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Eine ganz normale FamilieMenschenaffen im Kölner Zoo spielen, zanken und trinken Tee

4 min

Kuscheln bei den Orang Utans: Cajunga und ihr Nachwuchs Cabu.

Köln – Kiano hat Flausen im Kopf: Erst rupft er energisch am Bambus herum, dann stopft er sich ein paar Blätter halb in den Mund und hüpft übers Gras. So ist das halt bei Dreijährigen. Seine Mutter Kissa (14) hat ihn im Blick, bleibt aber gelassen auf dem Baumstamm sitzen. Vater Kito hält sich zurück. Er ist der Silberrücken und damit der Chef bei den Westlichen Flachlandgorillas im Kölner Zoo.

Seine Aufgaben: Zwei Damen bei Laune halten, sich um seine Mutter und seine Schwester kümmern und Söhnchen Kiano miterziehen. 2014 hat er die Verantwortung für die Gruppe übernommen, damals starb sein Vater Kim. Kito war zehn Jahre alt und für einen Silberrücken jung – außerdem hatte er noch gar keine grauen Haare. Der Anfang war nicht einfach: „Vor allem seine Mutter hat ihn erst nicht als Oberhaupt akzeptiert“, sagt Zoo-Kurator Dr. Alexander Sliwa. Aber inzwischen beherrsche Kito das „Wechselspiel zwischen Dominanz und Sensibilität“. Das Familienleben bei den Menschenaffen kann ganz schön nervenaufreibend sein – und bisweilen geht es auch grob zu.

Gorilla-Vater Kito in der Außenanlage.

Inzwischen zeigt sich bei Kito nicht nur grauer Flaum am Rücken, sondern auch sein Schädel wächst in eine charakteristische steile Anführer-Form – hinten höher als vorne. Die Weibchen in seinem Harem ordnen sich unter. „Wenn er auf sie zukommt, müssen sie zur Seite weichen“, sagt Alexander Sliwa. „Sonst schubst er schon mal.“ Übertreiben darf er nicht. Dann verbünden sich die Frauen und fangen ihrerseits an zu schubsen und zu schreien. „Das ist Stress für ihn“, erklärt der Affen-Spezialist. Und dann gibt es auch noch den Nachwuchs: Kiano ist ständig auf Achse, animiert alle zum Spielen und Raufen. „Das Jungtier hat eine wichtige Funktion für die Gruppe“, sagt Sliwa. Tante Gasira (9) kann sich hier zum Beispiel abgucken, wie man Nachwuchs aufzieht.

Vier- oder fünfmal pro Tag werden die Gorillas gefüttert, jeder verputzt im Schnitt zehn Kilo Gemüse. Dazu servieren die Tierpfleger nachmittags einen Tee – bisweilen werden darin Medikamente verabreicht: Kitos Mutter Gina (36) bekommt die Pille, damit es keinen Inzest gibt, Gorilla-Dame N’Datwa (29) wird wegen Epilepsie behandelt.

Bonobo-Mädchen Ciri spielt mit Wasserkanistern.

Nebenan bei den Bonobos gibt es gerade lautes Geschrei. Yala (38) hat einen Warnruf abgegeben, irgendetwas hat sie erschreckt. Alle fünf Bonobos schwingen sich über Taue und Äste nach oben. „Yala regt sich schnell auf und schreit. Binti hört man selten rufen“, erklärt Alexander Sliwa. Anders als bei den Gorillas, geben hier die Frauen den Ton an. Zwar ist Yala die Älteste, aber Binti (23) ist die Chefin. Beide sind aus anderen Zoos gekommen, waren gewohnt, eine Gruppe zu führen. In Köln haben sie sich „schließlich arrangiert“, sagt Alexander Sliwa. Ohne Konflikte lief das nicht ab.

Wenn ein neuer Bonobo dazu käme, könnte sich das Gleichgewicht wieder verschieben. Yalas Nachwuchs Kivu (12) ist das einzige Männchen. Platz wäre für bis zu zehn Tiere. Stattdessen gibt es gerade viel Platz für Batia (4) und Bina (3) zum Herumtollen. Während die Älteren das Stroh von rechts nach links und wieder zurück sortieren, um Pellets, Kürbiskerne und Sonnenblumenkerne zu finden, baumelt Batia kopfüber an einem Strick und lässt sich immer wieder ins angehäufte Stroh fallen. Nach draußen dürfen sie nicht. Es ist zu kalt: „Bonobos bekommen schnell Atemwegserkrankungen“, erklärt Sliwa.

Sohn Kiano spielt in der Außenanlage.

Auch die Orang-Utans dürfen erst ins Außengeländer, wenn dort über einen längeren Zeitraum etwa 20 Grad gemessen werden. „Menschenaffen haben ein schütteres Fell und sind temperaturempfindlicher als andere Arten.“ Orang-Utan-Mädchen Ciri (5) versucht gerade, Grenzen auszutesten. Sie schlürft Wasser, schwingt sich mit vollen Backen im Gehege nach oben und spuckt runter. Dort hockt Budi (12). Daneben, Glück gehabt. Das Männchen hätte sich das wohl nicht gefallen lassen, glaubt Kurator Sliwa. Ciri hat Langeweile, weil ihre Spielkameradin Cinta (6) in einem abgetrennten Bereich untergebracht ist. Cinta stochert dort ausdauernd mit einem Stöckchen durchs Gitter nach Blättern. In der Nähe ist ihre Mutter Cajunga (17) mit ihrem Baby Cabu beschäftigt. Die Gruppe wurde geteilt, nachdem Budi angefangen hat, der kleinen Cabu die Milch wegzutrinken. „Wir hoffen, dass er diese Marotte schnell wieder ablegt“, sagt der Zoo-Kurator. Orang-Utans sind in der Wildnis eher Einzelgänger. Wobei schon beobachtet wurde, dass sich Weibchen zusammentun, gemeinsam essen und den Nachwuchs spielen lassen.

Menschenaffen sind die intelligentesten Affen. Sie sind größer und schwerer als andere Affen und sie haben keinen Schwanz. Ihr Verhalten ist größtenteils erlernt, deswegen dauert ihre Kindheit recht lang. Menschen und Menschenaffen sind eng miteinander verwandt. Ihr Erbgut unterscheide sich in etwa einem Prozent, sagt Sliwa. „Aber das ist verdammt viel.“