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Infografik

Albtraum aus Beton und Backstein
Warum das Baugebiet „Mülheimer Süden“ noch immer kaum entwickelt ist

5 min
Im Baugebiet „Cologneo I“ stehen unfertige Rohbauten neben riesigen Baugruben und Baudenkmälern.

Im Baugebiet „Cologneo I“ stehen unfertige Rohbauten neben riesigen Baugruben und Baudenkmälern.

Das Baugebiet sollte ein Modell für Stadttransformation werden. Doch seit Jahren blockieren Rechtsstreitigkeiten und Finanzierungsprobleme die Entwicklung. Ohne Einigung bleiben dringend benötigte Wohnungen ungebaut.

Das Baugebiet Mülheimer Süden sollte ein Vorzeigeprojekt für die Transformation von früheren Industrieflächen in ein modernes Stadtquartier werden. Wo einst der erste Gasmotor der Welt bei Klöckner-Humboldt-Deutz in die Großproduktion ging, sollten Wohnungen, Gewerbeflächen, Schulen, Kitas und Raum für Soziales und Kultur entstehen. Das Werkstattverfahren, das bereits 2013 bis 2014 stattgefunden hat, war der Startschuss für die Entwicklung, die bis heute jedoch größtenteils ausblieb. Die Entwicklung des größten Areals steht seit Juni in den Startlöchern, doch die Finanzierung scheint zu wackeln. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Welche Areale gehören zum Mülheimer Süden?

Die Infografik zeigt, wie zerstückelt das rund 46 Hektar große Plangebiet ist. Im Süden des Areals liegen die beiden Gebiete mit dem Titel „Cologneo“. Weiter nördlich liegt auf der linken Seite der Deutz-Mülheimer-Straße das Otto-Langen-Quartier und das Lindgens-Areal. Auf der anderen Straßenseite befindet sich das Deutz-Areal, das mit rund 20 Hektar Fläche den größten Anteil am Mülheimer Süden hat. Mittendrin befindet sich noch das sogenannte Windmühlenquartier.

Das Baugebiet Mülheimer Süden

Das Baugebiet Mülheimer Süden

Wo ist bereits gebaut worden?

Das Vorzeigeprojekt ist die Fröbel-Kindertagesstätte, die seit 2019 in der früheren Villa Charlier beheimatet ist, der einstigen Betriebsvilla des Kölner Motoren-, Nutzfahrzeug-, und Lokomotivbauers Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD), der heutigen Deutz AG. Die Villa ist modernisiert und erweitert worden. Sie steht am nördlichen Rand des Gebiets Cologneo I, zwischen Villa und dem Hafenbecken der Deutzer Werft erstreckt sich ein Grünzug. Auf dem Gebiet sind zudem bereits Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Zoobrücke entstanden und modernisiert worden. Weitere Bauten sind gestartet worden, verharren jedoch mittlerweile seit Jahren im Dornröschenschlaf.

Die Villa Charlier am Grünzug.

Die Villa Charlier am Grünzug.

Warum wird der Bau nicht fortgesetzt?

Bereits seit 2019 gibt es juristischen Streit zwischen den Projektentwicklern und der Werft. Die Kölner Schiffswerft Deutz GmbH hatte damals gegen die Baugenehmigung geklagt und ein sogenanntes Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan angeregt, für das bis heute noch keine Einigung erreicht wurde. Die Werft befürchtet Lärmemissionsklagen von späteren Anwohnenden, weil in dem Areal auch Wohnungen im B-Plan genehmigt worden waren. Das würde zu einer Planänderung: Im Gebiet Cologneo II sollte ein Gewerberiegel als Schallschutz entstehen. Doch auch hier herrscht seither Stillstand.

Bereits seit Frühjahr 2022 läuft in dem Fall ein Mediationsverfahren zwischen der Werft, der Gröner Development GmbH und der Swiss Life Kapitalgesellschaft. Ein solches Verfahren soll in der Regel eine außergerichtliche Einigung bringen. Solange diese jedoch nicht gefunden ist, verharren die teilweise angefangenen Neubauten auf dem Plangebiet Cologneo I größtenteils im Rohbau und im Stillstand. Swiss Life erklärt auf Anfrage der Rundschau dazu: „Verhandlungen und Abstimmungen zu den offenen Themen laufen.“

Wie beeinflusst das die umliegenden Areale?

