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Kultur für alleExperten aus Köln schulen Orangerie-Theater in Inklusion

Lesezeit 3 Minuten
Zwei Frauen stehen vor einem Gebäude mit einem neu angebauten Personen-Aufzug.

Die Künstlerische Leiterin der Orangerie, Sarah Youssef (l.), und Un-Label-Gründerin Lisette Reuter freuen sich über die Realisierung eines Aufzugs am denkmalgeschützten Gebäude.

Die Kölner Un-Label Performing Arts Company begleitet das Orangerie-Theater mit einem Qualifizierungsprogramm auf dem Weg zum barrierefreien Begegnungsort.

„Damit wir eine inklusivere Gesellschaft werden, müssen wir die unterschiedlichen Bedarfe der Menschen besser erkennen. Es geht um Sprache, Alter, sichtbare und nicht-sichtbare Behinderungen. Wir müssen eine Menschlichkeit dafür entwickeln“, erklärt Sarah Youssef. Die Künstlerische Leiterin des Orangerie-Theaters spricht aus eigener Erfahrung. In den letzten zwei Jahren hat sie den Umbau der Spielstätte in eine barrierefreie Einrichtung und die damit verbundenen Herausforderungen, etwa der langwierige Prozess zur Anbringung eines Personenaufzugs in einem denkmalgeschützten Gebäude, miterlebt. Begleitet wurde der Umbau seit der Startphase von der Kölner Un-Label-Performing Arts Company, die sich auf Beratung zum Thema Inklusion im Kulturbereich spezialisiert hat.

Experten unterstützen inklusive Kultur-Arbeit ein Jahr lang

Die Kooperation wird in den kommenden zwölf Monaten vertieft, denn das Theater im Volksgarten gehört neben der Schwankhalle Bremen und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe zu den ausgewählten Teilnehmern eines bundesweiten Qualifizierungsprogramms, das von Un-Label ausgeschrieben worden war. Das im Juli startende Projekt umfasst Schulungen und individuelles Mentoring in den Modulen „Programm“, „Personal“, „Publikum“, „PR“ sowie „Partnerschaften“. Die Häuser werden dabei von Expertinnen und Experten in ihrer inklusiven Kultur-Arbeit unterstützt. Für die Basis-Schulungen besteht sowohl für die Leitungsebenen als auch für die Mitarbeiter eine Teilnahmepflicht.

Die Einrichtungen können zudem aus einem Portfolio von mehr als 15 spezifischen Angeboten wählen. „Wir haben uns unter anderem für die Orangerie entschieden, weil es in deren Bewerbung darum ging, das Haus für Akteure aus der Kulturszene zu öffnen. Das empfanden wir als wichtigen Brückenschlag“, berichtet Un-Label-Gründerin Lisette Reuter. Nach den physischen Arbeiten erfolge nun der inhaltliche Teil des Vorhabens, so die freiberufliche Kulturmanagerin, Produzentin, interkulturelle Trainerin und Beraterin.

Zwar bestehe im rund 30-köpfigen Theater-Team eine Sensibilisierung für die Thematik, doch der Weg hin zu tieferem Verständnis und einer Handlungsfähigkeit sei noch in der Aufbauphase, berichtet Sarah Youssef. Es gelte daher, zunächst ein Bewusstsein zu schaffen. „Wir stellen auch neue Leute ein. Von der Rhein-Energie-Stiftung wurde unser Antrag zur Beschäftigung einer Referentin für Inklusion und Teilhabe bewilligt“, informiert die Theaterleiterin.

Vorstellungen finden in Leichter Sprache statt

Ein konkretes Beispiel für die Umsetzung von Barrierefreiheit sei die Verwendung „Leichter-Sprache“ auf der eigenen Webseite, die auch Menschen mit Beeinträchtigungen nutzen könnten oder „Relaxed Performances“ für Menschen, die nicht über einen längeren Zeitraum einer Aufführung folgen können. Dafür benötige man Fachleute, die all dies didaktisch vermitteln können. „Ich habe naiverweise gedacht, wir sind nach dem zweijährigen Umbau gesetzlich barrierefrei. Aber ich erfuhr einen harten Realitycheck. Die gesetzliche Barrierefreiheit ist meiner Meinung nach ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Youssef, denn von circa 2.000.000 Euro Umbaukosten fordere das betreffende Gesetz lediglich Maßnahmen in Höhe von 17.500 Euro für die inklusive Gestaltung.

Um Künstlern, Mitarbeitern und Besuchern gerecht zu werden, betrage der reale Anteil über 250.000 Euro, schätzt Youssef. Als primäres Ziel verfolgen Orangerie und Un-Label die Sichtbarmachung von Persönlichkeiten und Bedürfnissen, die bisher in der Gesellschaft übersehen werden. Dies soll unter anderem mit Hilfe einer Werbekampagne im öffentlichen Raum gelingen. „Unsere Aufgabe ist es, Lust an der Barrierefreiheit zu entfachen. Wir kommen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu den Leuten. Wir möchten die Kulturlandschaft verändern und transformieren“, betont Reuter. Die Trennung von Menschen mit und ohne Behinderungen empfindet die Unternehmerin als  problematisch: „Es gibt zu wenig Begegnungen. Diesen Raum zu schaffen, ist ein wichtiges Anliegen unserer Arbeit."

www.un-label.eu, www.orangerie-theater.de