot der Sittiche oder Glatteisgefahr durch die Nassreinigung der AWB.

Ein Halsbandsittich in Köln.
Copyright: Benjamin Horn
Auch das klingt nach einer Herausforderung. Apropos, wir kommen zum Dom. Sauberkeit rund um das Weltkulturerbe – seit Jahrzehnten ein Thema in dieser Stadt. Ein besonders schwieriges Arbeitsfeld für Sie?
Es ist vor allem ein dauerhaftes Arbeitsfeld. Rund um den Dom sind wir an Wochentagen in Früh- und Spätschicht und an Wochenenden zudem auch in Nachtschicht unterwegs. In der Woche kommen wir so auf 16 Schichten. Dazu ist rund um den Dom Augenmaß gefordert. Zigtausende von Menschen sind hier unterwegs, da können wir nicht immer einfach den Hochdruckreiniger einschalten.
Begegnen wir den Menschen mit Freundlichkeit, kommt in der Regel auch Freundlichkeit zurück.
Gerade schauen wir in einen Tunnel, der ist berühmt-berüchtigt: Der Johannestunnel. Dunkel und Unterschlupf für viele Obdachlose. Müll und menschliche Hinterlassenschaften prägen Bild und Geruch in diesem Tunnel. Wie gehen Ihre Mitarbeiter beim Reinigen dieses schweren sozialen Umfeldes vor?
Offen gesagt, ist das für unsere Mitarbeiter keine einfache Situation. Wir sehen das Leid, sehen die Not – und dennoch müssen wir für Sauberkeit Sorgen. Dennoch, einem Obdachlosen die Matratze wegzunehmen oder ihn zu vertreiben, das wollen wir unseren Mitarbeitern nicht abverlangen. Dort arbeiten wir eng mit dem Ordnungsamt zusammen. Generell machen unsere Mitarbeiter auch im Johannistunnel aber die Erfahrung: Begegnen wir den Menschen mit Freundlichkeit, kommt in der Regel auch Freundlichkeit zurück.
Das klingt jetzt aber sehr nach Harmonie. Sehen sich nicht auch Ihre Mitarbeiter – wie auch Ordnungs- und Rettungskräfte – einer zunehmenden Aggression gegenüber?
Doch, wir merken, dass der Umgangston allgemein rauer wird. Es gibt mehr Respektlosigkeit. Im Domumfeld erleben wir das speziell bei den Bodenkünstlern. Wenn wir die Kreidezeichnungen weg machen müssen – klar, das hat Konfliktpotenzial. Früher wurde vielleicht mal gehupt, wenn der Müllwagen kurzfristig im Weg ist. Heute wird auch schon mal ausgestiegen, werden unsere Mitarbeiter verbal angegangen.
