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„Ein absoluter Mehrwert“Künstliche Intelligenz erleichtert den Alltag in Kölner Pflegeheimen

Lesezeit 4 Minuten
Jürgen Schenkel, Stationsleitung im Thomas-Müntzer-Haus, dokumentiert den Zustand einer Bewohnerin per Spracheingabe. Die KI macht daraufhin die richtigen Einträge in einer digitalen Akte.

Jürgen Schenkel, Stationsleitung im Thomas-Müntzer-Haus, dokumentiert den Zustand einer Bewohnerin per Spracheingabe. Die KI macht daraufhin die richtigen Einträge in einer digitalen Akte. 

Durch eine App sparen Pflegeheime der Diakonie Michaelshoven sich mehrere Stunden Arbeitszeit pro Tag. 

Eine Schicht als Pflegefachkraft erfordert viele Notizen. Nicht nur erbrachte Leistungen wie Medikamentengaben, Körperpflegen oder Umlagerungen, sondern auch der Zustand der zu pflegenden Person muss dokumentiert werden. Wie viel hat sie getrunken? Wie geht es ihr heute? All das muss akribisch in der jeweiligen digitalen Akte vermerkt werden. 

„Man hat sich während der Arbeit immer Notizen auf Zetteln oder seinen Armen gemacht und wenn der Dienst vorbei war, eine halbe Stunde lang alles in den PC getippt“, erklärt der Stationsleiter Jürgen Schenkel. 

Für ihn und alle weiteren Mitarbeitenden der gerontopsychiatrischen Pflegeeinrichtung (siehe Infokasten) Thomas-Müntzer-Haus der Diakonie Michaelshoven sind diese Strapazen passé. Zu verdanken ist das einer Künstlichen Intelligenz (KI), die es dem Team ermöglicht, Daten per Spracheingabe in einer App auf ihren Dienst-Smartphones zu dokumentieren.

Nicht nur in der Rodenkirchener Einrichtung, sondern in allen Pflegeheimen der Diakonie Michaelshoven ist das Programm namens „Voize“ im Einsatz. Vor rund anderthalb Jahren führte der soziale Träger die App nach und nach ein und war damit laut eigenen Angaben der erste in Köln, der KI zu Dokumentationszwecken in allen seinen Einrichtungen nutzbar machte. 

Zeitersparnis von rund 35 Minuten

Wie viel Zeit die KI den Pflegekräften im Thomas-Müntzer-Haus tatsächlich spart, weiß Einrichtungsleiter Marcel Hartmann. „Wir konnten im Durchschnitt eine Zeitersparnis von rund 35 Minuten pro Fachkraft in jeder Frühschicht feststellen. Man muss dies in Relation sehen. Wenn zum Beispiel acht Mitarbeitende im Frühdienst sind, ist das ein großer Fundus an Zeit, der wiederum unseren Bewohnerinnen und Bewohnern zu Gute komme kann. Voize schafft also einen absoluten Mehrwert.“

Wenn Jürgen Schenkel den Sprachbefehl „Dokumentiere“ in der Nähe seines Diensthandys ausspricht, und dann eine Info wie „Frau Müller hat ihre Tabletten genommen anfügt“, weiß die KI, wo der entsprechende Eintrag in der Akte der Bewohnerin gemacht werden muss, setzt ein Häkchen oder vermerkt eine Info. 

„Das ist viel bequemer als vorher, weil man so noch im gleichen Zimmer die Dokumentation machen kann“, sagt Schenkel. Die Hemmschwelle, auch kleinere Infos zu vermerken, sei dadurch zudem viel geringer. Die KI in der App braucht es außerdem für eine gute Spracherkennung. So spielt es keine Rolle, wenn die Pflegekraft einen Akzent hat. „Wir haben hier ein Multi-Kulti-Team, da ist das sehr hilfreich.“

Und auch Erinnerungen für Pflegekräfte kann die App geben. Auf dem Startbildschirm ist eine Liste der Stationsbewohner zu sehen. Neben ihren Profilen tauchen Symbole auf, die anzeigen, dass eine Person länger nichts getrunken zu haben scheint. Oder die App erinnert daran, zu prüfen, ob das verabreichte Schmerzmittel gewirkt hat. „Für unsere Bewohner bedeutet die KI eine große Steigerung der Qualität.“

Technik, die den Arbeitsalltag erleichtert, komme der Pflegeeinrichtung wie gerufen, erklärt Pflegedienstleistung Angelina Scharein. „Die Anforderungen an die Qualität der Pflege hat sich in den letzten Jahren extrem verändert. Die Arbeit ist anspruchsvoller geworden.“ Damit sei auch der Anspruch an die Dokumentation gestiegen, weil zum einen mehr pflegerische Leistungen vermerkt werden müssen, und zum anderen die Informationssammlung über die Bewohner wichtiger geworden ist. Nur so können Maßnahmen gut geplant und Risiken frühzeitig erkannt werden. 

Umso mehr habe man sich über „Voize“ gefreut, erklärt Hartmann. „Die Gründer der App, zwei Brüder, hatten in der Pflegeeinrichtung ihres Großvaters festgestellt, wie kompliziert sich die Dokumentation gestaltet und haben mit der Entwicklung der App eine smarte Lösung gefunden.“ Mit den Entwicklern sei man regelmäßig in Kontakt, um die App weiter auszubauen und stetig zu verbessern. 

„Es muss natürlich zu jeder Zeit menschlich bleiben und ich bin persönlich der Meinung, dass man mit dem Thema KI auch kritisch umgehen muss, aber trotzdem positiv aufgeschlossen. Denn es bringt Entlastung, wenn man sie richtig nutzt.“ Der Einrichtungsleiter wünscht sich, dass technischer Fortschritt in der Pflegebranche großflächig nutzbar gemacht werden kann. „Es wird in Zukunft, aufgrund des demografischen Wandels, immer weniger junges Personal zur Verfügung stehen, dass eine immer älter werdende Gesellschaft pflegen muss. Da sehe ich die Digitalisierung und vor allem auch die künstliche Intelligenz als großes Instrument, um den bürokratischen Aufwand zu minimieren.“