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PilotprojektWie die Stadt Köln ihre Luft mit einer Textilfassade reinigt

3 min
Die luftfilternden Textilfassade am VHS-Gebäude in der Kölner Innenstadt.

Die luftfilternden Textilfassade am VHS-Gebäude in der Kölner Innenstadt.

Eine innovative Textilfassade aus recycelten PET-Flaschen verwandelt das Studienhaus der Volkshochschule in einen gigantischen Luftfilter. Die 400.000-Euro-Innovation könnte zum Vorbild für weitere Projekte werden.

Ein Windzug zieht durch die weiß-graue Fassade am Studienhaus der Volkshochschule. Dabei trifft die Luft auf die beschichtete Oberfläche und ist auf der anderen Seite weniger mit Stickoxiden belastet, als noch Millisekunden zuvor. Das ist die Idee der luftreinigenden Textilfassade, die seit April 2024 am Studienhaus der Volkshochschule angebracht ist. Wie gut dieser Luftfilter funktioniert, stellten die Verantwortlichen des Projekts rund um Entwickler Dr. Jan Serode nun vor.

Textilfassade in Köln: „Über den Erwartungen“

„Die Messwerte an der Kölner Fassade liegen bereits deutlich über unseren Erwartungen“, zieht Serode ein erstes Fazit. Dabei wählten der Forscher und seine Projektpartner mit der Nordwand des Studienhauses ausgerechnet den Weg des größten Widerstandes. Denn: Ein nach Norden ausgerichtete Wand bekommt immer die niedrigste Sonneneinstrahlung ab. Doch der Standort sollte bewusst die Bedingungen von hohem Verkehrsaufkommen und einer Art urbaner Schlucht-Situation mit hoher Bebauung auf beiden Straßenseiten erfüllen. Die Lage an der Cäcilienstraße erfüllte beides, aber eben nur an der Nordwand.

Die Protagonisten stellen die ersten Ergebnisse der luftreinigenden Textilfassade am VHS Gebäude vor: Dr. Jan Serode (Entwickler), Rando Aust (Stiftung Lebendige Stadt), Petra Rinnenburger (technische Leiterin der Gebäudewirtschaft), Henning Kühn (Schüco)

Die Protagonisten stellen die ersten Ergebnisse der luftreinigenden Textilfassade am VHS Gebäude vor: Dr. Jan Serode (Entwickler), Rando Aust (Stiftung Lebendige Stadt), Petra Rinnenburger (technische Leiterin der Gebäudewirtschaft), Henning Kühn (Schüco)

Dennoch sind Serode, Rando Aust von der Stiftung „Lebendige Stadt“, die technische Betriebsleiterin der Kölner Gebäudewirtschaft, Petra Rinneburger und Henning Kühn von der Firma Schüco mit dem Zwischenergebnis zufrieden. Die Fassade erreiche eine Filterleistung von rund 30 Prozent, auf Basis gemittelter Monatswerte. „Das Messergebnis ist wirklich richtig gut. Die Spitzenwerte liegen sogar über 30 Prozent“, erklärt Rando Aust.

Das bedeutet: Die Luft ist mit weniger Stickstoff belastet, nachdem sie die beschichtete Textilfassade durchquert hat. Grund dafür ist die Photokatalyse: Die Stickoxide bleiben bei Sonneneinstrahlung an einer Beschichtung aus Nano-Titanoxid hängen. Später spült der Regen sie dann als „unschädliche Salze“ ab, wie Serode erklärt. Neben dem Effekt der sauberen Luft hat das Projektteam auch an der Gebäudehülle hinter der Fassade einen Effekt nachgewiesen. Die Waschbeton-Fassade wird passiv gekühlt, dadurch speichert sie weniger Hitze. Auf diese Weise soll die Textilfassade eines Tages sogenannte urbane Hitzeinseln vermeiden.

Nur wenige Sonnenstunden

Dabei hat die Nordwand nur im Sommer mehrere Stunden Sonnen bekommen, im Herbst und im Frühjahr waren es nur elf bis zwölf Minuten. Serode berechnet, dass eine Südwand zehn Monate lang deutlich mehr Sonneneinstrahlung erhält als eine Nordfassade, dementsprechend höher könne der Filtereffekt werden.

Die Fassade ist bereits die zweite Variante. Wie berichtet, ist sie im vergangenen September durch eine überarbeitete Version ausgetauscht worden. „Die damalige Fassade ist nicht richtig aktiviert worden. Eigentlich kommt sie durch Regen und Sonneneinstrahlung automatisch in Gang, aber das hat sehr lang gedauert“, erklärt Aust.

Deswegen gab es eine neue 320 Quadratmeter große Fassade, erneut hergestellt aus 4400 recycleten PET-Flaschen. Die Kosten für die Fassade (je rund 50.000 Euro) und die Installation an der Wand samt Halterung (rund 200.000 Euro) trug Schüco. Die Stiftung „Lebendige Stadt“ übernahm die Kosten für das Forscherteam aus Serode und dem Forschungszentrum Jülich (rund 100.000 Euro). Drei Forschende waren durchgehend an dem Projekt beteiligt.

Textilfassade in Köln: Potenzial für Folgeprojekt

Ein Endergebnis wollen die Verantwortlichen nach Ende des Messzeitraums am 31. Dezember präsentieren. „Die bisherigen Ergebnisse bestärken uns darin, diesen Weg weiter fortzusetzen, um nachhaltige Veränderungen zu erzielen“, erklärt Petra Rinnenburger. Sie träumt bereits davon, die Fassade mit einer begrünten Fassade zu kombinieren, um einen Kreislauf zu schaffen. Die „unschädlichen Salze“ könnten als Dünger für die Pflanzen eingesetzt werden.