Vor 1000 Jahren wurde auf dem Neumarkt Schlachtvieh, Holz und Getreide verkauft. Das immer noch sehr gut erhaltene mittelalterliche Marktpflaster entdeckten Archäologen jetzt am Rande von Bauarbeiten.
Kölner NeumarktArchäologen finden 1000 Jahre alte Marktfläche

Knochen, Münzen, Keramikscherben und viele Hufeisen des mittelalterlichen Marktes werden bei Brunnenarbeiten auf dem Neumarkt gefunden.
Copyright: Meike Böschemeyer
Der Brunnenbau am Neumarkt beschert den Archäologen weitere Funde: In anderthalb Metern Tiefe wurde nun ein 1000 Jahre altes Marktpflaster gefunden. „Dieser Markt ist der erste Neumarkt“, sagt Professor Dr. Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums. Das Besondere an dem mittelalterlichen Pflaster: Es ist nahezu perfekt erhalten.
Mitte Mai wurde bei den Bauarbeiten auf dem Neumarkt bereits ein gut erhaltenes Basaltpflaster aus dem 14. bis 16. Jahrhundert freigelegt, das diagonal über den Platz verläuft. Noch mal rund 80 Zentimeter und mehrere Erdschichten tiefer, befindet sich die mittelalterliche Marktfläche aus Rheinkies, römischen Ziegeln und anderem Gestein.

Bei einem Pressetermin auf dem Neumarkt erläutern Prof. Dr. Marcus Trier (M.), Direktor des Römisch-Germanischen Museums, Dr. Thomas Höltken (l.), Mittelalter-Archäologe im Römisch-Germanischen Museum, und Ulrich Karas, örtlicher Grabungsleiter, die Bedeutung der Funde und das weitere Vorgehen.
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„1076 wird der Neumarkt das erste Mal in einer Schriftquelle erwähnt, vieles deutet aber darauf hin, dass er schon früher entstanden ist“, erklärt Trier. Wahrscheinlich ist, dass er auf Anweisung des Erzbischof Pilgrim angelegt wurde, der von 1021 bis 1036 in Köln wirkte. Gebaut wurde die Fläche auf den Ruinen römischer Wohnhäuser. Obwohl dieser Teil der Stadt noch innerhalb der Stadtmauer liege, die kurz vor St. Aposteln verlief, sei die Fläche damals Brachland gewesen, so Trier. Dicht besiedelt sei nur der Teil zwischen Hohe Straße und Rhein. „Pilgrim wollte diesen Teil Kölns mit einem neuen Markt revitalisieren“, sagt Dr. Thomas Höltken, Mittelalter-Archäologe im Römisch-Germanischen Museum und Experte für mittelalterliche Märkte in Köln. Verkauft wurden dort Schlachtvieh, Holz und Getreide.
Ein besonderer Fund inmitten von Könl
Für die Archäologen ist die Freilegung der sieben mal neun Meter großen Fläche ein besonderer Fund. „Wir haben schon damit gerechnet, hier etwas zu finden, aber nicht damit, dass die Fläche so gut erhalten ist“, so Höltken. Das liege wahrscheinlich daran, dass sie sich in der Platzmitte befindet. Die Verkaufsstände seien meistens am Rand aufgebaut worden. Zu sehen bekommen Archäologen dies zum allerersten Mal: Als die U-Bahn in den 60er Jahren am Neumarkt gebaut wurde, habe man auf eine Dokumentation keinen Wert gelegt.

Elf Hufeisen wurden bei den Ausgrabungen auf dem Neumarkt gefunden.
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Das hat sich verändert: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege legten die Marktfläche innerhalb von 20 Tagen frei, und sammeln und dokumentieren nun Fundstücke, die Aufschluss über die Geschichte des Neumarkts preisgeben sollen. In den Schichten über der Marktfläche wurde kistenweise Keramik aus dem 14. und 15. Jahrhundert gefunden, außerdem Knochen von Schweinen, Rindern, Schafen oder Fischen. Münzfunde seien dagegen eher selten: Diese wurden gerade auf Märkten von Bettlern schnell vom Boden aufgelesen.
Gefunden haben die Archäologen auch elf Hufeisen. Im Vergleich zu den heutigen Hufeisen waren diese kleiner und breiter, manchmal seien auch Esel mit Hufen beschlagen worden. „Der Fund von Hufeisen ist erst mal nicht außergewöhnlich, aber dass wir gleich elf Stück gefunden haben, deutet darauf hin, dass hier auch ein Pferde- und Eselmarkt war“, so Höltken. Außerdem habe es auf dem Platz auch Festivitäten und Reitturniere gegeben. „1179 hat es hier Ritterspiele mit 480 Adeligen gegeben, da hat sicher das ein oder andere Pferd ein Hufeisen verloren.“ Dass diese nicht vorher gefunden und zu Geld gemacht wurden - woher der Glaube stammt, dass Hufeisen Glück bringen - liegt wohl daran, dass einige im Matsch steckenblieben und versanken.
Historische Marktfläche bleibt nicht erhalten
Unter der mittelalterlichen Marktfläche ist teilweise schon zu sehen, auf welche Epoche sich die Archäologen in den kommenden Wochen konzentrieren werden. „Vorher standen dort hochwertige römische Gebäude, manche sogar mit Wasseranschlüssen und Fußbodenheizung“, erklärt Marcus Trier. Ulrich Karas, örtlicher Grabungsleiter, kann bereits erste römische Fundstücke zeigen, etwa bemalte Wandkacheln mit bunten Punkten.
In etwas mehr als einem Monat sollen die Arbeiten vor Ort abgeschlossen sein, dann geht an der Grabungsstelle der Brunnenbau weiter. Erhalten bleibt die aktuell sichtbare historische Marktfläche nicht. „Dokumentierte Zerstörung“ nennt Trier es, ein ganz normaler Vorgang bei Ausgrabungen. Die Funde werden von den Archäologen bis dahin genau dokumentiert, Fotos und Drohnenaufnahmen wurden bereits gemacht. Auch Münzen, Keramik und Knochen werden genauestens bestimmt. „Diese Arbeit wird uns noch Jahre beschäftigen“, so Höltken. Einzelne Teile des Pflasters könnten aber auch irgendwann im Museum zu sehen sein.