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Kölner Sport-Professor im Interview„Die Haltung zum Sport ist entscheidend“

Lesezeit 6 Minuten
Sportliches Kräftemessen im Schatten des Colonius: Der Basketballplatz im Inneren Grüngürtel ist stark frequentiert und wird aktuell saniert.

Sportliches Kräftemessen im Schatten des Colonius: Der Basketballplatz im Inneren Grüngürtel ist stark frequentiert und wird aktuell saniert.

Professor Dr. Robin Kähler hat die Sportentwicklung für Köln mitentwickelt — Ein Gespräch über Trends, Bewegungsräume in großen Städten und neue Denkweisen.

Köln hat den Sportpark Müngersdorf, den Grüngürtel, den FC, die Haie und ein großes Stadion. Ist Köln deshalb eine Sportstadt? Thorsten Moeck sprach mit Professor Dr. Robin Kähler über Bewegungsräume in großen Städten, alte Sportinfrastruktur und neue Denkweisen.

Sie sind passionierter Tennisspieler, hatten in den 1970er Jahren hierfür einen Lehrauftrag an der Universität Osnabrück. Haben Sie schon mal Padel-Tennis gespielt?

Damals hatte ich den Tennissport in Deutschland mit dem Deutschen Tennis-Bund aufgebaut und viele Tausend Lehrer ausgebildet. Zu Trainingszwecken haben wir das Speckbrett eingeführt. Jetzt ist dieser Schläger wieder da, nur die Spielfläche hat sich verändert, die Wände können miteinbezogen werden. Padel-Tennis habe ich auch schon gespielt. Ein sehr schönes Spiel.

Wie sieht es mit Spike-Ball aus?

Ich bin sehr neugierig und habe es auch ausprobiert. Es ist super, dass solche Neuerungen aufgenommen werden, junge Menschen stellen das Trampolin auf die Wiese und los geht es. Aber es ist für mich nicht ganz so aufregend wie Tennis.

Neben dem Rheinenergie-Stadion ist ein Sportlabor geplant. Das war die Empfehlung Ihres Teams. Was muss ein solches Labor bieten?

Köln soll als innovative Sportstadt wahrgenommen werden, das ist wichtig. An Sportarten wie Slackline, Pump Track oder Padel sieht man die rasante Entwicklung. Wichtig sind Flächen, wo sich Menschen ausprobieren können und nicht nur normierter Sport wie Fußball oder Volleyball gespielt werden kann. Es darf Musik gespielt werden, junge Menschen sollen sich zeigen, es soll Geselligkeit und Diskussion entstehen.

Was sind denn die aktuellen Sporttrends?

Es ist ein ständiges Ausprobieren. Slackline ist kein Trend mehr, „Stand-Up-Paddling“ auch nicht, das ist längst ein Markt. Als das Skateboard entstanden ist, sind die ersten Nutzer vertrieben worden, erst später kamen die Skateanlagen. Wir sprechen also über ein Labor des Ausprobierens.

Was macht eine Sportstadt aus? Das ist doch ein Modewort, oder?

Der Begriff wird eher politisch gebraucht als Instrument der Sportförderung. Aber eine wissenschaftliche Definition gibt es nicht. Meiner Ansicht nach gehören viele Komponenten dazu, etwa sanierte Sportstätten, die nicht nur von Vereinen und Schulen genutzt werden können. Attraktive öffentliche Grünanlagen gehören dazu, aber auch die Förderung des Schulsports. Kinder müssen Sportarten und ihren Körper kennenlernen. Es gibt Städte, in denen Schulen nicht über Sportanlagen verfügen. Und Sport sollte integrierter Teil der Stadtplanung sein. So wie in Köln. Die Haltung der Stadt zum Sport macht erst eine Stadt zur Sportstadt.

Also wäre Köln auch ohne Arena und FC eine Sportstadt?

Ja, das spürt man an allen Ecken und Enden. Die Ligazugehörigkeit oder internationale Sportveranstaltungen sind nicht entscheidend, höchstens für das Image einer Stadt.

Sportstadt Köln: Die Pandemie hat etwas verändert

Grüngürtel, Sportpark Müngersdorf, Rheinwiesen – sind das Bewegungsräume nach Ihrer Vorstellung?

Kürzlich bin ich in Köln durch den Inneren Grüngürtel gegangen und war begeistert, was da los ist. Viele Kinder, viele Jugendliche. Der öffentliche Raum ist für Menschen, die nicht im Verein Sport treiben, enorm wichtig. Dieser Raum darf natürlich nicht brach liegen, sondern muss gepflegt werden.

In der Corona-Pandemie waren Fitnessstudios und Sportanlagen geschlossen. Hat das die Wahrnehmung des öffentlichen Raums verändert?

Die Pandemie hat etwas verändert. Grünflächen sind wie Inseln in Städten, aber auch die waren ursprünglich ja als Erholungsflächen gedacht. Es hatte sich aber auch vor der Pandemie schon etwas getan, um öffentliche Flächen als Bewegungsraum wahrzunehmen. Die Frage ist ja, wo gibt es Platz für Bewegung, wer nutzt ihn, wie sehen Pflege, Sicherheit und Barrierefreiheit aus? Köln ist sehr aktiv, aber Kommunen sollten nicht sinnlos Geräte aufstellen.

