Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Meine Kurse gehören nicht mehr mir“Welchen Einfluss Urban Sports Club auf Kölner Sportstudios hat

7 min
Indem sie einen QR-Code am Studioeingang scannen, checken USC-Mitglieder für Kurse ein.

Indem sie einen QR-Code am Studioeingang scannen, checken USC-Mitglieder für Kurse ein.

Der Sport-Abo-Anbieter Urban Sports Club wird in Köln immer größer – Nutzer freut das, doch Studios sind geteilter Meinung.

Arm in Arm seien sie früher über die volle Tanzfläche gewirbelt. Nostalgisch erinnert sich ein Kölner Tanzlehrer, wie sich die Kursteilnehmenden nach der Stunde in der Umkleide verquatschten und verabredet hätten. „Damals kannte ich die Namen von allen, die hier hingekommen sind. Die Leute sind zu einer Gemeinschaft geworden“, erzählt er. Sein Studio sei für ihn nicht weniger als ein ein wahrgewordener Traum. Und der steht jetzt auf der Kippe.

Der Tanzlehrer möchte anonym bleiben. Denn vor mehreren Jahren habe er eine folgenschwere Entscheidung getroffen: Er schloss einen Vertrag mit dem Unternehmen Urban Sports Club (USC) ab. Seine Tanzschule wurde somit zu einem sogenannten Partnerstudio doch die Tanzenden wurden weniger. Was früher nur ein halbvoller Kurs war, gilt bei ihm heute als gut besucht. Und: Meistens würden sich die Teilnehmenden nicht kennen.

In vielen Clubs kommen gut 90 Prozent der Kunden über Urban Sports.

In vielen Clubs kommen gut 90 Prozent der Kunden über Urban Sports.

Wer als Kunde ein Abo bei USC abschließt, zahlt einen Monatsbeitrag und kann per App in teilnehmenden Studios einchecken. Pro Standort sind im „M-Abo“ (69 Euro) vier Besuche pro Monat drin, laut USC ist es das beliebteste Format. Die Partnerliste ist lang: Fitness-Studios, Schwimmbäder, Yoga- oder Boxstudios und viele mehr stehen darauf. Insgesamt 621 Partner an über 1000 Standorten gibt USC für Köln an. Seit 2016 ist das Unternehmen in der Domstadt aktiv.

„USC hat mittlerweile fast meine komplette Kundschaft übernommen. Es kommen rund 90 Prozent der Leute über ihr Abo zu mir. Eigene Mitglieder, also Leute, die bei mir einen Vertrag abgeschlossen haben, habe ich fast nicht mehr“, sagt der Tanzlehrer. „Ich war damals einer der ersten, der Partner geworden ist. Lange ist auch niemand über USC gekommen“, erinnert er sich. Die Stellung, die das Unternehmen heute in der Kölner Breitensportwelt hat, nennt er ein Monopol. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, scheine es als Studiobetreiber unausweichlich, Teil von USC zu sein.

Die Partnerstudios werden von USC bezahlt, indem sie für jeden Check-In eines USC-Mitglieds einen bestimmten Betrag bekommen. Der wird zwischen USC und Studio individuell verhandelt. Im Falle des Tanzlehrers seien das unter zehn Euro – laut ihm zu wenig, um den Fortbestand seines Studios zu sichern. Seine Tanzlehrer seien aktuell in Wartestellung: Kurse, die nicht die Mindestanzahl an Teilnehmenden erreichen, müsse er bald einstellen.

„Weil meine Kurse praktisch nicht mehr mir gehören, kann man mir diktieren, wie viel ich daran verdiene.“ Mit den Tanzkursen mache er keinen Gewinn mehr. „Ich nehme nur noch ein Drittel von dem ein, was ich früher daran verdient habe.“ Selbst wenn jemand vier Mal pro Monat bei ihm eincheckt – was USC-bei ihm Mitglieder selten tun würden – komme meist weniger in die Kasse als durch eine Studio-Mitgliedschaft.

Unzählige Sportstudios sind Teil von Urban Sports.

Unzählige Sportstudios sind Teil von Urban Sports.

Ein Leben am finanziellen Limit, das nicht mehr lange tragbar sei. Deshalb habe der Studiobesitzer Nachverhandlungen angestrengt. Dabei habe er so viel mehr pro Check-In verlangt, wie es braucht, um seine Tanzkurse zu retten. „Als ich den Vertrag damals abschlossen habe, war USC nicht nur viel kleiner. Ich hatte auch viel geringere Kosten. Seit Corona zahle ich viel mehr für Strom und Personal.“ Doch die Anfrage habe sich letztendlich als fruchtlos herausgestellt.

Sein Studio sei nicht das einzige in Köln, das diese Probleme hat. „Ich weiß von zwei Betreibern, die wegen den geringen Check-In-Preisen schließen mussten.“ Auch sie hätten erfolglos versucht nachzuverhandeln. Der Kölner Studiobesitzer empfindet die Bedingungen für Verhandlungen als unfair.   USC sitze wegen seiner Macht auf dem Markt immer am längeren Hebel. „Die können eigentlich machen, was sie wollen.“

Überhaupt möglich mache das der veränderte Anspruch von vielen von Kundinnen und Kunden an den Breitensport. „Nur noch wenige Leute wollen eine Mitgliedschaft in einem Studio , weil sie sich nicht auf eine Sache festlegen wollen. Die meisten sind nicht treu und wollen am liebsten alles machen. Ich kann verstehen, dass man das beste Angebot für sich sucht. Aber das hat eben auch Folgen.“

