Wohnungsbau„In Köln ist es ein komplexes Versagen“

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NRW
Blick auf Baukräne vom Deutzer Rheinufer

Blick auf Baukräne vom Deutzer Rheinufer

Die Neubau-Ziele von Wohnraum werden seit Jahren nicht erreicht. Jens Bruckner, Vorsitzender der Wohnungsbauinitiative Köln, äußert Kritik.

Köln hat zum wiederholten Mal die selbst gesteckten Ziele von 6000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr verpasst. Woran liegt das?

Die fehlende Zielerreichung   ist ein komplexes Versagen, bedingt durch verschiedene Faktoren, die sich gegenseitig verstärken und zu einer immer größer werdenden Herausforderung entwickeln. Faktisch erreichen wir nicht einmal die Hälfte der Wohnungen, die Köln bräuchte, um dem Bedarf überhaupt gerecht zu werden.

Ist dieses Versagen ein hausgemachtes Problem?

Entscheidungen und Handlungen in der jüngeren Vergangenheit haben Auswirkungen auf die aktuelle Situation und noch intensiver auf die Zukunft. Personalmangel in den Planungs- und Bauämtern und eine Überfülle an Vorschriften und Regelungen verzögern die Umsetzung von Bauprojekten und erschweren die Entwicklung der Stadtgesellschaft. Dazu kommen sich gegenseitig blockierende Positionen zwischen zuständigen Dezernaten und zwischen Politik und Verwaltung.

Warum läuft es andernorts, zum Beispiel in Hamburg, so viel besser?

In Hamburg haben wir ein leuchtendes Beispiel für erfolgreiche Wohnungspolitik und ökologisch nachhaltigen Städtebau. Dort wurde bereits unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz ein Bündnis für das Wohnen zwischen dem Senat und der Wohnungswirtschaft geschlossen. In Hamburg besteht ein breiter Konsens darüber, dass der Wohnungsneubau ein integraler Bestandteil der Stadtentwicklung ist.

Was läuft also in Köln gerade schief?

Im Gegensatz dazu fehlt es in Köln an einem solchen Konsens. Hier werden zu oft nur minimale Kompromisse nach zähem Ringen gefunden. Die Bezirksvertretungen, der Rat der Stadt und die Stadtverwaltung haben oft unterschiedliche Vorstellungen und es mangelt an einem gemeinsamen Ziel, auf das alle Kräfte hinarbeiten.

Wie könnte ein gemeinsames Ziel aussehen?

In Hamburg lautet das gemeinsame Ziel, jährlich 10 000 neue Wohnungen zu schaffen, davon 3000 öffentlich geförderte. Dieser Ansatz funktioniert seit Jahren erfolgreich. In Köln gab es zwar 2017 das vielversprechende Wohnbündnis zwischen der   Wohnungsbauinitiative Köln (siehe Infotext), weiteren Verbänden und der Verwaltung der Stadt Köln, jedoch hat sich die Kölner Stadtpolitik nie ausreichend zu den im Wohnbündnis formulierten Zielen bekannt. Durch das Fehlen der Politik ist es hier leider nicht zu einem nachhaltigen kommunalen Konsens gekommen.

In Köln werden zu oft nur minimale Kompromisse nach zähem Ringen gefunden.
Jens Bruckner, Vorsitzender WIK

Was muss sich also in Köln ändern?

Daher ist es äußerst wichtig, dass wir uns an erfolgreichen Beispielen wie Hamburg orientieren und Brücken schlagen, um eine nachhaltige und sozial verträgliche Entwicklung im Wohnungsneubau zu fördern. Um die dringend benötigten 70.000 zusätzlichen Wohnungen zu schaffen, ist es absolut erforderlich, dass einige Akteure über ihren Schatten springen und dadurch überhaupt erst eine kooperative Zusammenarbeit für mehr Wohnraum ermöglicht wird. Wir brauchen einen kommunalen Konsens darüber, dass Köln als moderne Stadt hinreichend Wohnraum zur Verfügung stellen muss.

Und der Weg aus der Krise sieht wie aus?

Das Kölner Wohnbündnis hat nach einer Bedarfsanalyse 2017 das Ziel von jährlich 6000 neuen Wohnungen formuliert. Die Schaffung dieser Vielzahl von neuen Wohnungen jährlich ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber nur wenn wir die Knappheit überwinden, schaffen wir Raum für nachhaltiges und bezahlbares Wohnen, das den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Dies wird dazu beitragen, dass Köln attraktiv bleibt. Es geht um die richtige Mischung aus Nachhaltigkeit, sozialer Verträglichkeit und ökologischer Verantwortung, die die Bedürfnisse der Menschen in Einklang mit der Umwelt bringt.

Kann Bauen und Betreiben denn wirklich nachhaltig sein?

