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Kölner KirchenSo hitzig wurde über Farbe in Kölns romanischen Kirchen debattiert

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Groß St. Martin in Köln 

Aus der Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Fördervereins Romanische Kirchen   veröffentlichen wir ausgewählte Beiträge in gekürzter Form. In der letzten Folge erinnert Ex-Stadtkonservator Ulrich Krings an die  hitzige Debatte über neue  Wandmalereien.

Als der Förderverein Romanische Kirchen Köln 1981 gegründet wurde, war ich seit drei Jahren wissenschaftlicher Angestellter im Amt des Stadtkonservators. Hiltrud Kier, seit 1978 Konservatorin, war meine Chefin, und mein Tätigkeitsfeld umfasste neben technischen Bauten die rund 250 denkmalwerten Kirchen Kölns mit dem soeben erfundenen zwölfteiligen „Kranz der romanischen Kirchen“ als strahlendem Mittel- und Angelpunkt. Deren Wiederherstellung nach den Kriegsbeschädigungen hatte natürlich schon 1945/46 begonnen und war im 36. Jahr danach in großen Teilen abgeschlossen.

Allerdings gab es an drei dieser bedeutenden Sakralbauten des Mittelalters damals noch umfangreiche aktive Baustellen: St. Gereon, St. Maria im Kapitol und Groß St. Martin warteten noch auf die Vollendung wesentlicher Raum- beziehungsweise Bauteile. Bei St. Kunibert waren die Ostteile und das Langhaus zwar seit 1957 komplett wiederhergestellt; der Wiederaufbau des Westbaus samt ehemals bekrönendem Turm schien allerdings damals aufgegeben zu sein. Seine Reste standen als geschützte und gestützte Halbruine ohne bauliche Aktivitäten etwas verloren im kleinbürgerlichen Veedel nördlich des Hauptbahnhofs.

Der Förderverein sollte sehr wesentlich dieser vergessenen Ruinenlandschaft neue Impulse geben, was ja auch gelang. Darüber hinaus waren die wachsenden Finanzmittel des jungen Vereins dazu gedacht, die Innenausstattungen des Kirchen-Ensembles zu fördern.

Als Vorbild diente der Historismus

Im Sinne Hiltrud Kiers bedeutete das zunächst vor allem notwendige Restaurierungsarbeiten an der großen Zahl überkommener, zum Teil hochbedeutender Kunstwerke. Darüber hinaus sollten Initiativen ergriffen und tatkräftig begleitet werden, um die von Kier oft lediglich als „funktionsfähige Rohbauten“ bezeichneten, nunmehr baulich vollendeten Innenräume mit den Mitteln neuer Wandmalerei und/oder neuer Glaskunst zu vollenden. Generationsspezifisch stand damals Kier und anderen Denkmalpflegern, darunter auch mir selbst, die farblich oft so reiche Gestaltungskunst des soeben neu entdeckten Historismus vor Augen. Beispiele dafür hatten sich nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und des nachfolgenden Bildersturms der puristischen, gerade die Erzeugnisse des Historismus verachtenden Bauhaus-Generation in den 1950er- bis 1970er-Jahren nur wenige erhalten. In Köln gab es davon nurmehr spärliche, allerdings bedeutende Reste, wie zum Beispiel die Pietà-Kapelle an St. Gereon, Farbfenster in St. Andreas oder St. Ursula sowie im Dom die Chorarkaden-Malereien, zahlreiche Fenster und die großartige Beflurung des Chorbereichs. Die verlorenen, nur als Gesamtkunstwerke angemessen zu bezeichnenden, farbgesättigten Raumausstattungen des 19. Jahrhunderts der romanischen Kirchen wurden erforscht sowie dokumentiert und avancierten zu Ideengebern für die Konzeptfindung farblicher Neufassungen und Neuausstattungen der Innenräume dieser Bauten.

