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Hilfe für überforderte ElternWie kostenlose Familienhebammen unterstützen – Angebot oft unbekannt

5 min
Eine Hebamme wiegt im Rahmen der Nachsorge ein Baby (gestellte Szene).

Ein Baby kann viele Herausforderungen mit sich bringen. Kostenlose Familienhebammen helfen – vor und nach der Geburt – bei den kleinen und großen Fragen. (Symbolbild) 

Ob fehlendes Kinderbett, Fragen zur Geburt oder zum Umgang mit Babys. Familienhebammen helfen in allen Lagen. Wo man sie findet. 

Die meisten Babys werden von überglücklichen Eltern auf der Welt begrüßt. Monatelang hat man sich auf sie vorbereitet, dutzende winzige Klamotten gekauft, das Kinderzimmer eingerichtet und sich Namen überlegt. Für andere Babys hingegen steht hingegen weder ein Bettchen oder noch ein Kinderwagen bereit. Und ihre Mütter blicken nicht mit Vorfreude, sondern voller Sorgen auf die Geburt. 

Ein Fall, wie Familienhebamme Sandra Schäfer von Kölner Kinderschutzbund ihn schon mehrmals erlebt hat. Bei ihr bekommen Frauen aus dem Stadtbezirk Rodenkirchen, die unter belastenden Umständen zu Müttern werden, kostenlose Unterstützung durch Hausbesuche. Dinge wie Armut, eine Trennung, Erfahrungen mit Krieg und Flucht, psychische Erkrankungen oder Streit mit der Familie machen ihnen das Leben schwer. Meistens ist es eine Mischung.

Während eine normale Hebamme ihren Fokus vor allem auf den körperlichen Zustand von Mutter und Kind während der Schwangerschaft legt, dürfen Schäfer und ihre Kolleginnen durch eine Zusatzqualifikation die Mütter bis zu ein Jahr nach der Geburt mit Rat und Tat begleiten. Wie läuft eine Geburt ab? Wie bereite ich eine Flasche Babynahrung zu? Dutzende Fragen können unerfahrene Mütter umtreiben.

Bei den Beratungen leisten die Familienhebammen auch Beistand in seelischen Ausnahmesituationen und unterstützen beim oftmals aufwendigen Umgang mit Ärzten und Behörden. Die Hausbesuche sollen jedoch ausdrücklich keine Kontrolle, sondern eine Hilfe sein und wird auf den individuellen Bedarf der Frauen angepasst. 

Hilfe für überforderte Eltern im Bezirk Rodenkrichen kommt vom Kinderschutzbund: Familienhebamme Sandra Schaefer und Leiter der Stelle für Frühe Hilfen Hans-Juergen Dohmen.

Hilfe für überforderte Eltern im Bezirk Rodenkrichen kommt vom Kinderschutzbund: Familienhebamme Sandra Schaefer und Leiter der Stelle für Frühe Hilfen Hans-Juergen Dohmen.

Familienhebammen: Kostenlos und trotzdem oft noch unbekannt

Doch noch zu wenige Frauen kennen das kostenlose Angebot, erklärt Schäfer. Das erwähnt der Kölner Kinderschutzbund auch in seinem aktuellen Jahresbericht. Eine Studie des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) aus dem Jahr 2022 ergab, dass nur 58 Prozent der deutschlandweit befragten Eltern das Angebot der Familienhebamme kennen. „Vor allem junge Mütter werden in ihrer Not oft allein gelassen. Sie wissen gar nicht, was ihnen zusteht und wo sie sich Hilfe holen können“, erklärt sie. „Eine Frau um die 30 traut sich natürlich viel eher nach Hilfe zu fragen als eine 18-Jährige.“ 

Ein Knackpunkt liegt laut Schäfer unter anderem in Behandlungszimmern von Frauenärztinnen und Frauenärzten. Dort werde noch zu wenig über Unterstützungsangebote informiert. Weder über die der normalen Hebammen, die von der Krankenkasse bezahlt werden, noch die der Familienhebammen. „Beim Arzt wird die Blutabnahme gemacht und dann geht die Frau wieder. Da bleiben natürlich viele Fragen offen.“

Sandra Schäfer betreut aktuell 15 Mütter und ihre Familien und ist damit ausgelastet. Pro Stadtbezirk gibt es nur eine Familienhebamme. „Was der Jahresbericht meint, ist, dass sicherlich bei noch mehr Frauen der Bedarf da ist. Unsere Kapazitäten sind die andere Seite, tatsächlich könnten wir gar nicht noch viel mehr Frauen betreuen. Wir haben aber auch keine Warteliste oder müssen Leute abweisen“, erklärt Hans-Jürgen Dohmen, der die zuständige Abteilung des Kinderschutzbundes für den Bezirk Rodenkirchen leitet. 

