Die PreisfrageZwei Varianten für die Kölner Zentralbibliothek stehen im Raum

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Die Zentralbibliothek am Joseph-Haubrich-Hof.

Sanierungsbedürftig: Die Zentralbibliothek am Joseph-Haubrich-Hof wurde 1979 eröffnet.

Eine neue Bibliothek oder eine Sanierung? Am Dienstag beschäftigte sich der Stadtspitze mit dem Vorhaben. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.

Die schönen Visionen einer neuen Zentralbibliothek sind längst eingetrübt durch den Schleier der drastisch gestiegenen Kosten. Am Dienstag beschäftigte sich der Stadtspitze mit dem Vorhaben. Das Ergebnis: Es wird zwei Varianten geben in der Ratsvorlage. Der Sanierung für dann 139 Millionen Euro steht eine Neukonzeption mit einem möglichen Neubau oder auch einer anderen räumlichen Aufteilung gegenüber. Die wichtigsten Fragen:

Was sieht die Sanierung vor?

Die 1979 eröffnete Zentralbibliothek muss grundlegend modernisiert werden. Die neue Bibliothek soll neben der Mediennutzung als sogenannter „dritter Ort“ weitere Funktionen des Austausches bekommen. In der obersten Etage sind etwa eine kleine Musikbibliothek mit Klavier (auch für Konzerte) und eine Terrasse mit Domblick vorgesehen. Es sind weniger stationäre PC-Arbeitsplätze geplant, vielmehr sollen die Besucher Laptops und iPads ausleihen und sich im Gebäude verteilen können. Der Eingang wird von der Nord- auf die Ostseite verlegt, ein Café ist vorgesehen.

Im ursprünglichen Konzept hätte die Sanierung im laufenden Betrieb geschehen sollen, das wurde bereits verworfen. Nun ist ein Interim vorgesehen (siehe Infotext). Der niederländische Architekten Aat Vos hat den Umbau geplant, die Entwürfe stehen bis hin zu Details fest.

Verändert haben sich jedoch die Kosten: In der ersten Planung aus dem Herbst 2020 standen 81,5 Millionen Euro unter dem Strich. Diese Zahl ist längst überholt und hat die Debatte um einen Abriss mit Neubau befeuert (die Rundschau berichtete bereits Mitte Januar). Inzwischen belaufen sich die Sanierungskosten auf 139 Millionen Euro, wie aus dem Rathaus verlautet. Viele fragen sich: Ist ein Neubau dann nicht die bessere Variante? Zumal die immer noch nicht vollendeten Arbeiten an den Bühnen eine Art Sanierungstrauma in der Stadt hinterlassen haben.

Wo kommen die gestiegenen Kosten her?

Die allgemeine Preisentwicklung – aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die 139 Millionen Euro für die Sanierung splitten sich gerundet auf in 76 Millionen Euro reine Baukosten, 24 Millionen Euro für den Generalunternehmer, der das Haus schlüsselfertig übergeben soll, 9 Millionen Euro für die Ausstattung sowie 29 Millionen Euro Risikopuffer. Interessant: Die Baukosten beliefen sich im Herbst 2020 auf 51 Millionen Euro (von 81,5 Millionen Euro), nun sind sie auf 76 Millionen Euro eher moderat gestiegen. Dafür ist der Risikopuffer dreimal so hoch angesetzt. Er beträgt 29 Millionen Euro statt rund 10 Millionen Euro. Darin einberechnet sind weitere Preissteigerung bei den Baukosten. Zudem werden 24 Millionen Euro für den Generalunternehmer fällig, der auch für etwaige Risiken gerade stehen muss. Die Stadt kauft sich so also Sicherheit für die Baustelle ein.

Wer ist für die Sanierung?

