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„Letzte-Hilfe“-KursWarum im Brauhaus Hellers über den Tod gesprochen wird

Lesezeit 4 Minuten
Dr. Georg Bollig zeigt, wie auch mithilfe von Wattestäbchen und Wasser Letzte Hilfe geleistet werden kann.

Dr. Georg Bollig zeigt, wie auch mithilfe von Wattestäbchen und Wasser Letzte Hilfe geleistet werden kann.

Als erster Kölner Betrieb hat das Brauhaus Hellers einen „Letzte-Hilfe“-Kurs für seine Mitarbeitenden durchgeführt.

Im Brauhaus Hellers an der Roonstraße fliegen jeden Abend die Kölschstangen über die Theke. Im Schankraum sitzen an diesem Vormittag diesmal jedoch die Mitarbeiter selbst sechs Männer, zwei Frauen, aus der Küche und auch aus der hauseigenen Brauerei. Über den Tod wird hier wie an vielen anderen Orten auch nur selten gesprochen. Heute dafür umso mehr. Vier Stunden dauert der „Letzte-Hilfe“-Kurs am Arbeitsplatz, geleitet von Dr. Georg Bollig und Dr. Helena Kukla.

Die Kenntnisse in Erster Hilfe müssen am Arbeitsplatz regelmäßig aufgefrischt werden. In Letzter Hilfe kennen sich jedoch die wenigsten aus. Im Projekt „Letzthelfende am Arbeitsplatz für einen sensiblen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer“ des Zentrums für Palliativmedizin der Uniklinik Köln, wurden nun erstmalig Mitarbeitende eines Betriebs geschult. Das Ziel ist auch, die Belegschaft für die Bedürfnisse von anderen, von Verlust betroffenen Kollegen zu sensibilisieren.

Sterben, Tod oder Trauer auch Thema am Arbeitsplatz

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass jeder Mensch im Laufe seines Erwerbslebens direkt oder indirekt von Sterben, Tod oder Trauer betroffen ist. „Das größere Problem ist, wenn man gar nicht erst über den Tod spricht“, sagt Dr. Georg Bollig, Erfinder der sogenannten „Letzte-Hilfe“-Kurse.

„Es ist wichtig, dass wir auch am Arbeitsplatz darüber sprechen, wo wir so viele Stunden am Tag verbringen. Ich sehe immer wieder, dass Menschen erst mit sehr viel Vorbehalten an das Thema herangehen und dann aber doch auftauen wie auch hier im Kurs.“

Als Anna Heller, Geschäftsführerin der Brauerei, von dem Kurs der Uniklinik hörte, habe sie sofort zugesagt. Sie selbst sei schon früh mit dem Thema in Berührung gekommen. „Wir stellen auch als Firma fest, dass es immer wieder vorkommt, dass Angehörige versterben“, sagt die 38-Jährige. „Es ist wichtig, dass wir als Chef oder als Kolleginnen und Kollegen wissen, wie gehe ich jetzt damit um? Wie spreche ich es an und was braucht derjenige oder auch nicht.“

Abschiednehmen und Umgang mit den Sterbenden

Teil des Kurses im Hellers Brauhaus war nicht nur das Abschiednehmen, sondern auch der Umgang mit den Sterbenden selbst: Was passiert da überhaupt im Sterbeprozess? Mit in Wasser getauchten Wattestäbchen wurde den Teilnehmenden gezeigt, wie man Durst stillen kann, wenn das Schlucken nicht mehr funktioniert. „Ich habe mitgenommen, dass alle letztendlich ein bisschen die Angst vor dem Thema verloren haben“, sagt Heller.

Gregor Schareck ist Braumeister und seit 1998 Mitarbeiter der Hellers. Er selbst und auch Kollegen hätten schon Trauerfälle bewältigen müssen. „Eigentlich dachte ich, wir hätten das hier immer gut hinbekommen. Aber ich nehme aus dem Kurs sehr viel für die Zukunft mit“, sagt der Teilnehmer. „Heute denke ich: Manches hätte ich in der Vergangenheit auch anders machen können.“ Etwa der Umgang untereinander in Phasen der Trauer. Jemanden nicht zu einer Feier einzuladen, weil er oder sie gerade einen Trauerfall in der Familie hat, schließe den anderen aus und mache noch einsamer, erklärt Kursleiterin Dr. Helena Kukla, das sei oft auch gar nicht böse gemeint. „Trauer ist eben nicht bei allen Menschen gleich.“

Auch in der eigenen Familie über Sterben, Tod und Trauer zu sprechen, sei sehr wichtig, sagt Helena Kukla, ebenso wie mit Kindern. „Viele denken, mein Kind muss davor beschützt werden und das geht mein Kind nichts an. Aber es ist sinnvoll, das Kind selbst entscheiden zu lassen.“


Ein Umfeld für die Trauer

Nicht nur die Kolleginnen und Kollegen untereinander können von Letzthelfenden am Arbeitsplatz profitieren, sondern auch das Unternehmen, sagt Dr. Bollig: „Ich glaube, das würde viele Krankheitstage vorbeugen.“ Denn wer sich nicht verstanden fühle, melde sich eher krank. „Zwei Tage Sonderurlaub, wenn jemand aus dem nächsten Familienkreis stirbt, ist viel zu wenig“, sagt Bollig. „Ich brauche also ein Umfeld, in dem Rücksicht genommen wird auf meine Trauer.“

Weil das Lebensende uns oft hilflos werden lässt, gibt es für Angehörige, Freunde und Nachbarn den Kurzkurs zur „Letzten Hilfe“. Hier lernen interessierte Bürgerinnen und Bürger, was sie für die ihnen Nahestehenden am Ende des Lebens tun können. Die Kurse werden sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche angeboten.

www.letztehilfe.info

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