AboAbonnieren

Der Musiker Philipp Oebel im GesprächManche Krätzjer sind ihm zu sexistisch

Lesezeit 3 Minuten
Ein Herz für altes kölsches Liedgut hat Philipp Oebel. Zu sehen ist er mit Gitarre.

Ein Herz für altes kölsches Liedgut hat der Musiker Philipp Oebel. Am Sonntag agstiert er im Senftöpfchen.

In der Sparte der kölschen Musik bilden Krätzjer eine besondere Nische. Philipp Oebel zelebriert altes Liedgut. Nun spielt er im Senftöpfchen.

Auf der Suche nach Schätzen kölschen Liedguts stöbert Philipp Oebel gerne im Archiv der Akademie för uns kölsche Sproch. Die Hochburg des grammatikalisch korrekten Kölschgebrauchs verfügt nicht nur über ein mit 15.000 Liedtiteln gefülltes Online-Archiv, sondern auch über eine Bibliothek, in der sich alte Liederbücher und Notenblätter finden. „Als ich einen Karton anhob, segelte mir ein Notenblatt vor die Füße“, erzählt der Musiker, der die Menschen seit 16 Jahren mit Krätzjer unterhält. Es war das Stück „Däm Schmitz sing Frau is widder do“, eine Parodie auf das im Jahr 1907 von Willi Ostermann verfasste Krätzjer „Däm Schmitz sing Frau is duchjebrannt“.

Die aktuelle kölsche Musik ist sehr auf das Partymachen ausgerichtet, aber bei Krätzjer kommen die Menschen zum Zuhören
Philipp Oebel

Seine Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, Philipp Oebel hat sich inzwischen ein Repertoire von etwa 130 Stücken angeeignet. „Wichtig ist es, die Stücke mit viel Leidenschaft und Verve zu spielen“, hat er festgestellt. Am kommenden Sonntag, 5. Mai, gastiert Oebel im Senftöpfchen in der Altstadt und wird zwei Stunden lang Krätzjer spielen. Und damit eine Nische der kölschen Musik bedienen – das ist ihm durchaus bewusst. „Die aktuelle kölsche Musik ist sehr auf das Partymachen ausgerichtet, aber bei Krätzjer kommen die Menschen zum Zuhören“, sagt er. Niemand erwarte, dass er irgendwann „Viva Colonia“ anstimmt und der Saal tobt.

Es gibt nicht mehr viele Musikerinnen und Musiker, die sich der alten Liedform der Krätzjer annehmen, viele von ihnen sind jedes Jahr beim Kölschen Krätzjerfest zu hören (siehe Kasten). „Das kölsche Liedgut ist ein Generationenklebstoff. Ein Wahnsinns-Schatz dieser Stadt“, sagt Oebel. Bei Oebels Auftritten gehört eher die ältere Generation zu den Gästen, „immer wieder sind Menschen dabei, die über das kölsche Liedgut Wurzeln in Köln geschlagen haben“, sagt er. Wenn er nach den Konzerten mit den Gästen zusammensteht und das ein oder andere Bier trinkt, passiere es manchmal, dass jemand ein Krätzjen aus dem Unterbewusstsein hervorkramt und ihm vorsingt, „Oft sind die Texte eher schlüpfrig“, erzählt er lächelnd. Ohnehin gebe es viele alte „Anmach-Lieder“, bei denen sich selbst mit viel Geschick die sexistischen Zeilen nicht wegmoderieren ließen. „Für das Jahr 2024 ist so etwas nicht mehr geeignet“, meint er.

Lieblingslieder auf eigenem Kanal

In seiner Küche kürt Philipp Oebel seit längerer Zeit schon sein aktuelles Lieblingslied und veröffentlicht ein kleines Video hiervon auf seiner Internetseite. „Janz in wieß“ heißt die aktuelle Nummer, komponiert von Hans Süper senior, eine gesungene Hommage an einen hohlen und angebrannten Blumenkohl-Kopf, der letztlich an die Tante verfüttert wird. „Solche alten Lieder wollen gesungen werden“, sagt Oebel mit Nachdruck.

Gerade von der alten Garde der Liedermacher wie Karl Berbuer, Jupp Schmitz und Willi Ostermann existieren oft nur Schellack-Aufnahmen in schlechter Tonqualität. Deshalb hat Oebel begonnen, alte Krätzjer auf seinem Youtube-Kanal mit neuen Aufnahmen zu würdigen. „Ich hoffe, dazu beitragen zu können, dieses Brauchtum zu erhalten“, sagt er.

Das Konzert im Senftöpfchen am 5. Mai beginnt um 19 Uhr. Tickets gibt es ab 28,60 Euro.