Jeden Tag auf der blauen BankWie Kölner Mike den Kampf gegen die Einsamkeit aufnahm

Jeden Abend auf der blauen Bank: Jeder im Veedel weiß, wo Mike Schwarz zu finden ist.
Copyright: Costa Belibasakis
- Jeden Abend auf der blauen Bank: Jeder im Agnesviertel weiß, wo Mike Schwarz zu finden ist.
- Viele Menschen sprechen mit dem 64-Jährigen, dem aufgefallen ist: Viele Menschen in Köln sind einsam.
- Wie Mike dagegen ankämpfen möchte, erfahren Sie bei uns.
Köln – Ein recht kühler Nachmittag im Frühling. Nur wenige Menschen sind auf den Straßen im Agnesviertel. Doch einer ist trotz der Kälte immer da. Immer an derselben Stelle. Auf einer dunkelblauen Bank sitzt Mike Schwarz vor einem Kiosk. Seine weißen Haare sind nur Millimeter lang. Seine blauen Augen sind wach. Sein Lächeln breit. Jeden Abend sitzt er dort. Nebenan ein kleiner Park mit Spielplatz.
Der heute 64-Jährige war mehr als 50 Jahre alkoholabhängig. Heute trinkt er nicht mehr. Doch früher wie heute ist die Bank sein täglicher Aufenthaltsort, und mit den Jahren wurde sie zum Treffpunkt. Die Menschen im Veedel hatten sich an den Mann gewöhnt – mit Folgen: „Die Leute, die nicht vorbeigingen, setzten sich zu mir und erzählten von ihren Problemen“, erklärt der Mann lächelnd.
Mike gründete „Best Ager Power Cologne – Initiative gegen Einsamkeit“
Dabei fiel ihm besonders auf: „Viele Menschen, egal ob alt oder jung, schwarz oder weiß, sind einsam hier in der Großstadt.“ Das Gefühl kennt auch Mike sehr gut. Er hat drei Jahre lang seine Wohnung kaum verlassen. Eine schwere Behinderung, sein eingeschränktes Gehvermögen und des Gefühl, allein zu sein, hielten ihn gefangen. „Mich hat das schockiert, dass niemand registriert hat, dass ich kaum noch rausging.“ Generell sei der Zusammenhalt in der Gesellschaft weniger geworden: „Ich finde, dass wir daran arbeiten müssen und mehr aufeinander aufpassten sollten.“ Über diesen Gedanken sprach Mike daraufhin auf seiner Bank mit Fremden und Freunden aus dem Viertel. Gemeinsam sollte etwas gegen die Anonymität und Einsamkeit unternommen werden.
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So gründete Mike kurzerhand „Best Ager Power Cologne – Initiative gegen Einsamkeit“. Hier sollten sich nicht nur „Best Ager“, also Menschen im besten Lebensalter, engagieren können. „Jeder kann mitmachen – egal wie alt er ist oder wo er herkommt“, betont Mike. Er ergriff die Eigeninitiative, als eine ältere Frau ihren Hund einschläfern musste und die Kosten dafür nicht zahlen konnte, und organisierte eine Spendenaktion. „Mit solchen kleinen Dingen holt man die Menschen zurück in die Gesellschaft“, freut er sich. Geld interessierte ihn bei seinem Projekt nicht: „Ein Lächeln ist der beste Lohn.“
Jeder kann sich so einbringen, wie er es möchte
Mithilfe von selbst entworfenen Postkarten und Flyern wollte er auf das Projekt aufmerksam machen – vorzugsweise an Orten, an denen viele Menschen zusammenkommen, in Friseursalons etwa oder bei Ärzten. Beim Kennenlern-Treffen sollte die Idee ausgefeilt werden. Mike suchte nach ehrenamtlichen „Sozialscouts“, die in speziellen Workshops und mit professioneller Unterstützung ausgebildet werden sollten. Mike war vor allem wichtig, dass jeder sich so einbringen kann, wie er es möchte: „Wer den Kontakt mit den Menschen mag, kann sich darauf spezialisieren. Wer sich lieber im Hintergrund hält, hilft beim Aufbau der Website oder an anderen Stellen.“ Das Projekt sollte als Vorbild dienen und auch in anderen Stadtteilen umgesetzt werden können.
Doch dann kam die Enttäuschung: Als die ersten Organisationstreffen stattfinden sollten, kam niemand. „Dabei hatte ich so viel Zuspruch“, murmelt er nachdenklich. Er sieht das Problem vor allem darin, dass zwischen einem Versprechen und seinem Einhalten oft Zweifel und Scheu die Oberhand gewinnen. „Die Leute sagen viel, aber handeln tun die Wenigsten.“
Wegen fehlender Hilfe stellte Mike das Projekt ein
Wegen seiner Krankheit und der Größe des Projekts hat Mike seine Initiative nun eingestellt. „Ich habe viel Zeit und Motivation, aber ich kann das nicht alles alleine stemmen.“ Trotzdem glaubt er weiter an seine Idee. Jeden Tag sitzt er auf der blauen Bank und hört den Menschen zu. Er ist sich sicher, dass schon eine kleine Gruppe Menschen viel bewegen könnte. „Wenn sich ein paar Leute mit mir zusammen tun würden, ich würde sofort weiter machen.“