Hier sind zuletzt viele Fitnessparcours entstanden. Eine sinnvolle Investition?

Es gibt in Köln inzwischen 76 Bewegungsparcours, Slackline-Anlagen und Fitness-Stationen, das ist ausreichend. Der Outdoor-Fitnesssport ist eine Mode, die auch wieder vergehen wird – ähnlich wie einst die Trimm-Dich-Pfade. Wichtig ist aber, dass die Geräte auch von Kindern und älteren Menschen genutzt werden können. Ort und Geräte sollten sorgfältig ausgewählt werden, damit sie auch dauerhaft einen Reiz ausüben.

Neues Radstadion: „ein Edelstein für die Sportstadt Köln“

Jetzt wird die Stadt ein Radsportstadion erhalten. Eine Multifunktionshalle, über die sich auch Volleyballerinnen und Basketballer freuen.

Dieses Projekt ist ein Edelstein, die Stadt wird sich hierdurch im Radsport profilieren können. Jetzt war die Finanzierungsmöglichkeit durch Zuschüsse von Land und Bund gegeben. Ich plädiere allerdings   dafür, keine Spezialsportstätten mehr zu bauen, weil der Sport sich wandelt. Deshalb müssen Hallen vielseitig genutzt werden können, vielleicht auch nicht nur für den Sport. Viele Menschen sollen von solchen Investitionen profitieren.

Werden Ihre Vorschläge so umgesetzt, wie sie sich das gewünscht haben?

Es waren ja die Wünsche der Kölnerinnen und Kölner, nicht unsere. Nach anderthalb Jahren haben wir nochmal eine Evaluierung vorgenommen und uns die Entwicklungsprozesse angeschaut. Wir haben festgestellt, dass die Umsetzung nur gelingt, wenn das gesamte Sportamt dies verinnerlicht und nicht ein kleines Team mit der Umsetzung betreut ist. Die personelle Situation musste also verbessert werden. Das Sportamt hat sich positiv zu einem Kompetenzzentrum entwickelt, was künftig finanziell und personell auch entsprechend ausgestattet werden sollte.


Zur Person

Sportwissenschaftler Professor Dr. Robin Kähler (77) hat bereits für mehrere Städte Sportentwicklungsplanungen durchgeführt – dies ist zudem einer seiner Forschungsschwerpunkte. Von 2017 bis 2019 auch für Köln.

Prof. Dr. Robin Kähler

Prof. Dr. Robin Kähler

Von 1987 bis 2000 war er Akademischer Direktor des Instituts für Sport der Uni Mannheim. Anschließend übernahm er an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel die Stelle des Leitenden Akademischen Direktor. Er gehört den Ausschüssen vieler Sportorganisationen an.


Kölner Bewegungsräume

8 große Bewegungsparcours soll es künftig im Äußeren und Inneren Grüngürtel geben, hinzu kommen Bewegungsstationen in den Veedeln, viele davon sind bereits aufgebaut worden, zum Teil mit Gelder der Kölner Grünstiftung. Gebaut wurden bereits Bewegungsparcours im Inneren Grüngürtel zwischen Venloer Straße und Vogelsanger Straße geben, im Sportpark Müngersdorf, im Lohsepark in Nippes, im Deutzer Hafen und in der Merheimer Heide. Folgen sollen Parcours in Parkstadt Süd (Neubaugebiet Südstadt), Sürther Feld und nahe der Bezirkssportanlage Weidenpesch zwischen Pferderennbahn und Äußerem Grüngürtel.

Sportboxen gehören zum Angebot der Bewegungsinitiative „Kölle aktiv“ des Stadtsportbundes. Eine dieser Boxen steht an der Jahnwiese – gefüllt ist sie mit Trainingsutensilien, wie Bällen, Matten, Pylone, Springseile und Blackrolls. Geöffnet werden können die Sportboxen mit der kostenlosen App „SportBox app and move“ — lediglich für die einmalige Registrierung fallen 50 Cent an. Das Leihen der Sportgeräte kostet kein Geld. 160 Ausleihvorgänge hat die Stadt pro Monat im Sommer registriert, etwa 50 im Winter.

Lukas Podolski bei der Eröffnung des Strassenkicker Courts in Gremberghoven

Abklatschen: Lukas Podolski bei der Eröffnung des Bolzplatzes in Gremberghoven.

Eine zweite Box steht im Bürgerpark Kalk, zwei weitere Standorte sind bereits beschlossen worden. Diese sind am Rheinboulevard in Mülheim und an der Sportanlage Humboldtstraße in Porz. Hier soll die Nutzung im Anfang des kommenden Jahres evaluiert werden.

5 Bolzplätze sind bereits durch Gelder der Lukas-Podolski-Stiftung gebaut worden. Der Fußball-Weltmeister von 2014 unterstützt seit vielen Jahren Projekte in Köln, ist Sportbotschafter der Stadt und arbeitet unter anderem mit dem Projekt „Die Arche“ zusammen. Bolzplätze gibt es an der Bezirkssportanlage Bocklemünd, neben dem Jugendtreff „Grembox“ in Gremberghoven, unter der Severinsbrücke in der Südstadt, am Friednespark und am Bischofsacker in Buchforst. Hier findet an unterschiedlichen Wochentagen kostenloses Training für Kinder und Jugendliche statt. Gespielt wird ganzjährig auf Kunstrasen.