Auf das Otto-Langen-Quartier hat das Verfahren den größten Einfluss. Denn die Erfahrung zeigt, dass dort in Richtung der Werft ein Gewerberiegel entstehen muss, als Schallschutz für mögliche Wohnungen im restlichen Areal. Das wiederum sorgt dafür, dass die Stadt Köln ihre Pläne, das Gebiet zu kaufen und zu entwickeln, nicht erfüllen konnte. Wie die Rundschau berichtete, gehört das Areal zum Großteil dem Land. Ein Direktverkauf an die Stadt wäre nur dann möglich, wenn sie dort ausschließlich geförderten Wohnungsbau betreibt. Die unbeantwortete Lärmfrage macht eine Einigung also unmöglich.

Was ist mit dem größten der Gebiete, dem Deutz-Areal?

Zwischen der Deutz-Mülheimer-Straße im Westen und der Bahntrasse im Osten erstreckt sich das rund 20 Hektar große Deutz-Areal, auf dem unter anderen die denkmalgeschützte KHD-Großmotorenhalle von 1899 steht. 2017 hatte die Düsseldorfer Gerchgroup das Gelände im Bieterverfahren erworben, Kostenpunkt 125 Millionen Euro. Die Männer hinter der Gerchgroup waren vor allem Norbert Ketterer und Mathias Düsterdick. Als sich die beiden sowie ihre Unternehmen 2020 voneinander trennten, nahm Ketterer die Grundstücke im Mülheimer Süden mit in sein neues Unternehmen, die Gateway Real Estate mit Sitz in Berlin.   Da liegt das Projekt seitdem mit dem Arbeitstitel „Deutz Quartiere“.

Im Juni 2025 hat der Stadtrat die Satzung für den Bebauungsplan beschlossen. In der Vorlage heißt es: „Im Plangebiet sollen circa 2500 Wohneinheiten entstehen. Zudem sind Büro- und Gewerbeflächen in einer Größenordnung von circa 77.400 Quadratmeter vorgesehen.“ Zudem sollen eine vierzügige Gesamtschule, eine fünfzügige Grundschule, 17 Kita-Gruppen an drei Standorten und zwei Großtagespflegen entstehen sowie ein ausreichendes Einzelhandelsangebot.

Wie will Gateway die Quartiere bauen?

Norbert Ketterer hat mit der Nokera AG ein weiteres Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz gegründet, das in Deutschland eine Fabrik für seriellen Holzbau betreibt. Vorgefertigte Wände und Böden werden in einem Baukasten-System aufeinander gesetzt. Das soll Zeit am Bau sparen und dadurch auch Kosten. Mit dem Baukasten-System ist laut Nokera auch der Bau von ganzen Quartieren, Kitas und Schulen möglich.

Wann soll das Vorhaben umgesetzt werden?

Diese Frage hat die Rundschau in den vergangenen Monaten mehrfach an Gateway Real Estate gestellt, allerdings immer ohne eine Antwort zu erhalten. Anfang September gab es zahlreiche übereinstimmende Berichte darüber, dass das Unternehmen Wertkorrekturen auf das Immobilienvermögen vornehmen musste und mit einem Verlust von rund 133 Millionen Euro vor Steuern für den Jahresabschluss für 2024 rechnet. Gleichzeitig erfuhr die Rundschau, dass für die Realisierung der „Deutz Quartiere“ noch Bürgschaften in Millionenhöhe nicht gezahlt wurden. Deswegen gibt es auch noch keinen städtebaulichen Vertrag. Nach Rundschau-Informationen versucht das Unternehmen mit Sitz in Berlin derzeit, das Gebiet in Baufelder zu unterteilen und somit auch die Bürgschaften aufzuteilen. Das sind Sicherheitsleistungen, die bei großen Bauvorhaben unter anderem für die Erschließung eines Gebiets (Abwasserkanäle, Stromversorgung und weiteres) hinterlegt werden müssen.

Was bedeutet das für die Umsetzung?

Kurz gesagt deutet alles darauf hin, dass die Gateway Real Estate die Finanzierung dieses Projekts nur dann stemmen kann, wenn sie es in einzelne Baufelder aufteilt und realisiert. Sie würde dann ein Baufeld entwickeln, verkaufen und mit den Erlösen den nächsten Abschnitt bauen. Das gilt als wirtschaftlich gewagte Variante, die viele Risiken birgt. Insgesamt gibt es laut dem Geschäftsbericht von Gateway bereits 21 Projektgesellschaften mit dem Titel „Borussia Köln DQ“ – DQ für Deutz Quartiere mit Sitz in Düsseldorf. Ohne eine Einigung mit der Stadt Köln bleibt unklar, ob und wann die 2500 neuen Wohnungen, die Köln dringen benötigt, gebaut werden.