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Türkischer SupermarktWie sich „Karadag“ in Köln in 30 Jahren verändert hat

Lesezeit 5 Minuten
Canan Karadag (54) hat 1995 seinen ersten Supermarkt in Buchforst eröffnet.

Canan Karadag (54) hat 1995 seinen ersten Supermarkt in Buchforst eröffnet. 

In den vergangenen 30 Jahren hat Canan Karadag ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut – ohne irgendwelche Vorkenntnisse. Der Kölner erzählt, wie er das geschafft hat. 

Mit Mitte 20 stand Canan Karadag kurz vor der Pleite. Sein Name war damals noch weitaus unbekannter als heute – und sein Laden scheinbar nicht mehr zu retten. Mit dem kleinen türkischen Lebensmittelgeschäft in Buchforst hatten er und sein Onkel sich 1995 in eine Branche gewagt, mit der sie sich „absolut nicht auskannten“. Rund drei Jahre nach der Eröffnung machte sich das stark in den Umsätzen bemerkbar. So stark, dass die beiden vor einer weitreichenden Entscheidung standen: aufgeben oder weitermachen?

Wer eine der elf Karadag-Filialen in Köln kennt, weiß, was die Antwort des Duos war. 30 Jahre ist die erste Eröffnung in diesem Jahr her und aus dem kleinen Buchforster Laden ist eine Supermarkt-Kette geworden. Nicht nur Fleisch und Wurstwaren, Obst und Gemüse, Milchprodukte, Getränke und Snacks, sondern auch Produkte für den Haushalt gibt es dort.

In Köln sind die Geschäfte teils an beliebten Shopping-Orten wie im Quincy-Einkaufszentrum an der Breite Straße, am Eigelstein oder im Rheincenter in Weiden vertreten. Das Unternehmen ist Franchisegeber, verkauft also Lizenzen an Personen, die dann eine eigene Karadag-Filiale eröffnen dürfen. Auch in Recklinghausen gibt es mittlerweile einen Laden. Genau wie bei vier der Geschäfte in Köln, handelt es sich dabei um eine Franchise-Filiale. 150 Mitarbeitende beschäftigt Karadag insgesamt.

Alles, was er darüber weiß, ein Unternehmen zu leiten, hat Karadag sich selbst beigebracht. Mit 15 kam er aus der Türkei nach Köln und machte einen Hauptschulabschluss. Danach schlug er sich als Autodidakt durch. „Wir haben viel mit anderen Geschäftsleuten gesprochen und analysiert, wie andere Läden erfolgreich geworden sind“, erklärt der 54-Jährige, wie es zu der Wende nach der Pleite kam. „Man muss es nur wollen. Es ist wichtig, sich ein Ziel zu setzen und daran zu glauben. Dann kann man alles schaffen. Man muss natürlich auch Disziplin haben. Und ich bin ein sehr disziplinierter Mensch.“

Die Ladenkette führt auch eine Eigenmarke.

Die Ladenkette führt auch eine Eigenmarke.

Wenn man Karadag darauf anspricht, was er geschafft hat, antwortet er: „Ich finde nicht, dass wir besonders erfolgreich sind. Besser wäre es, wenn wir nach 30 Jahren schon 30 oder 40 Läden hätten. Besonders, weil ich immer sehr lange und sehr hart gearbeitet habe.“ Rund 20 Jahre lang hat der Kölner fast 20 Stunden am Tag für seine Vision geschuftet. „Ich bin um 0 Uhr aufgestanden und während meine Freunde auf den Ringen feiern waren, saß ich in meinem Lkw auf dem Weg zum Großmarkt. Bis 6 Uhr habe ich eingekauft und direkt danach den Laden aufgemacht. Da habe ich in der Metzgerei und an der Kasse gearbeitet. Als der Laden nach 20 Uhr zu war, musste ich noch Bestellungen machen.“

Karadag ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Sohn im jungen Erwachsenenalter. „Als meine Kinder auf die Welt kamen, konnte ich nie dabei sein. Ich war immer auf der Arbeit. Ich will nicht sagen, dass sowas schön ist, aber um etwas zu erreichen, muss man viel opfern.“

Heute kümmert der Familienvater sich um die Finanzen, den Einkauf und die Planung neuer Märkte. Die neuste Idee: Auf der Breite Straße soll im September ein Döner-Imbiss mit hausgemachten Dönerspießen aus frischem Fleisch eröffnen.

Für die Karadag-Läden soll es vor allem außerhalb der Stadtgrenzen weitergehen. „Als Nächstes wollen wir uns in Nordrhein-Westfalen verbreiten, das heißt zum Beispiel in Aachen, oder Bochum. Überall dort, wo der Migrantenanteil ein bisschen höher ist. In hauptsächlichen deutschen Gegenden ist es für uns schwerer.“ Anschluss bei Deutschen ohne Migrationsgeschichte zu finden, war vor allem anfangs nicht leicht, erklärt Karadag. Denn Klischees gegen türkische Supermärkte gebe es viele. Sein Unternehmen legt deshalb viel Wert darauf, modern zu sein. „Wir investieren in das Aussehen und die Technik unsere Läden, damit man sich darin wohlfühlen kann.“

Karadag in Köln: Neue Fleischzentrale soll Metzger-Mangel auffangen

Rund die Hälfte aller Kundinnen und Kunden in den Karadag-Läden seien mittlerweile Deutsche ohne Migrationsanteil. Vor allem das große Fleischgebot locke sie in die Geschäfte. „Wir sind unschlagbar, was beim Thema Fleisch die Preisleistung und die Qualität betrifft. Das findet man so in keiner deutschen Kette.“

Vor rund zwei Jahren zog das Unternehmen aus dem Großmarkt in Raderthal in ein eigenes Zentrum in Wahn. „Wir sind ein Unternehmen, das direkt von der Industrie seine Produkte oder vom Feld direkt bei uns in der Zentrale holt und von da aus direkt in den Markt führt.“ Dadurch spart das Unternehmen Personal und Zeit – und kann einige Produkte deutlich günstiger anbieten.

Um die Abläufe noch effizienter zu machen, will Karadag möglichst bald zusätzlich zur Zentrale eine Fleischzentrale in Köln eröffnen. Gespräche mit der Stadt darüber laufen schon, erklärt er. Dort soll Fleisch vom Schlachter verarbeitet und somit die einzelnen Metzgereien in den Läden eingespart werden. Denn genügend Fachkräfte zu finden, fällt auch Karadag zunehmend schwer.

Das Fleisch ist in den Karadag-Läden halal, stammt also von Tieren, die nach islamischen Regeln geschlachtet wurden.

Das Fleisch ist in den Karadag-Läden halal, stammt also von Tieren, die nach islamischen Regeln geschlachtet wurden.

An einer Stelle ist der Nachwuchs jedoch gesichert. Zwei von Karadags Kindern arbeiten in seinem Unternehmen. Jahrelang übernahm seine Frau die Buchhaltung, nun hat sie an eine der Töchter übergeben. Setzt er sich also bald zur Ruhe und übergibt an die nächste Generation? Zwar genießt der Unternehmer sehr, heute weniger arbeiten zu müssen, als noch vor einigen Jahren, ans Aufhören denkt er trotzdem nicht. „Ich kenne gar nichts anderes. Wenn man Stahl liegen lässt, fängt er nur an zu rosten.“