Ein Anruf genügt, um nach einer Familienhebamme zu fragen

In jedem Stadtbezirk gibt es eine Stelle, an der nach einer Familienhebamme gefragt werden kann. Das funktioniert ganz unbürokratisch per Telefon. „Bei uns kann sich grundsätzlich jeder melden“, sagt Dohmen. Bei einem Gespräch wird dann festgestellt, ob eine Familienhebamme das richtige für die Mutter ist, oder ob eine normale Hebamme oder entsprechende Angebote des Gesundheitsamtes besser passen. 

Optimal fände die Familienhebamme es jedoch, die Mütter bereits circa ab der zehnten Schwangerschaftswoche zu begleiten. Das beleibt meistens aber Wunschdenken. „Viele Frauen melden sich kurz vor der Geburt, weil dann eine gewisse Panik aufkommen. Ich arbeite oft mit Müttern aus Meschenich am Kölnberg, dort ist die Armut groß. Vier Wochen vor der Geburt haben sie dann noch keinen Kinderwagen, nichts zum Anziehen und keine Pampers. Das ist dann natürlich schwierig“, erzählt Schäfer von ihrem Alltag.

In solchen Fällen hilft sie Müttern, die fehlenden Sachen zu besorgen. Sei es durch Sachspenden oder einen Antrag bei der Stadt für eine kostenlose Erstausstattung. „Da muss man sehr pragmatisch denken. Am wichtigsten sind immer ein Kinderwagen und etwas zum Anziehen. Wickeln kann man auch auf dem Fußboden und schlafen kann das Baby auch im Kinderwagen oder mit der Mutter auf ihrer Matratze.“

Köln: Fehlende Kinderärzte machen Eltern und Hebammen zu schaffen

Vor und auch nach der Geburt stehen für Schäfer viele organisatorische Dinge an. So bemüht sie sich unter anderem darum, einen Kinderarzt für die Neugeborenen zu finden. Dabei gibt es aber ein großes Problem. In Meschenich gibt es aktuell nicht einen Kinderarzt. „Die Hälfte der Babys, die ich aktuell betreue, sind nicht kinderärztlich versorgt.“

Sie werden nicht geimpft und durchlaufen keine der eigentlich verpflichtenden Kontrolluntersuchungen für Kinder. Die Gefahr, eine Krankheit zu verschleppen, ist dementsprechend groß. Mutter und Kind in ein anderes Veedel schicken? Das bleibt oft erfolglos. „Dass es zu wenige Kinderärzte gibt, ist ein Thema für ganz Köln. Oft bekomme ich auch bei anderen Praxen keinen Termin.“ Zwar gibt es auch vom Kölner Gesundheitsamt ärztliche Angebote, diese gelten aber nur für Personen ohne Krankenversicherung. 

Und nicht nur der Schutz der Kinder, auch der Schutz der Mütter liegt Schäfer am Herzen. Gerade ihr psychischer Zustand ist oft eine Herausforderung, insbesondere bei denen, die aus Kriegsgebieten wie der Ukraine kommen.  „Man sieht viel Elend. Viele von ihnen sind sehr traumatisiert.“ Dabei muss meist eine Übersetzungs-App auf dem Handy herhalten.  Immerhin, so können die Frauen Antworten auf ihre Fragen bekommen. „Wenn sie mich nicht hätten, hätten sie gar keinen.“

Besonders schön ist es für Schäfer, wenn sich durch ihre Besuche ein tiefes Vertrauen entsteht. So wie bei einer damals 14-Jährigen, die sie kennenlernte, als sie das erste Mal schwanger war. Nur widerwillig erlaubte diese durch den Rat ihrer eignen Mutter einen Hebammen-Besuch direkt nach der Geburt. Heute ist sie 17 und nicht mehr die Einzige aus ihrer großen Familie, die von Schäfer betreut wird. „Ich habe dort mittlerweile schon das fünfte Kind begleitet. Die Großmutter ruft mich ständig an und werde wirklich wegen allem gefragt“, sagt Schäfer schmunzelnd. „Ich hoffe, das ist auch noch in zehn Jahren so.“


Wenn Sie sehen wollen, welche Stelle in Ihrem Bezirk für die Vermittlung einer Familienhebamme zuständig ist und wie man sie erreichen kann, klicken Sie hier. Sie gelangen auf die Website der Stadt, wo Sie alle wichtigen Infos zu dem Angebot finden.