Als Ende 1984 das großartige spätromanische Dekagon von St. Gereon mit seiner farbenfrohen Ausstattung in Gewölbe- und Glasmalereien samt den vergoldeten Kapitellen sich erstmals der überraschten Öffentlichkeit präsentierte – das dortige Konzept war allerdings schon in den 1970er-Jahren entwickelt worden –, meldeten sich erste kritische Stimmen. Die maßgeblichen Künstler waren Georg Meistermann und Wilhelm Buschulte; dirigiert worden war das Ganze von Leo Hugot, Architekt und Stadtbaumeister in Aachen. Der denkmalpflegerisch exakt rekonstruierte Dreikonchenchor von St. Aposteln war schon 1956 in Steinsichtigkeit, kühler Weißfassung und mit zurückhaltenden Ornamentfenstern von Willy Weyres eröffnet worden. Die 1970 bis 1975 folgende Rekonstruktion der zugehörigen Vierungskuppel hatte die Gemeinde mit ihrem damaligen Pfarrer Theodor Schnitzler veranlasst, eine pompöse Neubeflurung aus dunkelgrünem Marmor samt neuem Altar und darüber schwebender eucharistischer Taube bei Sepp Hürten in Auftrag zu geben, die 1975 eingeweiht wurde.

Diese mich an Bayreuther Inszenierungen von Lohengrin oder Parsifal erinnernde neobarocke Vierungsgestaltung inspirierte ab 1977 die Gemeinde mit ihrem inzwischen dritten Nachkriegspfarrer Karl Günther Peusquens, eine figürliche Komplettausmalung der drei Konchen und der schon 1975 versuchsweise durch Manfred Ott ausgemalten Vierungskuppel anzustreben. In Hermann Gottfried fand sich ein potenter Künstler, der in drei Abschnitten zwischen 1989 und 1993 das von Theologen inhaltlich entwickelte Werk ausführte. Gottfrieds Stil kann als neoexpressionistisch charakterisiert werden.

Laute Ablehnung, aber auch Zustimmung

Gottfrieds Apokalypse in St. Aposteln ließ den Chor ablehnender Stimmen nachhaltig, teilweise schrill und fast so farbintensiv, flackernd und bewegt wie die neuen Malereien selbst anschwellen. Es gab allerdings auch viel Zustimmung. Nachdem ich um die Jahreswende 1990/91 Stadtkonservator geworden war, hatte ich vom ersten Tage an alle Hände voll zu tun, um die kritischen Bemerkungen aufzufangen und zu sortieren, die mir aus dem Kreis der Fachkollegen, führender Mitglieder aus dem Bund Deutscher Architekten oder dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, zahlreicher, damals prominenter, wortgewaltiger Journalisten aller großen deutschen Tageszeitungen, des „Spiegel“ sowie der beiden Kölner Blätter, dazu von vielen einfachen Kirchenbesuchern entgegenschlugen.

Ich sah mich vor die Aufgabe gestellt, meinen Standpunkt grundlegend zu reflektieren, um angemessene Antworten zu finden. Zu diesem Zeitpunkt war meine Skepsis gewachsen; die Euphorie der frühen 1980er-Jahre gegenüber neuen Ausmalungen und Ausgestaltungen war weitgehend verflogen. Andererseits war ich an den entscheidenden Weichenstellungen beteiligt gewesen, hatte die Projekte positiv begleitet und realiter mit befördert. Da gab es nichts zu deuten oder zu leugnen.

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Ich erklärte öffentlich, die 1989 begonnenen Maßnahmen, wie etwa in St. Aposteln zu Ende zu bringen, jedoch neue Initiativen, etwa in Groß St. Martin oder auch in St. Maria im Kapitol, weder anzuregen noch zuzulassen. In die Diskussion um die Neuausstattungen sollte erst einmal Ruhe einkehren. Ich distanzierte mich vorsichtig, aber deutlich von der ursprünglichen Dynamik, ohne die Leistung und das Anliegen etwa Hiltrud Kiers und der übrigen Förderer, aber natürlich auch das jeweilige Werk der ausführenden Künstler, zu desavouieren.

Heute bin ich davon überzeugt, dass diese Entscheidung richtig war. Mittlerweile sind weitere 30 Jahre ins Land gezogen, die damaligen Aktivitäten sind ebenso wie der heftige Streit längst Geschichte und die Werke der beteiligten Künstler können heute aus der Distanz möglicherweise gerechter als damals beurteilt werden.

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