Kurz gesagt: die geballte Kölner Kulturszene. In einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker haben sich das Literaturhaus Köln und Unterstützer wie der FDP-Politiker Gerhart Baum für einen Erhalt der Zentralbibliothek am Neumarkt ausgesprochen. Gestern bestärkte auch der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Witich Roßmann, diese Position. Die Bibliothek mit ihren niederschwelligen Angeboten dürfe nicht zugunsten der Hochkultur weg gespart werden.

René Böll, Sohn und Nachlassverwalter des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll hat sich vergangene Woche ebenfalls in einem offenen Brief an Reker „fassungslos“ gezeigt. Der Brief liegt der Rundschau vor. In der Bibliothek sind Leben und Werk Bölls dokumentiert, unter anderem ist dort sein Schreibtisch und sein letztes Arbeitszimmer zu sehen.

Was sagt die Politik?

Vor allem die CDU hat die Debatte über einen möglichen Neubau forciert. „Wir hatten einen Sanierungsbeschluss unter ganz anderen Voraussetzungen“, sagt CDU-Parteichef Bernd Petelkau. Es sei wichtig, neben der Sanierung auch Kosten für Abriss- und Neubauplanung sowie für die mögliche langfristige Anmietung auf der Hohe Straße zu berechnen. Die Kosten für einen Neubau dürften über 200 Millionen liegen. Der kulturpolitische Sprecher, Bürgermeister Ralph Elster, verweist auf die futuristischen Bibliotheksbauten von Helsinki oder Oslo: „In anderen Städten der Welt gibt man sich für die Umsetzung einer zentralen Bibliothek nicht mit Hinterhoflagen oder Gebäuden aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zufrieden.“ Es bestehe kein Grund, die Entscheidung zu überstürzen.

Grüne, SPD und Linke haben dagegen bislang Sanierungstreue bekundet, wollen aber zunächst die genaue Verwaltungsvorlage abwarten. Die FDP will nicht am Standort Joseph-Haubrich-Hof rütteln, sieht aber die deutlich gestiegenen Kosten kritisch. Auch die zeitliche Verschiebung bei einem Neubau wäre aus Sicht der Liberalen ein großes Problem.

Was passiert als Nächstes?

Formal bleibt der beschlossene Sanierungsauftrag bestehen. Die Verwaltung wird angesichts der gestiegenen Kosten aber nun eine aktualisierte Vorlage mit Alternativen ausformulieren und zunächst den entsprechenden Ausschüssen vorlegen. Die Politik soll in der Ratssitzung am 16. Mai entscheiden.


Interim auf der Hohe Straße

Acht Jahre laufen bereits die Planungen für Sanierung der Bibliothek. Knapp zehn Millionen Euro sind in die Konzepte geflossen.

Auf der Hohe Straße wird ein Geschäftshaus für das Interim der Bibliothek hergerichtet. 90 Prozent der Bestände können dort untergebracht werden, allerdings auf deutlich knapperem Raum. Die Bibliothek wird übergangsweise auf vier Standorte aufgeteilt: neben dem Haupthaus sind Büros auf der Richmodstraße vorgesehen und Magazinbestände auf der Aachener Straße, Teile der Spezialbibliothek Germania Judaica (Geschichte des Deutschen Judentums) kommen ins Historische Archiv. Für die Anmietung der Räume in der City sind über zehn Jahre 29 Millionen Euro Miete eingepreist.

3000Menschen haben bislang eine Petition des Fördervereins für den Erhalt der Bibliothek am Neumarkt unterzeichnet. Am heutigen Mittwoch findet eine „Solidaritätsveranstaltung“ im Literaturhaus statt. Titel: „Für eine Zukunft der Zentralbibliothek am Joseph-Haubrich-Hof“. Sprechen wird ab 19 Uhr Reinhard Angelis vom Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA). Die mögliche Variante eines Abrisses mit Neubau hält er für „völlig aus der Zeit gefallen“. Mit dabei sind Anton Bausinger (Förderverein StadtBibliothek), Bettina Fischer (Literaturhaus Köln) und Rainer Osnowski (lit.Cologne). www.literaturhaus-koeln.de

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