Abgesehen von den zu niedrigen Check-In-Preisen, sei das Gefühl in seinen Tanzkursen längst nicht mehr wie früher. Vor allem für die professionellen Tanzlehrer sei USC eine Herausforderung: „Jeden Tag kommen andere Leute. Dann bleibt oft nur, immer wieder die Grundlagen zu zeigen.“

Der Kölner Tanzstudio-Besitzer ziehe nun Konsequenzen. Er wolle nun kündigen, um nicht mehr länger abhängig von USC zu sein. Es bleibe die Hoffnung, dass dadurch noch einige Gäste   auf eine Mitgliedschaft bei ihm umsteigen. Danach wolle er sein Unternehmen umstrukturieren, um es zu erhalten – vielleicht durch neue Kurse oder Untervermietung der Räumlichkeiten. „Ob sich das Studio unter diesen Bedingungen langfristig finanzieren kann, ist aber offen.“

Der große Erfolg als Partnerstudio?

Für das Kölner Barre- und Pilates-Unternehmen „Glow Barre“ verläuft die Zusammenarbeit hingegen erfolgreich. Die Kurse seien oft schon Tage im Voraus ausgebucht, erklärt Gründerin Liesa Lier. Über 75 Prozent der Teilnehmenden kommen ihr zufolge über USC.

„Der Markt in Köln ist sehr dominiert von USC. Wenn eine gewisse Anzahl an Studios dabei ist, hast du es schwer, wenn du nicht mitmachst. Du hast eigentlich keine andere Wahl“, sagt Lier, die einen Doktor in Sportökonomie hat. USC sei längst nicht der einzige Anbieter, über den Abonnenten mehrere Studios besuchen können. Doch auch unter diesen sei USC in Köln aktuell Vorreiter.

„Mein Blick auf USC hat sich im Laufe der Zeit gewandelt“, sagt Lier. „Ich habe mein Studio 2020 ganz bewusst ohne USC eröffnet, weil ich meine eigenen Erfahrungen machen und selbst Kunden anwerben wollte.“ Sechs Wochen später habe ihr jedoch der Lockdown einen Strich durch die Rechnung gemacht. Über die Runden sei sie zwar gekommen, aber auf Dauer sei die Situation nicht tragbar gewesen.

„Dann ist mir klar geworden, dass man in Köln einfach auf USC als Partner angewiesen ist. Das war der einzige Weg, wie ich mein Geschäft ökonomisch sinnvoll weiterbetreiben konnte. Die Leute schätzen das vielfältige Angebot auf USC einfach sehr.“ Um ohne das Unternehmen Erfolg zu haben, müsse man eine Nische bedienen und dementsprechend exklusiv sein – sprich hohe Preise und wenige Plätze bieten.   Damit sich der Vertrag mit USC für die Studios von „GlowBarre“ rentiert, habe man dort deshalb teils Räume erweitert, um zusätzliche Plätze zu schaffen. „Dadurch hat der einzelne jetzt zwar manchmal weniger Platz, kann aber günstiger trainieren.“   Den Trainerinnen und Trainern bringe man zudem bei, wie sie sich auf die wechselnden Teilnehmenden mit unterschiedlichen Fähigkeitsleveln einstellen.

Urban Sports Club will vor allem Firmenkunden akquirieren

Was sagt das Unternehmen selbst zu seiner offenbar mächtigen Stellung in der Domstadt? Patrick Soxhlet gemeldet, Leiter des „Partner Managements“ bei USC, sagt auf Anfrage: „Wir sind uns unserer Marktposition bewusst. Uns ist daran gelegen, dass unsere Partner langfristig wirtschaftlich arbeiten können, denn ohne sie haben wir kein Angebot“, sagt er.

Eine Situation wie die des beschriebenen Kölner Tanzstudios nennt er einen Einzelfall. „Mir und meinen Kollegen ist in ganz Deutschland kein Studio bekannt, das aufgrund der Zusammenarbeit mit USC die Türen schließen musste.“

Bei USC schließen nicht nur Privatpersonen ein Abo ab. „Über 50 Prozent unserer Mitglieder in Deutschland sind Firmenkunden“, erklärt Soxhlet. Diese können über ihren Arbeitgeber vergünstigt oder umsonst trainieren. „Wir erschließen für viele Partner eine ganz neue Zielgruppe, die ein Studio sonst gar nicht erreichen würde. Es ist gerade ein sehr großer Fokus bei uns darauf, Firmen zu akquirieren.“

Wie sich der „Payout“, also der Betrag pro Check-In eines USC-Mitglieds zusammensetzt, „hängt von verschiedensten Faktoren ab“ und sei nicht zu pauschalisieren, erklärt Soxhlet. Eine Rolle spiele einerseits die Beliebtheit der Kategorie des potenziellen Partners. „Eine Trendsportart wie Pilates bekommt natürlich eine andere Vergütung als Schwimmen.“ Andererseits könnten auch ein zentraler Standort und eine hochwertige Ausstattung zu einer höheren Vergütung führen. Auch die Exklusivität des Angebots werde in der Regel berücksichtigt.

Nachverhandlungen, so wie manche Studios sie fordern, seien laut Soxhlet nicht ausgeschlossen. Rund 100 Verträge mit kleineren Partnern habe USC in diesem Jahr mit Hinblick auf den Betrag pro Check-In aktualisiert. Unabhängig von der Größe der Partnerstudios gelte: „In der Regel wird nach einem Jahr neu verhandelt. Das heißt aber nicht, dass wir jeder Anfrage nachkommen können oder wollen.“ Eine Art Verhandlungsgarantie gibt es folglich nicht.