Eltern, Gewerkschaften und Fachkräfte fordern eine dringende Reform im Kinderbildungsgesetz.
Zu wenig PersonalKölner Kitas fordern bessere Arbeitsbedingungen

Eine Balanceakt ist für viele Kölner Familien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In den Kitas gibt es immer wieder Ausfälle.
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Ein turbulentes Jahr liegt hinter den Kitas, und auch für die Zukunft ist keine Entspannung in Sicht. Laut Vera Hopp, Geschäftsführerin des Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten (VKJ), gleicht die Realität in Nordrhein-Westfalens Kindertagesstätten einer „Kitastrophe“: Personalmangel, finanzielle Engpässe und eine zunehmende Bildungsarmut prägen den Alltag.
Die Einrichtungen fordern eine grundlegende Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) – inklusive einer tariflichen Gehaltssteigerung, einer Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels sowie besseren Ausbildungs- und Finanzierungsbedingungen für Träger. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und das Kita-Bündnis NRW haben am Mittwoch im Kalker Fröbel-Kindergarten Bilanz gezogen – und ihre Forderungen an die Landesregierung bekräftigt.
Immer mehr Kölner Kinder wiederholen die erste Klasse
Philipp Hinzmann ist Vater einer 2-jährigen Tochter, die den Kalker Fröbel-Kindergarten besucht, und Vorsitz in der Elternvertretung. „Die Kita soll die arbeitende Eltern entlasten, und man investiert ja auch viel Geld in die Betreuung. Wenn ständig Personal ausfällt, muss man schauen, wie man Beruf mit Kind verbindet“, sagt Hinzmann.
Die Zahlen sprechen für sich: Laut Fröbel-Bereichsleiter Marek Körner fehlen Vollzeitkräfte in Kitas aufgrund psychischer und körperlicher Belastungen im Schnitt 30 bis 33 Tage im Jahr. In anderen Branchen liegt der Krankenstand bei etwa 20 Tagen. Das ist nicht nur zulasten der Kitas, sondern auch der Eltern.
Seit Dezember 2024 erlaubt eine neue Personalverordnung in NRW den flexiblen Einsatz von Ergänzungskräften bei akutem Personalmangel. Körner sieht das kritisch: „Diese Verordnung stellt die Sicherstellung der Kinderbetreuung über die Qualität der frühkindlichen Förderung“, sagt er. Die Fachkräfte würden immer weniger – ihre Aufgaben hingegen immer umfangreicher, insbesondere im Bereich Sprachförderung. Die Anzahl der Kölner Kinder, die die erste Klasse wiederholen, sei auf einem Rekordhoch.
Auch Hinzmann weist auf zunehmende Sprachdefizite bei Kindern hin: „Der Schlüssel muss besser angepasst werden, weil nicht genug Zeit für die individuelle Kinderbetreuung bleibt. In Kalk sprechen viele Kinder kein Deutsch, und für die Sprachförderung muss jemand Zeit haben“, sagt der Vater.
Claudia Engwicht arbeitet seit zwei Jahren als Erzieherin im Kalker Fröbel-Kindergarten. Den wachsenden Einsatz von weniger qualifizierten Ergänzungskräften sieht auch sie kritisch: „Für die Arbeit mit Kindern brauchen wir eine fundierte Ausbildung“, sagt Engwicht. „In Kalk liegt der Schwerpunkt besonders auf Sprache. Die Kinder können nur durch eine gute Qualifikation mit verschiedenen Methoden gut begleitet werden.“ Laut der Erzieherin könnte branchenfremdes Personal das nicht leisten.
Immer weniger Fachkräfte und Auszubildende
Die Arbeitsbedingungen, die geringe gesellschaftliche Anerkennung und die unattraktiven Rahmenbedingungen wirken sich zunehmend negativ auf die Ausbildungsbereitschaft aus. „Die Nachfrage ist im Sinkflug“, so Körner. Mit dem Ausbau und einer besseren Finanzierung der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) ließe sich seiner Meinung nach eine Alternative zur schulischen Ausbildung schaffen. Das Problem sei: Die Träger würden nicht angemessen finanziert. Rund 60.000 Euro kostet aktuell eine PiA-Stelle – nur etwa 16.000 Euro davon würden refinanziert.
Trotz der prekären Lage bleiben die Erziehenden im Fröbel-Kindergarten motiviert. „Wir sind am Limit, aber wir bekommen tolle Rückmeldungen von den Familien“, so Engwicht. „Wir lieben trotzdem diesen Beruf.“ Ihre Botschaft: „Wir arbeiten nicht mit Material, sondern mit Menschen. Hier in Kalk gibt es so viele verschiedene Nationalitäten und Vielfalt. Jeder soll Teilhabe erleben dürfen. Dafür müssen zukünftig qualifizierte Fachkräfte garantiert werden.“