Studien zeigen, dass jeder neu errichtete Wohnraum einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von CO₂-Emissionen leisten kann. Durch den Einsatz von nachhaltigen Materialien, effizienten Gebäudedämmungen und erneuerbaren Energien können wir die langfristigen Emissionen im Wohnsektor minimieren und die anfänglichen Emissionen kompensieren. Der moderne Wohnungsneubau kann somit als E-Motor für eine Zukunft dienen, in der nachhaltiges Wohnen und Umweltschutz Hand in Hand gehen.

Aus dem Regionalplan wurden immer wieder Flächen gestrichen. Was passiert, wenn die Stadt sagen würde: Mehr geht nicht?

Für eine Stadt, die ihre Anziehungskraft und ihre Attraktivität erhalten möchte, ist Stillstand keine Option. Wenn wir uns weigern, neue Wohnungen zu bauen und uns als „fertig gebaut“ erklären, nehmen wir in Kauf, dass wichtige Aspekte vernachlässigt werden. Insbesondere auch die Bereitstellung von öffentlich geförderten und barrierefreien Wohnungen, die dringend benötigt werden. Diese sind entscheidend, um den sozialen Bedürfnissen einer vielfältigen Bevölkerung gerecht zu werden und eine inklusive Gesellschaft zu fördern.

Welche Auswirkungen hätte das noch?

Eine solche Entscheidung hätte auch Auswirkungen auf die Mietpreise. Ohne den Bau neuer Wohnungen werden die Mieten immer weiter steigen, und Menschen, die sich das Wohnen in Köln nicht mehr leisten können, werden gezwungen sein, in umliegende Gemeinden auszuweichen. Dies führt zu einem erhöhten Pendelverkehr, der weder ökologisch noch nachhaltig ist. Wir sollten uns bewusst sein, dass eine lebenswerte Stadt aus einem ausgewogenen sozialen Gefüge und einer funktionierenden Infrastruktur besteht.

Da ist das Streichen von Flächen für den Wohnungsbau eher kontraproduktiv, oder?

Wir müssen uns darum bemühen, eine moderne Stadt zu bleiben, die auf eine hohe Lebensqualität für alle abzielt. Dieses Streichen von Flächen aus dem Regionalplan ist maßgeblich von Symbolpolitik, Aktionismus und Partikularinteressen geprägt und nicht ausreichend durchdacht. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir einen umfassenden Ansatz verfolgen, der den Wohnungsneubau mit einer intakten Umwelt verbindet. Nur wenn wir diese Bereiche ganzheitlich betrachten und eine nachhaltige Stadtentwicklung vorantreiben, können wir langfristig unsere Attraktivität erhalten und die Lebensqualität in Köln verbessern.

Geben Sie uns einen kleinen Ausblick in den Wohnungsneubau der nächsten Jahre?

Es ist wichtig, dass Politik und Stadtverwaltung offen für den Dialog sind und gemeinsam mit den Akteuren der Wohnungswirtschaft nach Lösungen suchen. Unser Angebot für Gespräche steht, denn nur durch eine enge Zusammenarbeit können wir die prekäre Situation, verursacht durch inflationäre Baukosten und stark gestiegene Zinsen, verbessern und den Wohnungsneubau in Köln vorantreiben. Derzeit herrscht auf dem Markt Stillstand. Wir müssen an verschiedenen Stellschrauben drehen, um Lösungen zu finden. Es ist bekannt, dass etwa ein Drittel der Baukosten auf staatliche Vorschriften zurückzuführen ist.

Initiative für mehr Wohnungsbau

36 Bauträger, Projektentwickler und bauträgernahe Dienstleister haben sich zur Wohnungsbauinitiative Köln (WIK) zusammengeschlossen. Mit dem Ziel, mehr Wohnraum für eine lebenswerte Heimat in der viertgrößten Stadt Deutschlands zu schaffen. Zur Initiative gehören unter anderem Unternehmen wie Kölngrund, Rheinbauland und die Baudata Gruppe, aber auch große Projektentwickler wie Bauwens, Pandion, Garbe und WvM-Immobilien.

Mit im Boot sitzen zudem Kreditinstitute wie die DKB, die Volksbank Köln Bonn oder die Sparkasse Köln Bonn. Das Ziel, 6000 neue Wohnungen im Jahr in Köln zu errichten, hat auch die WIK als Teil des „Kölner Wohnbündnis“ gemeinsam mit zahlreichen anderen Verbänden, der Stadtverwaltung und der Politik formuliert. Doch in letzter Zeit scheint der Dialog zwischen den Beteiligten für den Wohnungsbau eingeschlafen zu sein. Das unterstrich die Aussetzung der Teilnahme der Köln AG – eine der größten Interessengemeinschaften – am Wohnungsbauforum, der Plattform für eben diesen Dialog in Köln. (rom)

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