Offener Brief an RekerIG Neumarkt entsetzt über Zustände auf dem Platz - „an jeder Ecke wird gedealt“

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Drogenkonsumenten halten sich häufig an der Ostseite des Neumarkts auf.

Drogenkonsumenten halten sich häufig an der Ostseite des Neumarkts auf.

Überall liege Müll und Dreck herum, beklagt die Interessensgemeinschaft. Niemand unternehme etwas dagegen, so die Kritik.

Die Interessengemeinschaft (IG) Neumarkt e. V. schlägt Alarm. Die Situation auf dem Platz sei „nach wie vor unerträglich und abschreckend“, schreibt die IG in einem Offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Stadtdirektorin Andrea Blome. Nach einem „kurzfristigen Durchatmen mit dem Kultursommer auf dem Neumarkt“ herrschten dort inzwischen wieder schlimme Zustände, beklagen die Anwohner und Geschäftsleute, die sich in dem Verein engagieren mit dem Ziel, den Neumarkt sicherer, sauberer, attraktiver und lebenswerter zu machen.

„Nahezu überall sitzen Abhängige und konsumieren Drogen. An jeder Ecke wird unverhohlen gedealt. Der östliche Neumarkt, die HUGO-Passage und der Josef-Haubrich-Hof zusammen gleichen dem reinsten Freilicht-Drogenkonsumraum“, betont IG-Sprecher Guido Köhler. Überall liege Müll und Dreck herum.

Beispiel für einen möglichen Gastro-Container auf dem Neumarkt.

Ein Beispiel für einen möglichen Gastro-Container auf dem Neumarkt.

Die neuen Hilfsangebote am Platz wie der städtische Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt „scheinen nicht nachhaltig zu greifen“, heißt es in dem Offenen Brief. „Oder es sind es einfach immer mehr Abhängige, die kommen? Eines steht fest, so geht es nicht weiter! Das Sicherheitsgefühl ist für viele am Boden. Viele meiden das Neumarktgebiet soweit es irgendwie möglich ist.“

Drei besondere Ärgernisse am Neumarkt

Es seien vor allem drei Dinge, über die sich die IG Neumarkt ärgere, erläutert Köhler. „Erstens unternimmt niemand wirklich etwas gegen den wachsenden Drogenhandel und Drogenkonsum am Neumarkt.“ Mit ihrem Drogenkonsumraum habe die Stadt die sichtbare Drogenszene von der Straße holen wollen, „aber das passiert augenscheinlich nicht“, so Köhler. Eine Studie der katholischen Hochschule NRW habe ergeben, dass viele Abhängige nichts von dem Konsumraum im Gesundheitsamt wüssten. „Wo sind denn die versprochenen Sozialarbeiter?“ Laut der Studie werde am Neumarkt zunehmend Crack geraucht, die Droge führe zu erhöhter Aggressivität unter den Konsumenten.

Zweiter Kritikpunkt der IG: Die Stadtverwaltung habe den Verein in den letzten anderthalb Jahren praktisch ignoriert. Und das, obwohl der Verwaltungsausschuss des Stadtrats am 4. April 2022 beschlossen hatte, die Verwaltung solle Pläne für eine Nutzung des Neumarkts entwickeln und daran die IG Neumarkt und die „Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt“ beteiligen. Davon merke man aber nichts, so Köhler.

Auf eigene Initiative hatte die IG der Stadt Konzeptvorschläge gemacht und ehrenamtliches Engagement zur Unterstützung der Planungen angeboten. Auf Nachfrage habe die Stadt nur „Statusmitteilungen mit teils vagen Formulierungen“ geliefert, heißt es in dem Brief.

Der dritte ärgerliche Punkt aus Sicht des Vereins: Die IG hatte der Stadt angeboten, die Situation auf der Ostseite des Neumarkts durch eine „kostenfreie, optisch ansprechende öffentliche Toilettenanlage“ zu verbessern. Diese solle ganzjährig zur Verfügung stehen, permanent von Sicherheitspersonal bewacht und mehrmals täglich gereinigt werden.

Gastro-Angebot von der Stadt abgelehnt

Um das zu finanzieren, wollte die IG ein gastronomisches Angebot schaffen und dafür einen Container auf der Ostseite des Platzes aufstellen. Die Stadt hätte das kaum etwas gekostet, der IG schwebte lediglich eine Beteiligung an den Strom- und Wasserkosten vor. Trotzdem lehnte die Stadt ab.

Zur Belebung des mehr als 8600 Quadratmeter großen, verkehrsumtosten Neumarkts lässt die Stadt dort derzeit einen neuen Brunnen bauen. Nach dessen Fertigstellung 2024 wolle die Stadt offenbar auf der Westseite in Richtung St. Aposteln ein Gastronomie- und Toilettenangebot schaffen, so die IG. Der Bedarf sei auf der hochfrequentierten Ostseite mit Anschluss an die U-Bahn-Passage und die Shoppingmeile Schildergasse aber viel höher. Dennoch habe die Stadt das Angebot der IG abgelehnt. Begründung: Der ganzjährige Betrieb eines Gastrocontainers sei wegen der Veranstaltungen auf dem Neumarkt wie Weihnachtsmarkt und Karneval nicht möglich.

Wer das angesichts der riesigen Platzfläche für einen schlechten Scherz hält, wird enttäuscht. Auf Anfrage der Rundschau erklärte die Stadt: „Das Angebot der IG Neumarkt beinhaltete eine ganzjährige, durchgehende und uneingeschränkte Nutzung der Gastronomie auf dem Neumarkt. Aufgrund der zahlreichen Veranstaltungen sowie bereits bestehenden Verpflichtungen ist diese Bedingung nicht genehmigungsfähig.“

Immerhin hat die Stadtverwaltung von dem Offenen Brief Notiz genommen. Das Büro von Stadtdirektorin Blome habe sich gemeldet und einen Gesprächstermin angeboten, sagte Köhler.

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